Europäische Werte müssen sich bewähren
Europäische Werte der Humanität und Solidarität dürfen bei der Flüchtlingsfrage "nicht nur in Sonntagsreden beschworen" werden, sondern müssen sich in Hilfe für Notleidende konkret bewähren: Das unterstrich Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstagabend im Anschluss an den "Religionsdialog" unterstrichen, zu dem Regierungs-Chef Werner Faymann in das Bundeskanzleramt eingeladen hatte. Der Bundeskanzler bat dazu hochrangige Vertreter der christlichen Kirchen, von Judentum, Islam sowie anderen in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften zum Gedankenaustausch; im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie dem stark angestiegenen Zustrom an Asylwerbern bestmöglich begegnet werden kann.
Schönborn betonte im anschließenden kurzen Pressegespräch die Verantwortung aller Teile der Gesellschaft bei dieser "in diesem Ausmaß alle überraschenden" Herausforderung. Und er sieht langsame, aber stetige Fortschritte im Zusammenwirken von Gebietskörperschaften, NGOs und Religionsgemeinschaften: Man erkenne zusehends, dass es zu nichts führe, einander den Schwarzen Peter zuzuschieben. Alle hätten sich um Lösungen zu bemühen, und seitens der Kirche sei in den vergangenen Wochen vieles geschehen - manches davon auch unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit.
Auf die Frage, ob die Kirche nicht weitere Flüchtlingsunterkünfte bereitstellen könne, antwortete der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, dies geschehe bereits laufend und nicht erst seit dem Anwachsen der Flüchtlingswelle. Er erinnerte an das Engagement der Caritas, die österreichweit 30 Prozent aller Asylwerber in der Grundversorgung betreut. Hier und auch von anderen kirchlichen Gruppen geschehe bereits viel Gutes, "auch wenn es nicht groß verkündet wird und oft unbedankt bleibt". Und - wie der Kardinal hinzufügte - "wir werden mit Sicherheit alle miteinander noch mehr tun müssen".
Lobend und "froh" äußerte sich Schönborn über die Dreiparteieneinigung bezüglich des Durchgriffsrechtes des Bundes in der Quartierfrage. Das ermögliche eine gezielte und faire Verteilung der mit der Flüchtlingsunterbringung verbundenen Lasten. Es sei für Österreich "sicher keine Schande", wenn es zum Zielland vieler werde, die Schutz vor Gewalt und Verfolgung suchten, fügte der Kardinal hinzu. Fluchtgründe seien sorgfältig zu prüfen, aber dass Österreich im Ruf stehe, dass Menschlichkeit hier großgeschrieben wird und "Menschen in Not nicht als störend empfunden werden", sei letztlich positiv.
Faymann: Religionen fördern Zusammenhalt
Kanzler Faymann dankte Schönborn für die nun schon zur Tradition gewordene Gelegenheit, dass sich Vertreter von Politik und Religionen über grundsätzliche Fragen austauschen. Faymann nannte es eine "österreichische Besonderheit", dass die Religionen hierzulande gut zusammenarbeiten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Davon profitiere er auch als Bundeskanzler, zumal es genug andere gesellschaftliche Kräfte gebe, die Hass und Zwietracht auf ihre Fahnen schrieben.
Ziel der Politik müsse es sein, dass Menschen in ihrer Heimat sicher vor Bedrohungen sind und sich nicht gezwungen sähen, diese zu verlassen. Kurzfristig zu lösen sei nun jedoch die durch Flüchtlingsströme verursachte "Herausforderung, nicht Katastrophe", bereits in Österreich befindlichen Geflohenen geeignete Quartiere zu bieten. Dazu leisteten auch die Religionsgemeinschaften und ihre Organisationen einen wertvollen Beitrag; Faymann nannte hier ausdrücklich die Caritas.
Solidarität auf europäischer Ebene einzuklagen - wie dies jüngst die Minister Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Brandstetter in Erwägung zog -, halte er nicht für zielführend und teile hier die Einschätzung von Juristen im Bundeskanzleramt. Die erforderliche faire Lastenverteilung auf EU-Ebene müsse auf politischer Ebene vorangetrieben und der Streit darüber solle nicht vor Gerichten ausgetragen werden, betonte Faymann.
An dem Treffen im Bundeskanzleramt nahmen neben Faymann und Schönborn auch der für Religionsfragen in der Regierung zuständige Kultusminister Josef Ostermayer sowie als Religionenvetreter u.a. Bischof Michael Bünker (evangelisch-lutherische Kirche), der evangelisch-methodistische Superintendent Lothar Pöll als Vorsitzender des Ökumenischen Rates der Kirchen, Bischofsvikar Nicolae Dura (rumänisch-orthodoxe Kirche), Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg (Israelitische Kultusgemeinde), Fuat Sanac (Islamische Glaubensgemeinschaft) und Gerhard Weißgrab (Buddhistischen Religionsgesellschaft) teil.
Bereits im vergangenen Sommer hatte Bundeskanzler Faymann zu einem Religionsdialog in das Bundeskanzleramt eingeladen. Unmittelbarer Anlass war damals ein gewalttätiger antisemitischer Vorfall bei einem Fußballspiel in Bischofshofen.