Künstler mit Botschaft?
Wer ist Conchita Wurst? - Und was ist die Botschaft hinter dieser Kunstfigur? Über diese Frage diskutieren derzeit nicht nur Medien sondern offenbar auch Christen untereinander. So interpretiert etwa der Pfarrer von Bad Mitterndorf, der Heimat des Sängers Tom Neuwirth, die Figur und den Auftritt als positives Signal. Scharfe Kritik hingegen kommt von der orthodoxen Kirche.
Die Gesellschaft in ganz Europa wird immer mehr bereit, Menschen zu akzeptieren und zu respektieren, so wie sie sind: Das ist für den Bad Mitterndorfer Pfarrer Michael Unger die durchaus frohe Botschaft nach dem Erfolg des aus dem Ort stammenden Tom Neuwirth, der als bärtige Conchita Wurst beim Eurovisions-Songcontest für Furore sorgte. Die Gemeinde im steirischen Salzkammergut und gerade auch die Pfarrgemeinde hätten sich nach dem Sensationssieg riesig gefreut, zumal Tom/Conchita dort bestens bekannt sei: Mehrere Jahre lang sei der "schon damals sehr selbstbewusste" Wirtsleute-Spross als Sternsinger von Haus zu Haus gegangen und habe sein offenkundiges Talent für kirchliche Entwicklungshilfeprojekte eingesetzt, berichtete Pfarrer Unger am Montag gegenüber "Kathpress".
Tags zuvor hatte er gemeinsam mit dem Bürgermeister vor dem anlassbezogen veränderten Ortsschild von "Bart Mitterndorf" posiert und sich über den Sieg mitgefreut. Er habe das deutliche Votum zugunsten des "Künstlers mit Botschaft" auch als vorweggenommene Europa-Wahl empfunden, so der langjährige Pfarrer der 3000-Seelen-Gemeinde am Fuße des Grimming. Das deutliche Ergebnis habe klargestellt, dass Europa auf Vielfalt setzt und den Vertretern von Uniformität eine Absage erteilt. Auch Unger empfindet es "großartig, dass ein junger Bursch aus Bad Mitterndorf einem Putin Contra gibt".
Er selbst - so der Geistliche - halte den Einsatz für Ausgegrenzte für eine Haltung, die sich auch aus dem Evangelium ergibt. "Die Frage ist nicht, ob einer schwul ist, sondern ob er ein guter Kerl ist", meinte der Pfarrer. Und angesprochen auf die Bewertung von Homosexualität durch die kirchliche Lehre zitierte Unger Papst Franziskus. Dieser hatte auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro auf eine entsprechende Anfrage eines Journalisten gesagt: "Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Willen hat, wer bin ich, darüber zu richten?" Homosexuelle sollten mit Respekt behandelt werden, so der Papst damals.
"Anwalt des Respekts"
Natürlich gebe es in seiner Gemeinde auch anderslautende Stimmen, bekannte Unger: "Ich könnte Ihnen da einiges erzählen." Er versuche aber immer als Anwalt des Respekts zu wirken, denn: "Ich bin als Pfarrer für alle da."
Im Sonntagsgottesdienst habe er mit den Messbesuchern für Tom/Conchita gebetet, auf den nun absehbar turbulente Zeiten zukommen. Er wünsche ihm, dass er seinen Erfolg gut bewältigt und weiterhin Erfolg hat, sagte Unger im "Kathpress"-Gespräch. Und er sei diesbezüglich optimistisch: Tom sei ein "Supertyp", der wisse, "was es heißt, unten zu sein" und für sein Anderssein verspottet zu werden; der junge Künstler habe die charakterlichen Qualitäten und das Selbstbewusstsein, jetzt auch das "Oben-Sein" gut zu schaffen: "Er geht gut damit um."
Orthodoxie übt Kritik
Wladimir Legoida, Synod-Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche, sagte am Montag nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax, das Ergebnis sei ein weiterer Schritt in der Weigerung, anzuerkennen, dass die Basis der europäischen Kultur das Christentum ist. Der Triumph sei ein weiteres Glied in einer Kette der "kulturellen Legitimierung von Lastern in der modernen Welt".
Die Anerkennung von Dingen, die in der Bibel als "Abscheulichkeit" bezeichnet würden, sei keine neue Entwicklung, so Legoida. Sie dürfe nicht verharmlost werden. Die kulturelle Legitimierung des Phänomens sei noch gefährlicher als die rechtliche, weil sie oft der Vorbote von Gesetzen sei.