
"God bless America"
Papst Franziskus bevorzugt eigentlich die "Ränder": der Welt, der Gesellschaft und der Existenz. Am Mittwoch allerdings führte ihn sein Weg geradewegs ins Zentrum der Macht: ins Weiße Haus. Präsident Barack Obama, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten und seine Frau Michelle empfingen den ersten Papst aus Amerika auf dem "Südrasen" seiner Residenz offiziell zu seinem sechstägigen Besuch in den Vereinigten Staaten.
Die Atmosphäre im Garten des Weißen Hauses war eine Mischung aus Volksfest und Cocktail-Party. Rund 20.000 Gäste hatte Obama eingeladen, vom Drei-Sterne-General bis zum einfachen Katholiken aus der Provinz. Trotz der enormen Sicherheitsvorkehrungen ging es entspannt und zwanglos zu.
Er komme als Sohn einer Einwandererfamilie, zu einer Nation, die von solchen Familien aufgebaut worden sei. Mit diesen werbenden Worten begann der Papst seine Rede, die unbequeme Botschaften in freundlicher Verpackung enthielt. Mit seiner Aufforderung zum Kampf gegen den Klimawandel sprach er gleich zu Beginn seiner Reise ein Reizthema an. Von Republikanern und konservativen Katholiken war er dafür kritisiert worden, dass er den Klimawandel in seiner Enzyklika "Laudato si" als größtenteils vom Menschen verursachtes Phänomen bezeichnet.
Der Klimawandel müsse ernst genommen werden und dürfe nicht der nächsten Generationen und den Ärmsten aufgebürdet werden, bekräftigte der Papst in seiner Begrüßungsansprache. Franziskus lobte ausdrücklich die jüngste Initiative Obamas zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Doch auch Obama musste sich Kritik gefallen lassen. Mit seiner Mahnung, die Religionsfreiheit zu achten und seiner Verurteilung "ungerechter Diskriminierungen", spielte der Papst auf den jüngsten Konflikt zwischen der US-amerikanischen Bischofskonferenz und der Regierung Obama wegen der Gesundheitsreform an. Auch die Verwerfungen um die landesweite Einführung der Homo-Ehe dürfte er hier gemeint haben. Lob vom Papst gab es hingegen für die jüngste Annäherung an Kuba. "God bless America" rief er den Menschen am Ende seiner Rede zu.
Obama seinerseits überschüttete den Papst förmlich mit Lob. Eine größere Hymne auf die katholische Kirche und auf seine eigene Person dürfte der Papst in letzter Zeit von keinem anderen Staatsmann gehört haben. Obama bezeichnete den Papst als "lebendiges Beispiel der Lehre Jesu". Die Begeisterung über seinen Besuch sei nicht nur seiner Rolle als Papst, sondern auch seinen "einzigartigen Eigenschaften als Person" zuzuschreiben.
Franziskus und Obama traten einander im Garten des Weißen Hauses herzlich und respektvoll gegenüber - ohne Umarmungen oder andere kumpelhafte Gesten, wie sie dem Papst bisweilen von Staatsmännern aufgenötigt werden, die von seinem Image profitieren wollen. Worüber sich nach der offiziellen Begrüßungszeremonie im Oval Office sprechen werden, wollte Obama den fragenden Journalisten nicht sagen.
In den vergangenen Wochen war bisweilen von einem angeblich bevorstehenden kühlen Empfang in den USA die Rede. Unter den rund 15.000 Gästen im Weißen Haus war davon nichts zu spüren. Sogar für Franziskus' Aussage zum Klimawandel gab es kräftigen Applaus. Nach dem Ende der Rede schallte es aus der Menge "Francis we love you" und "Viva el papa". Auch sonst wurde Franziskus in Washington von einer begeisterten Menschenmenge empfangen.
Auffällig war, dass der Papst im Kernland des Kapitalismus vorerst auf direkte Kapitalismuskritik verzichtete. Bereits während des Flugs nach Washington hatte sich Franziskus am Dienstag erneut gegen den Vorwurf einer überzogenen Kapitalismuskritik verwahrt. Vielleicht habe die ein oder andere Analyse seiner Enzyklika "Laudato si" den Eindruck erweckt, er sei ein "bisschen zu sehr links", so Franziskus vor den mitreisenden Journalisten. Aber das sei ein Irrtum. Tatsächlich habe er nichts gesagt, was nicht durch die katholische Soziallehre gedeckt sei. Angesprochen auf die Überschrift der Zeitschrift "Newsweek", die jüngst titelte "Ist der Papst noch katholisch", konterte Franziskus: "Wenn es nötig sein sollte, das Glaubensbekenntnis zu zitieren, bin ich bereit dazu".
Quelle: kathpress