Zahl verfolgter Christen so groß wie nie
Die Zahl der in aller Welt verfolgten Christen ist nach Angaben des Hilfswerks "Open Doors" aktuell so hoch wie nie zuvor in der Geschichte. Insgesamt würden heute laut Schätzungen mehr als 100 Millionen Christen weltweit verfolgt, sagte der Open-Doors-Direktor für die Schweiz und Österreich, Eric Lecomte, am Wochenende vor Pressevertretern am Rande einer Tagung zum 60-jährigen Bestehen seiner Organisation in der Technischen Universität in Wien.
Christen seien weltweit die am meisten verfolgte Religionsgruppe. Er gehe auch nicht davon aus, dass sich dies in naher Zukunft ändern werde, fügte Lecomte hinzu. Angesichts der Krisen im Nahen Osten müsse man sich beispielsweise ernsthaft die Frage stellen, ob Christen in der Region überhaupt eine Überlebenschance haben. "Die Christen in Syrien wollen in ihrer Heimat bleiben, wir wollen sie dabei geistlich, aber verstärkt auch humanitär unterstützen", sagte er.
Open Doors wurde 1955 von dem Niederländer Anne van der Bijl gegründet. Heute ist das überkonfessionelle Hilfswerk in mehr als 50 Ländern weltweit mit verschiedenen Projekten aktiv. Durch die Lieferung und den Druck von Bibeln, Schulungen von kirchlichen Mitarbeitern und Laien, Hilfe zur Selbsthilfe für die Gründung von Kleinunternehmen und Sozialwerken, geistliche und finanzielle Hilfen für Gemeinden, neue Christen, Gefangene und ihre Angehörige sowie Familien von ermordeten Christen und Soforthilfeprojekte wird versucht, verfolgte oder bedrohte Christen zu unterstützen.
Radikale und tiefgreifende Verfolgung in Nordkorea
Bekannt ist die Organisation auch für die Herausgabe des "Weltverfolgungsindex", der Jahr für Jahr jene 50 Länder auflistet, in denen Christen am meisten verfolgt werden. An der Spitze des Index steht Nordkorea. Nach Open-Doors-Angaben leben in dem Land bis zu 300.000 Christen, wobei bis zu 70.000 in Straflagern interniert sind. Christen haben demnach in Nordkorea keinerlei Glaubensfreiheit in den Bereichen Privatleben, Familie, Gesellschaft und Staat.
Die Nordkoreanerin Kim Yong-Sook gab in Wien einen Einblick in das Leben als Christin in Nordkorea. Sie ist im Jahr 1999 aus dem Land geflohen und lebt mittlerweile in Südkorea. Religiöses Leben habe in dem Land einfach nicht stattgefunden, so Sook. Religion hätte aber im Leben der meisten Menschen auch gar keinen Platz gehabt, da sie ausschließlich damit beschäftigt waren, Nahrung zu beschaffen, um zu überleben.
Die Verfolgung sei so radikal und tiefgreifend gewesen, dass sie sich nicht vorstellen kann, wie eine Untergrundkirche dort überleben könne. "Die meisten leben ihren Glauben im engsten Kreise der Familie, aber auch da muss man vorsichtig sein, weil man jederzeit verraten werden kann", so Sook. Die meisten Christen in Nordkorea seien in einem anderen Land, meist in China, evangelisiert worden und dann in ihre Heimat zurückgekehrt. In Nordkorea selbst gebe es keine religiöse Bildung und vom Regime werde ausschließlich die Ansicht verbreitet, das Christentum sei etwas Schlechtes.
Für die Zukunft sieht Kim Yong-Sook einen Zusammenbruch der Machtstrukturen in ihrer Heimat. "Nordkorea wird nicht mehr lange bestehen, das Land ist wirtschaftlich am Ende." Seit der Machtübernahme von Kim Jong-Un gebe es auch keinerlei politische Ordnung mehr im Land und selbst die Oberschicht beginne, die politischen Entscheidungen zu hinterfragen. "Viele meiner Freunde in Nordkorea geben dem Land noch drei bis fünf Jahre". Deswegen würden zurzeit auch nur wenige Menschen fliehen. Die meisten warteten die Entwicklung der kommenden Jahre ab, so Kim Yong-Sook.
Quelle: kathpress