Taize für Jugend in Österreich "Alternative zum Alltagstrott"
Zehn Jahre nach dem Tod von Frere Roger Schutz (1915-2005) ist die Spiritualität des Taize-Gründers auch in Österreich weiter lebendig: An Dutzenden Orten in allen Bundesländern treffen sich Menschen verschiedener Konfessionen regelmäßig, um gemeinsam in der Taize-Tradition zu beten, zu singen oder gemeinsame Solidaritätsaktionen durchzuführen. "Taize ist eine Alternative nicht nur zum Alltagstrott, sondern auch zu herkömmlichen Gebeterfahrungen und Gottesdiensten. Es ermöglicht intensive Begegnungen mit Jesus", erklärt Magdalena Zehetgruber, Organisatorin monatlicher Taize-Gebete in St. Pölten, bei einer "Kathpress"-Umfrage unter heimischen Taize-Verantwortlichen.
Obwohl manche der Taize-Gebete hierzulande schon seit Jahrzehnten bestehen, sind die meisten Besucher dennoch jung. Bis zu 70 Schüler oder Studenten - Katholiken ebenso wie Protestanten - sind es etwa jeden letzten Monatsdienstag in der Grazer Stiegenkirche, wo ein Team um Diözesanjugendseelsorger Thorsten Schreiber die Gestaltung übernimmt. Wer kommt, bringt oft Vorerfahrung mit, von Reisen nach Taize selbst oder von den großen Jugendtreffen, die die dortige ökumenische Communaute zu Jahreswechsel stets in einer europäischen Großstadt ausrichtet. "Viele Taize-Gebete sind aus dem Wunsch entstanden, ein Stück Taize auch zuhause erfahren zu wollen", berichtet Schreiber.
Teelichter, Gebetshocker, Tücher und ein Kreuz prägen die stille Atmosphäre der meist einstündigen Abendtreffen mit ihren kurzen Gebeten und schlichten Wiederholungsgesängen, die von Instrumenten begleitet werden. Psalmen oder das Sonntagsevangelium werden in Abschnitten vorgelesen, mancherorts gibt es auch offenen Gedankenaustausch darüber oder die Möglichkeit, eigene Gebetsanliegen als Fürbitten einzubringen. Vielerorts klingt der Abend bei einer Agape oder einem gemeinsamen Lokalbesuch aus. Hochschulgemeinden, die jeweilige Pfarrjugend oder auch Ordensgemeinschaften organisieren die Treffen, eingeladen wird über Aushang, Mundpropaganda und Facebook.
Was treibt die Jugendlichen zu dieser Gebetsstunde? Sie kommen hier zur Ruhe und "schalten ab", singen oder hören einfach zu, beobachtet die Don Bosco-Schwester Martina Nießner. "Die anfangs als lange empfundenen zehn Minuten völliger Stille kommt ihnen im Lauf der Zeit immer kürzer vor." Unbeabsichtigt sei zudem bei den von ihr geleiteten Taizegebeten in Baumkirchen auch eine Art "Gebetsgemeinschaft" entstanden, in der füreinander gebetet wird. Jedenfalls sei die Gebetsform für die jugendlichen Teilnehmer "einladend und stimmig", ergänzt Jugendseelsorger Schreiber.
Viele Auswirkungen sind zudem auf unscheinbarerer Ebene angesiedelt: Der langjährige Leiter der Katholischen Hochschulgemeinde Linz, Robert Kettl, spricht etwa von einer "Haltung der Dankbarkeit und Andacht", die bei den Gebetstreffen eingeübt wird, zudem bekomme man auch "ein gewisses Gespür für gute geistliche Musik". Dass es besonders die Lieder in sich haben, bestätigt Schwester Martina: "Die Gesänge vertiefen die Verbindung zu Gott. Sie tauchen auch im Alltag einfach auf und lassen dabei Hoffnung, Vertrauen, Glauben, Freude und Zuversicht wachsen."
Bei spiritueller Tiefe, Freundschaften und Ökumene-Begegnungen bleibt es nicht: Durchaus schließen sich die Teilnehmer auch dem Anliegen des aktuellen Leiters der Taize-Gemeinschaft, Frere Alois Löser, an, über Formen von "neuer Solidarität" nachzudenken - durch soziales Engagement und konkretes Teilen, wie Schreiber hervorhebt. Auch in der Wiener Ruprechtskirche, wo jeden Mittwoch zum Taize-Abendgebet eingeladen wird, gilt aktive Hilfe als Teil des Programms: Vergangenes Jahr wurde zu einer Laufveranstaltung für ein Kinderhospiz aufgerufen, heuer unterstützen Teilnehmer Flüchtlinge bei Behördenwegen, berichtet der dortige Verantwortliche, Marco Blumenreich.
Taize ist ein Symbol der ökumenischen Bewegung: Das kleine Dorf im Burgund, das Zentrum einer Fraternität von heute etwa 100 katholischen und evangelischen Männern aus 25 Ländern ist, wurde seit den 1950 Jahren zum Treffpunkt für Jugendliche aus aller Welt. In den 1970er-Jahren startete die Gemeinschaft ihre regelmäßigen großen Jugendtreffen. Der Gründer der "Communauté", Frere Roger Schutz, wurde am 16. August 2005 während eines Abendgebetes in Taize von einer geistig verwirrten Frau erstochen. Seither leitet der Stuttgarter Katholik Frere Alois Löser (61) die Geschicke der Gemeinschaft.