"Mensch ist nicht bloß Mittel zum Zweck"
Die Spitzen der Österreichischen Bischofskonferenz äußern massive Kritik am geplanten Fortpflanzungsmedizingesetz und der kurzen, nur zweiwöchigen Begutachtungsfrist für die Novelle. Kardinal Christoph Schönborn forderte in einem Interview für die Sonntag-Ausgabe der "Kronen Zeitung" vom Gesetzgeber einen stärkeren Blick auf das Wohl von Familien und Kindern. Eine "gründliche Diskussion" über den Gesetzesentwurf sei nötig, da es "per Saldo doch darum geht, was letztlich natürlich ist". Der Grazer Bischof Egon Kapellari warnt davor, den Mensch nur als Material zu sehen und sieht die Gesellschaft in der Debatte um die Fortpflanzungsmedizin an einer "Wegkreuzung". Der Mensch sei "nicht bloß Mittel zum Zweck", betonte er in einem Gespräch mit der "Kleinen Zeitung".
Kein Kind bekommen zu können, sei "sicher etwas vom Schmerzlichsten"; der "verständliche" Kinderwunsch könne jedoch Schritt für Schritt zu einem "Recht auf ein Kind für jeden" werden, bei dem nicht mehr vom Recht des Kindes gesprochen werde, erneuerte Kardinal Schönborn im "Krone"-Gespräch seine bereits am Freitag geäußerte Kritik an der geplanten Regelung.
"Man muss vor allem die Familie und das Wohl der Kinder wieder in den Mittelpunkt stellen", hob der Kardinal hervor. Die Politik solle sich vor allem darauf konzentrieren, dass "junge Menschen es sich auch leisten können, eine Familie zu gründen". Ebenso wünscht sich Schönborn auch international eine deutlich verstärkte Auseinandersetzung mit der Frage "nach dem Wohl der Kinder". Notwendig sei eine Prioritätensetzung, bei der "vom Gesetzgeber das Kindeswohl an erster Stelle liegen" müsse.
Kapellari: "Preis der Freiheit"
Bischof Kapellari warnt im "Kleine Zeitung"-Interview davor, dass im derzeitigen "Zeitalter der Grenzöffnungen, des Gleichheits- und Freiheitsrausches" nicht mehr nach dem "Preis der Freiheit" gefragt werde. "Das Glücksbedürfnis einzelner (...) ist respektabel, kann aber nicht dazu führen, dass es der Gesamtgesellschaft eine moralische Last auferlegt, die ein Übel ist", betonte Kapellari. Es gelte vielmehr mit dem Leben achtsam umzugehen, und zwar "nicht nur im Interesse dieses anderen Lebens, auch des eigenen", so der Bischof: "Es gibt eine Umweg-Unrentabilität, an der wird nicht der Egoist zugrunde gehen, der in seinen 70ern lebt, aber seinesgleichen wird dann in der nächsten Generation so nicht mehr leben können."
Horizont der Debatte um den Gesetzesentwurf sei die "Totalität des Menschen", die Frage danach, wer und was der Mensch ist. Kapellari: "Ich wünsche mir möglichst viele Leute, die sagen, der Mensch ist nicht bloß Mittel zum Zweck, auch nicht zum Zweck der Glücklichmachung von einzelnen Menschen, zum Beispiel von solchen, die ein Kind haben wollen, sondern: Der Mensch ist Selbstzweck."
Die Regierung "galoppiere" bei der nun vorliegenden Gesetzesnovelle mit unverständlich kurzer Frist, kritisierte Kapellari: "Speed kills. Wir appellieren dringend, eine Entschleunigung zuzulassen, weil das, worüber abgestimmt werden soll, irreversibel sein wird." Der Bischof verweist dazu auch auf künftige Auswirkungen der neuen Regelungen, etwa bei Thema "Leihmutterschaft". Der "Sog der Rechtslogik" lasse sich nicht so einfach stoppen, so Kapellari: "Schon der jetzige Entwurf birgt diese Ungereimtheiten. Warum soll man im Sinne der Gleichberechtigungslogik nicht auch die Leihmutterschaft einführen? Zu fragen ist: Wohin geht die Gesellschaft, wenn sie so geht?"
Kinder gebe es nur mit dem Prinzip Mann und dem Prinzip Frau, begründete der Grazer Bischof im Weiteren, warum die Kirche an ihrem Idealbild von Familie festhalte. "Das hat mit Religion nichts zu tun. Die Frage ist: Kann der Mensch, der so viel kann, die Natur umgehen? Wir beharren, ohne Scham, aber auch ohne Schaum vor dem Mund, mit Lebensfreundlichkeit auf dem Nein." Nicht jede Unterscheidung sei eine Zurücksetzung, und "nicht alles Ungleiche kann gleichbehandelt werden, ohne dass es Folgeschäden anrichtet", so Kapellari: "Familie ist für uns weiterhin das Sternbild Mann, Frau und Kind. Und nicht Mann, Mann oder Frau, Frau."