
Islam fehlt Hinterfragung durch Aufklärung
Auf einen "wichtigen Unterschied" zwischen Christentum und Islam hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner aufmerksam gemacht: Das Christentum sei "durch die Aufklärung gegangen, der Islam hingegen nicht". Das könne sich als ein Problem erweisen, sagte Lackner in einem "Standard"-Interview am Mittwoch. Als irritierend bezeichnete er, "dass immer behauptet wird, Islamismus habe nichts mit dem Islam zu tun. Hier gibt es aber keine klare Trennlinie." Lackner sprach sich dafür aus, dass sich eine Religionsgemeinschaft ihrer Geschichte stellt. Auch Christen hätten eine "Herkunftsgeschichte mit Schattenseiten", diese sei "vergleichbar mit einem großen Fluss, mit Nebenflüssen und stehenden Gewässern, in denen das Wasser nicht mehr so rein ist".
Auch sollten Religionen nicht mit ihrer Botschaft in die Welt gehen, ohne zu bedenken, wie diese auf andere wirkt. "Aber ich bin nicht der Oberlehrer der Muslime", merkte der Erzbischof an.
Warum gerade im Islam die Gewaltbereitschaft in Zusammenhang mit Blasphemie sehr hoch sei, beantwortete Lackner mit einer Warnung vor jeder Generalisierung: "Ich habe gehört, dass das Glaubenswissen dieser Terroristen sehr oberflächlich war, sie waren nicht tief im Glauben verwurzelt. Der Auslöser für solche schreckliche Taten ist oft eine Perspektivlosigkeit wie Arbeitslosigkeit."
Vor einer Religion als einem soziokulturellen Gebäude müsse Satire nicht haltmachen. Klare Grenzen sieht Lackner dort, wo jemand persönlich beleidigt wird, das gehe "eindeutig zu weit". Man könne Christen und Muslime satirisch darstellen, "aber bitte ohne persönliche Angriffe - nicht den Propheten Mohammed, nicht Jesus", und - wie der Erzbischof unter Bezugnahme auf Papst Franziskus ergänzte - "auch nicht die Mutter".
Weniger Kirchenmitglieder sind "ein Faktum"
"Schockiert" habe Lackner auf die jüngst veröffentlichten Austrittszahlen für die Erzdiözese Salzburg reagiert, wo 2014 insgesamt 4.738 Personen - um 3,2 Prozent mehr als 2013 - der Kirche den Rücken kehrten. Die katholische Kirche werde kleiner, das sei "ein Faktum" und für ihn kein Anlass zur Furcht. Lackner äußerte den Eindruck, dass es für Menschen in der heutigen Zeit relativ einfach sei, ohne Verankerung in einem Glauben institutioneller Natur zu leben.
Die Kirchenfinanzierung sei trotz der sinkenden Mitgliederzahl "derzeit noch stabil". Laut den kirchlichen Finanzexperten werde sich das jedoch ändern; Lackner rechnet mit einem "relativ abrupten" Abfall der Einnahmekurve in absehbarer Zeit. Angesichts von 800 Mitarbeitern wolle die Kirchenleitung schon jetzt gegensteuern, "um niemanden auf die Straße setzen zu müssen". Es werde nach Synergieeffekten Ausschau gehalten, auch eine Personalreduktion werde zu erwägen sein. "Die Seelsorge muss gesichert sein", betonte Lackner. "Aber wir müssen den Mut haben, zu sagen: Manches können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten."
Bei der Verantwortung für die Glaubensweitergabe setzt Lackner auf das Subsidiaritätsprinzip - es solle z.B. in den Pfarren das getan werden, was dort machbar sei und nicht möglichst viel der nächsthöheren Instanz, zum Beispiel den Bischöfen, weitergegeben werden. "Leben wir den Glauben an der Basis", so der Appell des Erzbischofs. "Übernehmen wir die Verantwortung für unsere Schwachen und Kranken."