
"Ordensleben ist immer experimentelles Leben"
"Ordensleben ist immer experimentelles Leben und mit Risiken verbunden." Das betonte P. Alois Riedlsperger SJ, Experte für Ordensentwicklung, am Wochenende zum Abschluss des internationalen Symposions "Wind of Change" im Stift Klosterneuburg. Die Ordensleute müssen sich mit einer positiven Gestimmtheit den Veränderungen stellen, so der Jesuit. Er definierte drei "Freuden": Die Freude an der Berufung, die Freude am Reichtum der Traditionen und die Freude an der Vielfalt. Diese Freuden blieben trotz der schwierigen Zeiten unverändert.
Riedlsperger, der im Wiener Kardinal-König-Haus für den Bereich Ordensentwicklung verantwortlich zeichnet, kam auch auf zahlreiche Probleme zu sprechen. Die Situation, dass viele Gemeinschaften überaltert sind, stelle sicher eine enorme Herausforderung dar. Es gelte die Frage zu beantworten, wie man Berufung bis ins hohe Alter leben kann.
Genauso herausfordernd könne die Last der Institution sein: Übergibt man ein Ordenswerk an einen Trägerverein oder löst man es auf? Im ersten Fall brauche es laut Riedlsperger aber auch geeignete Leitungspersönlichkeiten und Mitarbeiter, die oft nur schwer zu finden seien.
Die Zukunftsperspektiven müssten deshalb auch die Bereitschaft beinhalten, "der Vollendung entgegenzugehen", also einzelne Werke oder auch ganze Gemeinschaften aufzugeben. Orden könnten hinsichtlich der "Ars moriendi", ("Kunst des Sterbens") eine Vorreiterrolle spielen. Es gehe um eine Kunst, die nicht Verzweiflung oder Resignation in sich trägt, "sondern den Schritt nach vorne macht", betonte Riedlsperger.
Die einzelnen Ordensgemeinschaften seien angehalten, sich immer wieder neu an ihrem Ordensauftrag zu orientieren, der auch von Mitarbeitern mitgetragen werden kann. Und letztendlich müsse man auch Mut zu neuen Initiativen und Mut zum Experiment zeigen, "ob es zum Beispiel den Menschenhandel, ob es Flüchtlinge oder ob es den Kunstbereich betrifft".
Evangelische Orden
Die evangelische Ordensfrau Sr. Nicole Grochowina von der Kommunität Christusbruderschaft Selbitz gab in ihren Ausführungen einen Überblick über die Gründungssituation evangelischer Gemeinschaften nach dem Zweiten Weltkrieg. Angesichts der geistigen und politischen Barbarei des Nationalsozialismus wäre ein tiefes, existenzielles Verlangen nach einem Leben aus der Ewigkeit inmitten der Zeit geweckt worden, sagte Grochowina. Dieses Verlangen sei auch im Stuttgarter Schuldbekenntnis der evangelischen Kirche vom Oktober 1945 aufgenommen worden. Es genüge nicht, den Glauben zu erneuern und alte Werterscheinungen aufzurichten, sondern man müsse die Verbindlichkeit der christlichen Existenz Gestalt werden lassen in einer Gemeinschaft, die das ganze Leben umfasst, sagte Grochowina. Eine solche Gemeinschaft biete den Gegenpol zu barbarischen Formen der Vergemeinschaftung im Dritten Reich und sei deshalb zu einem erklärten Ziel der evangelischen Kirche geworden.
Hand in Hand ginge aber damit aber die Aufforderung, die Gemeinschaft nicht als Ort bzw. Weg der Weltflucht zu verstehen, sondern als klare Aufforderung, in der Welt zu leben und die Gratwanderung zwischen Weltflucht und Weltsucht anzunehmen.
Die Erfahrungen zeigten bisher klar, dass es eine stete Wachsamkeit brauche, um je neu den Auftrag Gottes zu erkennen und "Krankheiten" in Welt und Kirche zu begegnen. Dies könne durchaus in eine Richtung gehen, die bis dato für Zeitgenossen vollkommen undenkbar gewesen sei und vielleicht auch den Grundsätzen der Kirche entgegensteht, so Grochowina.
Abt Heim: Heute monastisch leben
Abt Maximilian Heim von Stift Heiligenkreuz erläuterte in seinem Vortrag, dass die Einheitlichkeit des Zisterzienserlebens heute abhanden gekommen sei. Besonders deutlich sei dies in der Liturgie, die durch die Einführung der Muttersprache in den Klöstern nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die zisterziensische Form des Gregorianischen Chorals immer mehr zurückgedrängt hätte. Ähnlich sei es auch mit den Gebräuchen der Orden, die sich durch die Autonomie der jeweiligen Klöster unterschiedlich entwickelt hätten.
Heiligenkreuz habe unter der Führungspersönlichkeit von Abt Karl Braunstorfer (1895-1978) definiert, dass es keine größere Aufgabe als das monastische Offizium (Tagzeitengebete der Mönche) und die Seelsorge gebe. Deshalb stehe die Pfarrseelsorge für das Stift Heiligenkreuz genauso im Mittelpunkt wie die Neugründung von Klöstern etwa in Marienkron oder in Sri Lanka. Einer der Schwerpunkte von Heiligenkreuz stelle auch die Priesterausbildung dar; gerade werde der Universitätscampus für die rund 200 Studierenden ausgebaut.
Ein Kloster sei keine Wehrburg, die sich abkapseln will. Ein Kloster sei vielmehr "eine geistliche und geistige Oase, die mitten in der christlichen Glaubenswüste unserer Zeit versucht, bis an die Peripherie zu gehen und Türen zu öffnen für Suchende, aber auch für die, die mitten in der Seelsorge stehen", so Heim.
Es brauche neue Zugänge, damit auch junge Menschen den Weg ins Kloster finden können. Heiligenkreuz beschreite dabei unterschiedliche Wege; etwa im Internet auf Facebook oder auf Youtube. Dazu betreibe man effiziente Medienarbeit: Eine gut gepflegte Homepage sei die erste Pforte, die Jugendliche überschreiten. Auch der Aufbau eines Medienzentrums gehöre dazu, führte der Abt aus.
Trotz Veränderungen in Gesellschaft und Kirche zeige sich in Heiligenkreuz eine "erstaunliche Stabilität", die sich einerseits um das monastische Erbe bemühe und andererseits bereit sei, neue Wege zu gehen. Abt Heim: "Tradition und Innovation leben hier in fruchtbarer Spannung."
Von 12. bis 14. März diskutierten Ordensleute und Experten aus dem In- und Ausland im Stift Klosterneuburg über Zukunftsszenarien für die Orden. Das Symposion fand im Rahmen des "Jahres der Orden 2015" statt. Veranstalter waren die Ordensgemeinschaften Österreich, das Stift Klosterneuburg sowie die Katholische Universität Vallendar. Die Ergebnisse der Tagung werden in einem eigenen Dokumentationsband publiziert.