Islamgesetz: Rechtsexperten fordern Änderungen
Namhafte Theologen, Religionsrechtler, Verfassungsrechtler und weitere Wissenschaftler haben in einer gemeinsamen Stellungnahme Kritik an zentralen Punkten des geplanten neuen Islamgesetzes geübt. Sie kritisieren u.a. ein den Text durchziehendes Misstrauen gegenüber Muslimen, Bestimmungen zur Finanzierung und zur theologischen universitären Ausbildung. Zu den Unterzeichnern der Stellungnahme zählen u.a. die Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, Theo Öhlinger und Heinz Mayer, die Religionsrechtler Richard Potz und Brigitte Schinkele sowie die Theologen Martin Jäggle, Wolfgang Palaver, Regina Polak, Kurt Remele und Roman Siebenrock.
Generell halten die Theologen und Rechtsexperten fest, dass der Abschluss der Novellierung in eine Phase globaler Krisen und Kriege sowie intensiver politischer Emotionen falle, die von Entsetzen und Abscheu über die Aktivitäten der Terror-Miliz "Islamischer Staat" im Irak und in Syrien geprägt sind, sowie von der Angst vor Anschlägen in Europa. Es werde zwar von staatlichen Organen betont, dass Muslime in diesem Kontext nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden dürfen. Es bestehe aber dennoch die Versuchung, in gewisser Weise die lokalen muslimischen Gemeinschaften kollektiv haftbar zu machen für die Taten einer Organisation, die sich auf den Islam beruft.
In diesem schwierigen Umfeld bedürfe die Novellierung des Islamgesetzes einer "besonders kühlen Nüchternheit und Sorgfalt". Das neue Gesetz solle zur Integration der Bevölkerung mit muslimischer Zugehörigkeit als gleichberechtigte Bürger beitragen. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: "Das neue Islamgesetz soll als Dokument von kluger Weitsicht in die Geschichte des Umgangs des österreichischen Staates mit der muslimischen Minderheit eingehen, nicht als Zeitdokument einer krisenhaften politischen Situation."
Die Rechts- und Religionsexperten halten fest, dass der Passus des Vorrangs allgemeiner staatlicher Normen vor religiösen Regeln und Lehren so nur im geplanten Islamgesetz festgeschrieben sei. Dies könne als "Ausdruck eines besonderen Misstrauens" gegenüber den Muslimen im Unterschied zu anderen Religionsgruppen verstanden werden. Diesem Eindruck könne allerdings abgeholfen werden, wenn der Gesetzgeber nicht im Gesetzestext, sondern in den ergänzenden Materialien auf diesen Vorrang verweist, so wie dies beispielsweise auch im Israelitengesetz der Fall sei.
Das Verbot einer Finanzierung aus den Ausland fällt ebenfalls auf wenig Gegenliebe der Experten. Diese gesetzliche Maßnahme stelle "eine Ungleichbehandlung der islamischen Glaubensgemeinschaften in Österreich gegenüber anderen staatlich anerkannten Religionsgesellschaften bzw. eine Diskriminierung einer einzelnen Religionsgemeinschaft dar", halten die Wissenschaftler fest. Um dieser Ungleichbehandlung abzuhelfen, sei ein Gebot der Transparenz finanzieller und anderer Zuwendungen aus dem Ausland für alle staatlich anerkannten Religionsgesellschaften zu verankern.
Skeptisch sehen die Wissenschaftler auch die geplante Regelungen für eine einer islamisch-theologische Ausbildung an der Universität Wien. Angesichts des Bestehens zweier islamischer Religionsgesellschaften und der zukünftigen Möglichkeit der Anerkennung einer weiteren zwölferschiitischen sei die Unklarheit zu beseitigen, welcher Gemeinschaft welcher Anteil des Lehrpersonals zugerechnet wird.
Ansonsten könnte die paradoxe Situation entstehen, dass eine in Aussicht genommene Person für die Lehre im islamisch-alevitischen Bereich von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) bestätigt werden muss und umgekehrt, warnen die Experten. Diese Passagen in der Regierungsvorlage für das Islamgesetz sollten entsprechend modifiziert werden.
Die Bestimmung, dass die Islamischen Religionsgesellschaften eine "Darstellung der Lehre einschließlich eines Textes der wesentlichen Glaubensquellen (Koran)" in deutscher Sprache vorweisen müssen, sei ebenfalls skeptisch zu bewerten. Sachlich sei dieses Gebot nicht zu rechtfertigen, da hier die komplexen Auslegungsprozesse religiöser Quellen nicht berücksichtigt werden, heißt es in der Stellungnahme. Zudem steht die Komplexität der Übersetzung des Korans wie auch anderer Grundtexte in anderen Religionsgruppen einer umstandslosen Bestimmung einer Übersetzung oder gar einer Neuübersetzung entgegen. Der Verweis auf den Text des Korans in deutscher Übersetzung sollte deshalb gestrichen werden.
Die Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) hat am Montag offiziell Kritik am Gesetzesentwurf geübt. Bereits vergangenen Freitag lehnte der Oberste Rat als höchstes Gremium der Glaubensgemeinschaft die Novelle in der derzeit vorliegenden Form ab, hieß es in einer Pressemitteilung am Montag. Zuvor hatte Präsident Fuat Sanac wiederholt Kritik geübt.
Laut Aussendung wurde bedauert, dass der Novellierungsvorschlag in Begutachtung geschickt wurde, ohne dass die Politik auf die Stellungnahmen der Gremien der IGGÖ gewartet hätte. Der Oberste Rat sei mit dieser Fassung des Entwurfs nicht einverstanden. "Die IGGÖ begehrt ein Islamgesetz ohne Benachteiligung, das Rechtssicherheit bewirkt und dem Gleichheitsgrundsatz folgt. Wir bleiben im Dialog", hieß es.
Quelle: Kathpress