Kirchenreform: Geschiedene im Fokus
Die unter dem neuen Papst Franziskus herbeigesehnte Erneuerung der katholischen Kirche ist besonders beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen "überfällig". Das betonte die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Gerda Schaffelhofer, am Freitagabend bei einer Diskussion im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" über das Thema "Reformen in der Kirche - wie stehen jetzt die Chancen?".
» | Dossier zur "Langen Nacht der Kirchen" 2013 |
» | Website: www.langenachtderkirchen.at |
Eine Kirche, die das biblische Leitmotiv der Barmherzigkeit ernst nimmt, dürfe Menschen, die einen Neuanfang in ihrem Beziehungsleben gesetzt haben, nicht per Kirchengesetz von der eucharistischen Mahlgemeinschaft ausschließen. Auch wenn in vielen Pfarren der Empfang der Kommunion nach Rücksprache mit dem Ortspfarrer möglich ist, schadeten diese "Ausnahmen" der Glaubwürdigkeit der Kirche, so Schaffelhofer.
Der Wiener Pfarrer Hans Bensdorp, als Vertreter der Pfarrer-Initiative zweiter Diskutant am Podium der Altkalksburger Vereinigung im Amalientrakt der Wiener Hofburg, nannte die Geschiedenen als Gruppe, für die eine Kirchenreform besonders dringend erscheint. Neue Weichenstellungen seien auch im Blick auf Homosexuelle notwendig, die sich von der Kirche "ausgegrenzt" sähen. Leicht möglich wäre ein neuer "offizieller" Umgang jenseits der meist ohnehin anderen seelsorglichen Praxis durch eine lehramtliche Aufwertung der persönlichen Gewissensentscheidung der Betroffenen, sagte Bensdorp. Das überkommene kirchenrechtliche Denkmodell, dass "permanent in Sünde lebende" Menschen von der Kommunion und damit der Gemeinschaft ausgeschlossen seien, müsse durch den Rückgriff auf die "uralte christliche Instanz" des gebildeten Gewissens überwunden werden.
Eine Art "Mariatroster Erklärung", mit der die österreichischen Bischöfe unter Kardinal Franz König die Entscheidung über die Wahl der Empfängnisregelung dem Gewissen der Eheleute überantworteten, wäre laut Bensdorp auch auf weltkirchlicher Ebene wünschenswert. Dies würde auch Priester und Bischöfe entlasten und im Umgang mit Geschiedenen und Homosexuellen freier machen.
Hoffnungen liegen auf Papst Franziskus
Sowohl Schaffelhofer als auch Bensdorp setzen Hoffnungen in den neuen Papst. Franziskus habe in den nicht einmal 100 Tagen seit seinem Amtsantritt am 13. März bereits viele positive Akzente gesetzt, waren sich die beiden einig. Gerda Schaffelhofer erinnerte an die menschliche "entmythologisierende" Art der Amtsausübung Franziskus', an seine Abkehr vom Zentralismus Roms durch die Einsetzung eines Beratergremiums mit Kardinälen aus allen Kontinenten und an die ökumenische Offenheit des Papstes, der sich lieber "Bischof von Rom" nennt. Gegenüber "Einflüsterern" aus dem ultrakonservativen Lager, die frühere Bischofsernennungen in Österreich negativ beeinflusst hätten, sei er taub, berichtete die KAÖ-Präsidentin von einem kürzlichen Gespräch mit dem Apostolischen Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen.
Franziskus habe in kurzer Zeit eine Stimmung des Aufbruchs und der Ermutigung geschaffen, so die KAÖ-Präsidentin. Die Kirchenbasis, vor allem auch die vom Papst sichtlich geschätzten Laien, sollten diesen Aufbruch aktiv mittragen und nicht länger ihren "Frust kultivieren", so Schaffelhofer wörtlich. Die Katholische Aktion bereite gemeinsam mit der Österreichischen Bischofskonferenz ein "Zukunftsforum" vor, bei dem ab 2014 in vier Themenkreisen wesentliche Themen unter dem Anspruch von Geschlechtergerechtigkeit, Partizipation und Barmherzigkeit behandelt werden sollen. Auch kritische Gruppen wie die Pfarrer- oder die Laien-Initiative sollen in diesen breiten Reformdialog eingebunden werden, versicherte Schaffelhofer.
Mit der Behandlung "heißer Eisen" werde es freilich nicht getan sein, gibt sich die KAÖ-Präsidentin keinen Illusionen hin. Die mit der Säkularisierung und dem Glaubensverlust verbundenen Probleme lägen tiefer. Dies bezeuge, dass viele Menschen trotz offensichtlicher Sehnsucht nach Sinn nicht den Weg zur Kirche fänden. Ziel müsse es sein, die christliche Frohbotschaft begeisternd ins 21. Jahrhundert zu übersetzen, sagte Schaffelhofer. Die Hoffnung auf ein solches "Aggiornamento" ("Verheutigung") lasse sie sich nicht nehmen. Auch vor dem Konklave habe sie zuversichtlich gemeint, "der Geist weht, wo er will" - und mit der Kür eines Papstes, der viele überrascht, Recht behalten.
"Warum keine Laien als Gemeindeleiter?"
Pfarrer Bensdorp warnte vor allzu großer Euphorie hinsichtlich Reformen von Rom aus. Viele inhaltliche Akzente des neuen Papstes seien noch unklar, hinsichtlich der Bischofsernennungen könne man trotz der "hoffnungsvollen" Besetzung der Diözese Feldkirch durch Benno Elbs noch nicht von einer "Linie" reden. Reformen würden jedenfalls nicht nur von Franziskus abhängen; Kardinal Christoph Schönborn etwa setze auf Pfarrzusammenlegungen statt auf Laien als mögliche Gemeindeleiter.
Die Abkehr von der Tendenz, die Zahl der Gemeinden an der Zahl der zölibatär lebenden Priester auszurichten, hält der Vertreter der Pfarrer-Initiative auch für ein dringendes Reformanliegen. Denn das Wohl der Kirche hänge wesentlich von lebendigen Gemeinden ab, die nicht in immer größeren Pfarrverbänden aufgehen dürften.
"Viele Menschen tun sich heute schwer mit dem Glauben", weiß Bensdorp. In dieser Situation sei es erst recht angeraten, durch Neuerungen Glaubwürdigkeitsdefizite abzubauen.
Quelle: Kathpress