Christ in Ostdeutschland: Eine Herausforderung
Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall befindet sich die Kirche in Ostdeutschland in einer Diaspora-Situation und das Leben für Christen bleibt eine Herausforderung: Das hat der Magdeburger Bischof Gerhard Feige gegenüber der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA erklärt. Die neuen Verhältnisse müssten verantwortungsvoll gestaltet werden, und deutlich erkennbar fehle es vielerorts an Solidarität. "Freiheit ist eben auch anstrengend, und manche sagen heute: Die Freiheit ist grauer als der Traum von ihr", so Feige.
Manche der anfänglichen Vorstellungen nach der Wende seien "illusionär" gewesen, denn ein "Paradies auf Erden" sei nicht angebrochen, erklärte Feige rückblickend. Die katholische Kirche habe nach 1989 erst einmal ihren Platz in der Gesellschaft finden müssen, nachdem sie zu DDR-Zeiten "wie in einer Parallelgesellschaft" gelebt habe, was mittlerweile jedoch überwunden sei.
Ähnlich erklärte auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, dass für Ostdeutsche das Christsein nach der Wende "nicht unbedingt leichter" geworden sei: "Früher wusste man genau, wo der Feind des Glaubens saß. In der heutigen pluralen Gesellschaft wissen viele nicht immer so genau, was dem Glauben schadet, was dem Aufbau der Gemeinde dient."
So wie im Westen beobachte er eine Entwicklung "zu einem entschiedeneren und überzeugteren Christsein": Angesichts einer manchmal "vertrockneten Tradition" entscheide ein "persönliches Ja zu Christus und seiner Kirche", ob Menschen auch künftig in der Kirche verbleiben würden.
Tempo der Öffnung war "unvorhersehbar"
Am Abend des 9. November 1989 war die Mauer, die Berlin seit 1961 in Ost und West trennte. Nach 28 Jahren kam mit dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht nur die Reisefreiheit, sondern auch die Religionsfreiheit wieder zurück, die zuvor nur auf dem Papier existierte und deren Fehlen vielen bekennenden Christen mit zahlreichen Sanktionen schmerzlich zu spüren bekamen.
Die Katholiken der DDR-Zeiten hatten den SED-Staat wie kaum eine andere Gruppe innerlich abgelehnt und sich an den Friedensgebeten in den evangelischen Kirchen beteiligt, die häufig Forumscharakter hatten. Etliche katholische Laien verschlug es 1989 in die Politik, allen voran der spätere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und der spätere sächsische Wissenschaftsminister und Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer (CDU).
Thierse forderte in einem aktuellen Interview mit dem Kölner Domradio, die Erinnerung an die Öffnung der Mauer solle als Teil deutscher Geschichte für künftige Generationen wachgehalten werden. "Eine Nation, eine soziale Gemeinschaft muss vernünftiger Weise auch eine Erinnerungsgemeinschaft sein", so der Politiker.
Es sei "Dramatik der Geschichte" und völlig unvorhersehbar gewesen, dass die Öffnung nicht Schritt für Schritt über mehrere Jahre erfolgt sei, sondern schlagartig. Als Ursachen sehe er jedoch vor allem den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, die außenpolitische Unsicherheit hinsichtlich der Geduld von Russlands Präsidenten Michail Gorbatschow sowie auch die "Ungeduld der Ostdeutschen".
Bischöfe bei Wende zu zaghaft
Vorsichtiger als die Laien hatten hingegen die katholischen Bischöfe kurz vor der Wende öffentliche Opposition zum Staat gewagt. In den Jahren zuvor waren hier am ehesten Joachim Meisner und Joachim Wanke mutig aufgetreten, die beide maßgeblich hinter dem Dresdener Katholikentreffen 1987 mit 100.000 Teilnehmern, der Einrichtung einer Pressestelle der Bischofskonferenz 1988 oder der Teilnahme an der ökumenischen Versammlung 1988/89 gestanden hatten.
Just im Wende-Jahr verlor jedoch die katholische Kirche der DDR mit der Bestellung Meisners zum Kölner Erzbischof ihre Hauptfigur. Sein Nachfolger als Vorsitzender der Berliner Bischofskonferenz, Georg Sterzinsky, bereute später seine "zu große Zaghaftigkeit" in den entscheidenden Momenten im Jahr 1989. Die katholischen Bischöfe hätten den richtigen Zeitpunkt verpasst, sich klar auf die Seite der Opposition zu stellen, etwa nach den gefälschten Kommunalwahlen im Mai. Er selbst habe sich in den ersten Wochen nach seiner Amtsübernahme noch unsicher gefühlt und nicht gleich die traditionelle Distanz zur Politik aufgeben wollen.
Im Kurs der Protestanten sah Sterzinsky auch nachträglich aber kein Vorbild. Deren Synodenbeschlüsse seien im Unterschied zu den vorausgegangenen Diskussionen zahm gewesen, es habe regelrechte Bekenntnisse zum Sozialismus gegeben, kritisierte er. Durch den Verzicht auf eine solche Öffnung habe die katholische Kirche ihre Mitglieder vor Kollaboration und Kooperation bewahrt. "Wir sind manche Wege, die Irrwege waren, nicht mitgegangen, aber wir haben auch manches nicht getan, wo wir an dem System hätten rütteln müssen", so lautete Sterzinskys Resümee.
Ökumenische Jubiläumsfeiern
Die Feiern 25 Jahre nach dem "Mauerfall" finden durchaus auch mit religiösen Akzenten statt. So werden etwa die Ministerpräsidenten und Bischöfe aus Hessen und Thüringen - darunter die katholischen Bischöfe Reinhard Hauke und Heinz Josef Algermissen - am Jubiläumstag gemeinsam in der evangelischen Johanneskirche des früher geteilten thüringischen Städtchens Vacha einen ökumenischen Gottesdienst zum Jubiläum feiern. Im Anschluss überschreiten die Teilnehmer symbolisch gemeinsam die "Brücke der Einheit" über den einstigen Grenzfluss Werra ins westdeutsche Hessen.
Quelle: Kathpress