
Hospiz-Versorgung gleicht löchrigem "Fleckerlteppich"
Das bestehende Angebot bei der Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich gleicht einem "Fleckerlteppich mit zahlreichen Löchern": Darauf hat der Vizepräsident des Dachverbandes Hospiz Österreich, Karl Bitschnau, am Dienstag bei der zweiten Sitzung der Parlamentarischen Enquete-Kommission zu "Würde am Ende des Lebens" hin. Er forderte einen Stufenplan, der bis 2020 zum Ziel einer Versorgung für alle, die es brauchen, führen solle. Hospiz solle "erreichbar, leistbar und zugänglich" für alle Österreicher unabhängig von Alter und Wohnort sein, erinnerte Bitschnau an ein auch dem Regierungsprogramm zu entnehmendes Bekenntnis.
Der Leiter von Hospiz Vorarlberg gab in seinem Statement im Parlament einen kurzen Überblick über das bestehende und das noch fehlende Angebot. Als Hindernis in vielen Einsatzbereichen nannte Bitschnau die unsichere Finanzierung: Die Dienstleistungen seien zu einem erheblichen Teil von den Spenden der Bevölkerung abhängig.
Relativ gut sei die Versorgung durch die ehrenamtlichen Hospizteams, in ganz Vorarlberg sind laut Bitschnau - spendenfinanziert - 156 Teams im Einsatz (Stand Ende 2013). Bei den Palliativstationen gab es zu diesem Zeitpunkt 36 Einrichtungen mit 307 Betten, weitere 129 Betten fehlten allerdings. Mangel ortete Bitschnau auch bei anderen Bereichen: 44 Mobile Palliativteams waren Ende 2013 im Einsatz, gebraucht würden 18 weitere. Noch größeren Bedarf gebe es bei Stationären Hospizen: 87 Hospizbetten stünden zur Verfügung - nur in Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark, nötig seien österreichweit weitere 192.
Nachholbedarf sieht der Hospiz-Dachverband auch bei den Palliativ-Konsiliardiensten - hier fehlten 81 Teams - und bei den Tageshospizen, die bisher erst in vier Bundesländern umgesetzt wurden.
Neben diesen spezialisierten Einrichtungen sei Hospiz und Palliative Care auch in der Regelversorgung angekommen - allerdings in bisher unzureichendem Ausmaß: Bitschnau verwies auf etwa zehn Prozent der österreichischen Pflegeheime, in denen bereits ein Projekt zu Hospizkultur und Palliative Care umgesetzt wurde bzw. wo sich das Personal einschlägig weitergebildet hat.
Noch am Anfang der Entwicklung stehe die Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Dachverband Hospiz geht davon aus, dass rund 1.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene jährlich zu versorgen sind. "Das Konzept ist bereits akkordiert, allein auch hier fehlt die Finanzierung", so Bitschnau.
Stufenplan gegen Bedarfslücken
Um die Bedarfslücken zu füllen, schlug er vor, dass zunächst alle Bundesländer in den nächsten Monaten Stufenpläne für die erforderliche Hospiz- und Palliativversorgung bis zum Jahr 2020 erstellen und dabei mit den Hospiz-Landesverbänden kooperieren. Noch vor dem Sommer 2015 sollen die Bundesländer-Pläne dem Parlament zur Kenntnisnahme und Diskussion vorliegen, danach berichten die Länder dem Parlament einmal jährlich über den jeweils aktuellen Stand. "Bis zum Jahr 2020 - so unsere Hoffnung - sind die Versorgungsziele überprüfbar erreicht", so Bitschnau. Voraussetzung dafür sei freilich, dass der Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund und Ländern, Sozial- und Gesundheitsministerium geklärt werden, "damit die Sackgasse des Hin- und Her-verwiesen-Werdens ein Ende hat". Und: Die Finanzierung der einzelnen Bausteine und entsprechende Sozialversicherungsleistungen müssten rasch und verbindlich geklärt werden.
Bei der zweiten Sitzung der Enquete-Kommission "Würde am Ende des Lebens" kamen weiters der Wiener Palliativmediziner Herbert Watzke, der ärztliche Leiter des CS Hospiz Rennweg, Karlheinz Wiesinger, der Direktor des kirchlichen Bildungszentrums Salzburg-St. Virgil, Peter Braun sowie weitere Fachleute aus Politik und Gesundheitswesen zu Wort.
Caritas fordert Rechtsanspruch
Die Verankerung eines Rechtsanspruches auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen brachte Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter als Forderung vor der Parlamentarischen Enquete-Kommission ein. Erforderlich sei auch eine österreichweite Klärung der Zuständigkeiten für die Umsetzung und die Finanzierung der Einrichtungen. Derzeit seien mobile Palliativ- und Hospizteams, Tageshospize oder stationäre Hospize bzw. Hospizbetten in jedem Bundesland anders aufgestellt. "Es gibt neun verschiedene Modelle, neun verschiedene Finanzierungsmuster und somit neun verschiedene Unsicherheiten", erläuterte Wachter den "unbefriedigenden Status quo".
In einer Aussendung am Dienstag wies die Caritas weiters darauf hin, dass beim Mobilen Palliativteam immer wieder Betreuungen aufgeschoben werden müssen: "Dieser Zustand ist für alle Beteiligten untragbar", so der dafür verantwortliche Caritas-Mitarbeiter Erich Borovnyak. "Auch andere mobile Palliativteams in Österreich sind überlastet."
Internationale Studien belegten, dass ein gutes Angebot an Hospiz- und Palliativvorsorgung entscheidend dazu beiträgt, nicht notwendige Spitalsaufenthalte oder auch Notarzt- und Rettungseinsätze zu vermeiden. Wenn es zu weniger Behandlungen auf Intensivstationen komme und Spitalseinweisungen zurückgingen, sei dies eine "Win-win-Situation" im Blick auf den wirtschaftlichen Nutzen und die Menschlichkeit. Dafür müssten Bund, Länder, Gemeinden und Krankenkassen freilich "an einem Strang ziehen", betonte Wachter.
Verankerung im ASVG
Die Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS) unterstützt mit Palliative Care schon seit zehn Jahren schwerkranke Menschen mit bestmöglicher Schmerztherapie und Pflege, spiritueller und psychosozialer Betreuung. Darauf verwies Karlheinz Wiesinger, ärztlicher Leiter des CS Hospiz Rennnweg, vor der Enquete-Kommission. Er sprach sich für eine Verankerung der Betreuungsleistungen am Lebensende im ASVG aus, um solche Dienste allen Menschen in Österreich zugänglich zu machen.
Die Erfahrungen des CS Hospizes Rennnweg zeigten auch, dass Schmerzlinderung den Wunsch nach Tötung auf Verlangen schwinden lasse: Der Wunsch eines unheilbar Kranken, nicht mehr leben zu wollen, meine oft, "so" nicht mehr leben zu wollen.
Christoph Giesinger, Ärztlicher Leiter im Haus der Barmherzigkeit, wies auf den "entwürdigenden" Umstand hin, dass Schwerkranke am Ende ihres Lebens einem "Gezerre" um Betreuungsleistungen ausgesetzt seien. Die Leidtragenden müssten derzeit zunächst Armut nachweisen, um Hilfe von der Solidargemeinschaft in Anspruch nehmen zu können, wies der Mediziner auf den Eigenregress bei Pflegebedürftigkeit hin. Das bestehende System der Zuständigkeit von Gesundheits- bzw. Sozialstrukturen einerseits, von verschiedenen Gebietskörperschaften in Bund und Ländern andererseits "stimmt nicht mehr" und bedürfe dringend einer Reform durch die Politik, monierte Giesinger.