
Neuer Film über Brand und Wiederaufbau
12. April 1945: Als Wien nach schweren Kämpfen den Krieg fast überstanden hat, nimmt im Herzen der Stadt eine Katastrophe ihren Lauf, die zum Symbol für sinnlose Zerstörung und den materiellen und geistigen Wiederaufbau der Zweiten Republik werden sollte. Der Stephansdom steht in Flammen und die Ohnmacht nach verzweifelten Versuchen, den Brand der bis dahin größten Holzdachstuhlkonstruktion Mitteleuropas doch noch zu löschen, markiert die "Stunde Null" Österreichs nach den Grauen der Nazi-Zeit. Diese Ereignisse und die fast wundersame Wiedererrichtung der bedeutendsten Kirche des Landes stehen im Zentrum einer neuen Fernsehdokumentation, die der ORF am Dienstagabend erstmals in Wien präsentiert hat.
Die unter der Regie von Robert Neumüller entstandene Dokumentation entwirft in 60 Minuten ausgehend vom Epizentrum der Brandkatastrophe ein vielschichtiges Gemälde der seit 878 Jahren bestehenden Kirche. Erstmals zum Einsatz gekommen sind dabei Kameradrohnen, die bisher nicht gekannte Blicke auf den Dom bieten. Computergenerierte Animationen versetzen den Zuschauer zurück in die dramatischen Stunden, in denen sich der Brand durch das Dach frisst, sich in einem Funkenregen schließlich in das Innere der Domkirche ergießt und so lange wütet, bis die tonnenschwere "Pummerin" aus dem brennende Glockenstuhl bricht und im Dom zerschmettert. Belegt werden die dramatischen Stunden der Brandkatastrophe und die enormen Anstrengungen beim Wiederaufbau durch Beiträge von zahlreichen Zeitzeugen.
Zu Wort kommen u.a der bereits verstorbene Wehrmachtsoffizier Gerhard Klinkicht, der beim schon verlorenen Kampf um Wien den Befehl verweigerte, "den Stephansdom mit 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen", und damit zum "Retter des Stephansdomes" wurde. Ex-Wissenschaftsminister Hans Tuppy berichtet über die erfolglosen Versuche, den Brand zu löschen und der ehemalige ORF-Generalintendant Gerhard Weis beschreibt seine Erlebnisse als Sechsjähriger bei den Aufräumarbeiten nach dem Dombrand. Die damalige Kunststudentin Margarethe Mader erzählt, wie sie die Zerstörung des Domes von der Spitze des Südturms aus grafisch festhielt und die frühere Archivarin der Erzdiözese Wien, Annemarie Fenzl, erläutert die großen historischen und baugeschichtlichen Linien des Doms.
Schönborn: "Der Stephansdom wird geliebt"
Hinter allen Geschichten wird die persönliche Beziehung zum Dom spürbar, die Kardinal Christoph Schönborn bei der Präsentation so beschreibt: "Viele Dome werden bewundert, der Stephansdom wird geliebt". Ähnlich Dompfarrer Anton Faber, der im Film darauf hinweist, dass es zwar viele gebe, die etwas gegen die Kirche oder den Papst hätten. "Ich kenne aber keinen, der gegen den Dom ist."
Für ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zeigt die neue Dokumentation anhand eines historischen Moments Bestialität und Absurdität eines Regimes genauso wie die Erfahrung, dass ganz Österreich in der Zeit danach "an einem Strang zieht". Die Ereignisse rund um den Stephansdom vor 70 Jahren seien zu einem "identitätsstiftenden Symbol für den Wiederaufbau" geworden. Der ORF wolle als "multimediales Gedächtnis der Nation" mit dem Film einen wertvollen Beitrag im Rahmen des diesjährigen Programmschwerpunktes zu den Jahren 1945 und 1955 leisten.
Für die Stadt Wien ist der Stephansdom mit rund 5,2 Millionen Besuchern nicht nur das bedeutendste Kulturdenkmal Österreich und ein Wahrzeichen der Stadt, sondern auch ein "spirituelles Kraftzentrum". Das unterstrich der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig vor zahlreichen Gästen aus Kirche, Medien und Gesellschaft im Wiener Ringturm. Den bleibende Auftrag zur Erhaltung des Stephansdoms und die Vision eines Steffl "ohne Baugerüst" unterstrich der Generaldirektor der "Wiener Städtischen Versicherung", Günter Geyer, in seiner Eigenschaft als Obmann des Vereins "Unser Stephansdom". Der Verein hat genauso wie das Wiener Domkapitel und andere Institutionen die Produktion der Dokumentation unterstützt.
Die Dokumentation trägt den Titel "Der Wiener Stephansdom - Die Wiedergeburt eines Wahrzeichens" und wurde von der "makido film" und ihrem Produzenten Golli Marboe hergestellt. Sendetermin ist Ostermontag, 6. April, um 2015 Uhr, auf ORF III.