Heftige Debatte im Parlament
Eine heftige, zweieinhalbstündige Parlamentsdebatte war am Mittwoch dem Beschluss des umstrittenen Fortpflanzungsmedizingesetzes vorausgegangen, wobei wesentliche von der Kirche vorgebrachte Kritikpunkte durchaus in die Redebeiträge der Gegner des Gesetzes einflossen und teils auch von dessen Befürwortern aufgegriffen wurden. Angenommen wurde das Gesetz mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ, ÖVP und Grünen, wobei mehrere ÖVP-Mandatare dagegen stimmten. Die FPÖ und das Team Stronach lehnten das Gesetz einhellig ab.
Von einem "schwarzen Tag" sprach FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Das Gesetz sei "in vielen Punkten sehr mangelhaft" und lasse viele Details ungeklärt, darunter die Auskunftspflicht des Arztes nach Eizellenspende und IVF, den Umgang mit überzähligen Embryonen oder die Definition der bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) untersuchbaren Krankheiten. "Ich vermisse den Aufschrei von Frauenrechtlerinnen", so die Obfrau des Gesundheitsausschusses, die auch in der Letztfassung der Novelle den Schutz vor Missbrauch etwa durch Ausbeutung von Frauen bei der Eizellenspende vermisste und entsprechende Nachschärfungen einforderte. Als "Novum" bezeichnete Belakowitsch-Jenewein 700.000 Protest-Emails durch die Kirchenplattform www.kinderbekommen.at allein in den fünf Tagen vor der Abstimmung.
FP-Gesundheitssprecher Herbert Kickl sah "die Schöpfung auf den Kopf gestellt": Das Gesetz spreche dem ein Recht auf ein Kind zu, "der aus Freiheit einen Lebensentwurf wählt, der Kinder von Natur aus ausschließt". Ein Recht auf Besitz eines Kindes sei jedoch nirgendwoher ableitbar, außer durch das Verfassungsgerichtshof-Urteil, das "Ungleiches gleich behandle".
Das von Befürwortern der Novelle vorgebrachte Argument einer Beseitigung von Diskriminierung sei "Doppelmoral und Heuchelei", kritisierte TS-Gesundheitssprecher Marcus Franz, zumal die Tötung menschlichen Lebens bei der PID "die schwerste Diskriminierung, die es weltweit gibt" und das Streben nach dem "Wegmachen" von Behinderung ein "verabscheuungswürdiges Signal" sei. Gefördert würde eine "Kraut- und Rüben-Elternschaft" durch Durchmischung von Genetik und Sozialem und eine Vernachlässigung des Kindeswohls zugunsten der Wünschen Erwachsener. Das neue Gesetz setze sich aber auch über ungelöste Fragen hinweg: In der jüngsten wissenschaftlichen Literatur würden sich Zweifel an der künstlichen Befruchtung mehren, da auf diese Weise gezeugte Menschen später etwa öfter an Depression oder Identitätsproblemen litten, so der promovierte Mediziner.
Harte Diskussionen innerhalb der ÖVP
ÖVP-Justizssprecherin Michaela Steinacker ließ durch die Bemerkung aufhorchen, sie würde "als Frau, Mutter und Katholikin mit voller Überzeugung für das Gesetz stimmen". Parteiintern habe es im Vorfeld bis zuletzt lange und harte Diskussionen gegeben, zudem berichtete Steinacker von "vielen Mails von engagierten Bürgern" und dankte den Experten im Gesundheitsausschuss für ihre Einwände. Zur Letztfassung der Novelle stehe sie jedoch, da diese "vielen Menschen Hoffnung und Rechtssicherheit" gebe. Sicherzustellen sei, dass IVF keine "Lifestyle-Methode" und die Wirkung des Gesetzes evaluiert werde, zudem müsse Leihmutterschaft sowie Social-egg-Freezing auch künftig verboten bleiben.
ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter betonte, das Gesetz solle den Wertungswiderspruch auflösen, dass PID verboten, Abtreibung nach Verdacht auf Behinderung bei der Pränataldiagnostik jedoch erlaubt sei. Die heftige Kritik seitens der katholischen Kirche führte er darauf zurück, dass "Wunden aus der Abtreibungsdiskussion vor 40 Jahren wieder aufbrechen". Auch mit Kirchenvertretern habe er im Vorfeld intensiv diskutiert, "auch als Katholik". Zentral sei für ihn jedoch die Rechtssicherheit und das Vorschlagen von Gesetzen, die "auf Basis eines größtmöglichen Gesellschaftskonsens" beruhten. Das Gesetz diene "der Erfüllung von Kinderwunsch" und helfe Betroffenen, "damit es Kinder gibt", was "im Kindeswohl" sei.
Grüne einstimmig dafür
Differenziert und "wenig euphorisch" äußerte sich Grünen-Gesundheitssprecherin Eva Mückstein: Kinderwunsch sei zur "lukrativen Ware" geworden, weshalb die ethische Auseinandersetzung mit ihr nicht aus der Reproduktionsmedizin selbst zu erwarten sei. Regelungen diesbezüglich müssten sich daher statt am Kinderwunsch oder an Geschäftsinteressen vorrangig an der Lebensqualität der Familien orientieren. "Die Fortpflanzungsmedizin hat auch hohe Risiken mit sich gebracht, die sehr ungenügend dokumentiert und beforscht sind", betonte Mückstein. Sie verwies dabei auf häufigere Mehrlingsschwangerschaften, Früh- und Fehlgeburten sowie Fehlbildungen. Zudem seien 20 Prozent der IVF-Kinder von Entwicklungsbeeinträchtigungen oder Fehlbildungen betroffen. Mehr Forschung sei nötig wie etwa "die Evaluierung der Schwangerschafts- und Geburtenverläufe, eine qualitative 'Baby-take-home'-Rate, oder die Frage danach, wie es den Kindern geht". Dem Gesetz stimme sie dennoch zu, da es ein "guter" erster Schritt im Hinblick auf gleichgeschlechtliche Paare sei.
Die Grünen hatten dem Gesetz einstimmig zugestimmt, wobei die wegen Krankheit abwesende Mandatarin Helene Jarmer dagegen votiert hätte, wie Familiensprecherin Daniela Musiol erklärte. Mit ihrem Protest habe die Behindertensprecherin besonders auf die Situation von Eltern mit behinderten Kindern und die notwendige Unterstützung hinwiesen wollen. Angenommen wurde eine Forderung der Grünen nach einem zentralen IVF-Register, bei dem auf diese Weise gezeugte Kinder über ihre leiblichen Eltern Auskunft erhalten sollen.
Huainigg für Abschaffung der Spätabtreibung
Schärfster Kritiker innerhalb der ÖVP war schon im Vorfeld Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg gewesen, der die Selektion nach "wertem und unwertem Leben" im Rahmen der PID problematisierte. Er forderte die Abschaffung der Möglichkeit der Spätabtreibung, die "wirklich unerträglich" und "ein Verbrechen" sei. Huainigg verwies dabei auf Deutschland, wo im Zuge der PID-Einführung die eugenische Indikation gestrichen und eine Bedenkfrist zwischen Diagnose und Abtreibung eingeführt wurde. Die "unantastbare Menschenwürde", die auch "für nicht perfekte Menschen" gelte, sei für ihn "Gradmesser der Politik", so Huainigg.
Einige Nachschärfungen
Angenommen wurden im Zuge der Beschlussfassung auch Änderungsanträge, die das Gesetz in einigen Punkten genauer ausführt bzw. nach Darstellung der ÖVP nachschärft. So wurde etwa die PID-Zulassung außer an die wiederholten IVF-Fehlversuche auch daran gekoppelt, dass "Grund zur Annahme besteht, dass dies auf die genetische Disposition der entwicklungsfähigen Zellen und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist". Untersucht werden dürfe dabei, was zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt oder einer lebensbedrohlichen Erbkrankheit erforderlich ist, wurde klargestellt.
Neu in den Gesetzestext kam weiters ein Werbe- und Vermittlungsverbot bei der Eizellenspende, mit dem die Kommerzialisierung unterbunden werden solle, sowie mit 50.000 Euro ein nun höherer Strafrahmen bei Nichteinhaltung der Gesetzestexte. Der Dienstentgang wurde bei der Aufwandsentschädigung für die Spenderinnen gestrichen. Nachgekommen werden soll der Forderung nach der "Möglichkeit unabhängiger Beratung" für Spenderinnen und künftige Eltern.
Die von einigen Abgeordneten angekündigte Evaluierung des Gesetzes soll durch jährlich veröffentlichte Berichte über die Entwicklung der medizinisch unterstützten Fortpflanzung in Österreich geschehen, wobei die Statistiken auch über die Methoden, die Anzahl der befruchteten und aufbewahrten Eizellen oder die Art der Geburt Auskunft geben sollen.