
Wirbel um Prügel-Sager des Papstes
Das saß: Papst Franziskus erörterte die Rolle des Vaters in der christlichen Familie und schnitt dabei das Thema Züchtigung an. Seitdem fallen die Prügel, von denen er gesprochen hatte, auf ihn selbst zurück.
Für die Deutsche Kinderhilfe macht sich der Papst "mitschuldig", wenn Kindern Schmerzen zugefügt werden. Auch in Österreich orten Meinungsmacher eine Verharmlosung von Gewalt gegen Kinder. Das deutsche Familienministerium erinnert gar an das Strafgesetzbuch. Was ist passiert?
Franziskus hatte in seiner Generalaudienz am Mittwoch eine geistliche Ansprache über das Vaterbild gehalten. Ein Vater müsse in der Familie präsent sein, der Ehefrau zur Seite stehen und für ihre Kinder, gleich welche Fehler sie auch machen, mit Geduld, Zärtlichkeit, Großmut und Barmherzigkeit da sein.
Dass es nicht immer ohne Reibereien abgeht, weiß aber auch der Papst. Er erzählt dazu aus seiner pastoralen Praxis: "Einmal hörte ich in einem Treffen von Eheleuten einen Vater sagen: 'Manchmal muss ich die Kinder ein bisschen schlagen - aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen.' Wie schön: Er hat einen Sinn für Würde."
Der Vatikan-Korrespondent der italienischen Zeitung "La Repubblica", Marco Ansaldo, berichtet, der Papst habe bei diesen Worten gelächelt und mit der Hand eine Tracht Prügel angedeutet. Franziskus, schrieb Ansaldo, habe keine Scheu vor Erziehungsmethoden, die "schnell zur Sache kommen". Die "Repubblica" titelte: "Der Papst erlaubt jetzt auch das Versohlen."
Erst vor zwei Wochen sorgte Franziskus, der sich nach dem Friedensapostel aus Assisi benannte, für Aufsehen: Mit Blick auf Grenzen der Meinungsfreiheit sagte er sinngemäß, er würde seinem Reisemarschall Alberto Gasbarri "eins vor den Latz" geben, falls es ihm einfallen sollte, seine Mutter zu beleidigen. Die Äußerung war ein Echo auf das Attentat gegen "Charlie Hebdo"; Medien fragten anschließend nach dem päpstlichen Verständnis von Grundrechten und Gewaltanwendung.
An sich ist elterliches Prügeln mit dem Segen der Kirche nicht zu machen: Die UN-Kinderrechtskonvention, die das Recht auf gewaltfreie Erziehung beinhaltet, wurde auch vom Heiligen Stuhl unterzeichnet und noch vor Deutschland ratifiziert. Der Erwachsenenkatechismus der Deutschen Bischofskonferenz von 1995 rät Eltern, sich Achtung zu erwerben, indem sie sich als "die ersten Partner ihrer Kinder" zeigen.
Auch der "Katechismus der Katholischen Kirche" spricht unter dem Punkt "Pflichten der Eltern" davon, sie hätten ein Zuhause zu schaffen, "wo Zärtlichkeit, Vergebung, gegenseitige Achtung, Treue und selbstlose Dienstbereitschaft herrschen". Kommentarlos zitiert wird aber auch ein Satz aus dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach (30,1), der viele das Fürchten gelehrt hat: "Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit."
Fest steht: Die Glieder der Kirche sind Kinder ihrer Zeit. Als der deutsch-französische Surrealist Max Ernst 1926 sein Bild "Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen" in Paris ausstellte, war die Empörung des Klerus groß - laut Ernst aber weniger wegen der Hiebe auf den nackten Allerwertesten Jesu, sondern weil dem göttlichen Knaben der Heiligenschein heruntergerollt war.
Franziskus als Prügel-Papst? Das passt jedenfalls nicht zu seinem übrigen Profil. Wiederholt prangerte er Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen als Skandal an, etwa beim Weltjugendtag 2013 in Rio im Blick auf Drogenkriminalität. Auch an Heiligabend beklagte er in einem Telefonat mit Flüchtlingen im Nordirak ausdrücklich die "unzähligen missbrauchten Kinder".
Als bei seinem Manila-Besuch eine Zwölfjährige ihm von ihrem früheren Leben zwischen Drogen und Prostitution berichtete und unter Tränen fragte: "Warum lässt Gott das zu?", nahm er sie wortlos in den Arm. Dieses Mädchen sei "die einzige, die diese Frage gestellt hat, die man nicht beantworten kann: Warum leiden Kinder?", sagte Franziskus später. Zärtlichkeit, "carezza": Das ist ein Leitwort von Franziskus. Dutzendfach benutzt er es in Predigten und Ansprachen. Nun gehört offenbar auch das Wort "picchiare" (schlagen) in das päpstliche Vokabular.