
Papst ruft zur Versöhnung in Ruanda auf
Papst Franziskus hat 20 Jahre nach Beginn des Völkermords in Ruanda das ostafrikanische Land zu weiterer Aussöhnung aufgerufen. "Ich ermutige euch, weiterhin mit Entschlossenheit und Hoffnung den Prozess der Versöhnung fortzusetzen, der bereits seine Früchte gebracht hat", sagte er am Sonntag bei seinem Mittagsgebet im Vatikan. Es gehe um einem menschlichen und geistigen Aufbau des Landes, rief er vor mehreren Zehntausend Gläubigen auf dem Petersplatz.
"Habt keine Angst! Erbaut auf dem Felsen des Evangeliums eure Gesellschaft in Liebe und in Eintracht; denn nur so schafft man einen dauerhaften Frieden", sagte der Papst in seinem Appell auf dem Petersplatz. Er bekundete "dem ganzen ruandischen Volk seine väterliche Verbundenheit". Er rief alle Katholiken zum Gebet für Ruanda auf und sprach mit den Anwesenden auf dem Petersplatz ein Avemaria.
Bereits vergangenen Donnerstag hatte Franziskus bei einer Audienz für Bischöfe aus Ruanda das Land zu einer "nationalen Versöhnung" aufgerufen. Die Vorurteile und ethnischen Spaltungen im Land müssten überwunden werden. Dies müsse für die Kirche Vorrang haben, sie müsse sich bemühen, die Wunden zu heilen, die durch die tragischen Ereignisse erstanden seien, sagte er. Der Papst versicherte alle Opfer des Genozids und ihre Familien seines Gebets - unabhängig von deren Religion, Volksgruppe oder politischer Überzeugung".
Der wahrscheinlich geplante Völkermord in dem zentralafrikanischen Land begann am 6. April 1994. Auslöser war ein bis heute ungeklärter Anschlag auf das Flugzeug des damaligen Staatspräsidenten Juvenal Habyarimana, der tags zuvor ein Friedensabkommen mit Tutsi-Rebellen geschlossen hatte. In den folgenden drei Monaten ermordeten radikale Hutu bis zu 800.000 Angehörige der Volksgruppe der Tutsi und gemäßigte Hutu. Zu den Ursachen des Völkermords werden Konflikte um die Landnutzung in dem dicht besiedelten Staat gezählt.
Mit zahlreichen Veranstaltungen erinnern die Menschen in Ruanda in diesen Tagen an den Völkermord. Die ruandischen Bischöfe hielten sich in der Vorwoche zum Ad-limina-Besuch in Rom auf, um dem Papst und der Kurie über die Lage in dem zu 57 Prozent katholischen Land zu berichten.
Beim Angelusgebet erinnerte Franziskus auch an das schwere Erdbeben in der Abruzzen-Stadt L'Aquila vor genau fünf Jahren. Damals waren mehr als 300 Menschen getötet und fast 70.000 obdachlos geworden. Solidarität, Gebet und geistige Erneuerung bildeten die Grundlage auch eines materiellen Wiederaufbaus, sagte der Papst auf dem Petersplatz. Das Erdbeben der Stärke 5,8 auf der Richterskala hatte in der Nacht auf den 6. April 2009 mehr als 15.000 Gebäude beschädigt.
Verteilung von Biblen im Taschenformat
Der Papst ging beim Angelusgebet weiters auf die Tradition ein, dass erwachsene Täuflinge der Osternacht zwei Wochen vorher ein Evangelium erhalten. Aus diesem Grund ließ Franziskus mehrere tausend Exemplare der Heiligen Schriften in Taschenformat verteilen. "Nehmt sie, tragt sie bei euch und lest sie jeden Tag: Es ist Jesus, der darin zu euch spricht", sagte der Papst. Die im Vatikan gedruckte Ausgabe enthält die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, Passagen aus dem jüngsten Papst-Schreiben "Evangelii gaudium" sowie ein Gebet des seligen John Henry Newman.
Es handle sich um ein Geschenk, es sei kostenlos, erläuterte Papst Franziskus die Aktion vor den Anwesenden, die sich zum Abschluss des Mittagsgebets an den Verteilstellen drängten. Allerdings erbitte er dafür eine kleine Gegenleistung, fügte er hinzu: etwa ein Gebet für einen Nachbarn, oder eine Geste der Versöhnung gegenüber einen Widersacher.
Es gebe heute viele technische Möglichkeiten, die Bibel mit sich zu tragen und zu lesen, sagte der Papst: auf dem Handy, auf dem Tablet. "Wichtig ist, dass man das Wort Gottes liest, egal mit welchen Mitteln, und des mit offenem Herzen aufnimmt." So werde es immer Frucht bringen, sagte der Papst vor mehreren zehntausend Gläubigen auf dem Petersplatz.
Besuch in Problemviertel
Für den Nachmittag stand ein Besuch in einem Problemviertel im Süden Roms auf dem Programm des Papstes. Während des vierstündigen Aufenthaltes will Franziskus mit verschiedenen Gruppen der Pfarre San Gregorio Magno im Außenbezirk Portuense zusammentreffen und dabei auch deren umfangreiche Sozialarbeit kennenlernen. So will er sich über Einrichtungen für Arme und für Arbeitslose, aber auch über Initiativen zur Wiedereingliederung von ehemaligen Strafgefangenen und Drogenabhängigen informieren.
Auf einem Sportfeld ist zu Beginn des Besuchs eine Begegnung mit Kindern und Jugendlichen vorgesehen, die am Katechismusunterricht teilnehmen. In einem Raum des Pfarrzentrums spricht der Papst mit Kranken, die von Ordensfrauen betreut werden. In einem weiteren Raum warten Mitglieder und Freiwillige einer Einrichtung, die sich für drogenabhängige Jugendliche einsetzen.
Anschließend feiert Franziskus in der Kirche einen Gottesdienst mit der Gemeinde. Es ist sein sechster Pastoralbesuch in einer Pfarre seiner Diözese Rom.