Pucher verteidigt "VinziDorf"-Konzept
Im "VinziDorf" in Wien werden ab Ende 2016 Obdachlose eine dauerhafte Wohnung finden, die bisher in keiner anderen Betreuungsstelle aufgenommen wurden. Möglich macht das ein in ganz Österreich einzigartiges Konzept: "Wir nehmen in den 'Vinziwerken' die Letzten der Letzten der Gesellschaft auf und lassen sie so sein, wie sie sind", erklärt der für das 39. "Vinziwerk" zuständige Pfarrer und Lazaristenpater Wolfgang Pucher in der "Wiener Zeitung" (Donnerstag). Konkret heißt das, es gibt in den Einrichtungen weder ein Alkoholverbot noch verpflichtende Resozialisierungsmaßnahmen. Kritik an seinem Modell wies Pfarrer Pucher zurück.
Seit 2002 versucht der Armenpfarrer gemeinsam mit seinem Team den Wunsch nach Graz auch in Wien ein "VinziDorf" aufzubauen, in die Tat umzusetzen. Bisher scheiterte die Grundstückssuche zumeist am Widerstand der Anrainer oder politischer Entscheidungsträger. Pucher erzählt: "Wir hatten schon eine Zusage von der Pfarre Aspern. Dann kam es dort zu einem Sturm der Empörung bei den Anrainern. mehr als 1.000 Menschen drohten damit, aus der Kirche auszutreten, wenn das Projekt realisiert werde. Daraufhin zog die Pfarre ihr Angebot zurück."
Seit Mittwochnachmittag ist es nun fix: Das Wiener "VinziDorf" wird im Frühjahr in der Hetzendorfer Straße in Meidling auf einem Grundstück des Lazaristenordens gebaut. Ende 2016 sollen die ersten der insgesamt 24 inländischen männlichen Obdachlosen einziehen. Die dorf-ähnliche Siedlung besteht aus einzelnen Wohnmodulen (Häuschen). Das Besondere: Die Bewohner werden völlig getrennt einzeln untergebracht, sie haben eine eigene Schlafmöglichkeit sowie Stauraum für ihr persönliches Hab und Gut.
Die Kritik am Modell macht sich vor allem an den fehlenden Resozialisierungsbestrebungen und Regeln fest. Den Armenpfarrer kümmert das wenig: "Diese Kritik ist so alt wie die Idee. Die Leute, die wir aufnahmen, hat zuvor niemand anderer aufgenommen. Es ist daher pervers, damit zu kommen." Recht gebe ihm die Haltung der Obdachlosen: "Bei uns finden sie eine neue Heimat. Daher sagen viele der Bewohner des Dorfes in Graz, dass es ihre Heimat ist. Wenn sie so wollen eine 'Heimat für Heimatlose'". Außerdem zeige das seit 1993 in Graz bestehende Dorf, "dass sich das Projekt etabliert und bewährt hat und gut angenommen wird".
Aufnahme an keine Bedingungen geknüpft
Die Aufnahme im Dorf ist an keine Bedingungen geknüpft. Es gebe weder eine strikte Hausordnung noch ein Alkoholverbot, so der geistliche Beirat der "österreichischen Vinzenzgemeinschaft". Im Grunde müssten sich die Bewohner nur an zwei Regeln halten: Es darf keinem anderen Gewalt zugefügt werden und der Konsum von Drogen ist strengstens verboten. Pucher: "Das Wichtigste ist mir dabei, dass wir den Obdachlosen das Gefühl geben, dass sie willkommen sind, und zwar ohne den Resozialisierungsdruck."
Der Armenpfarrer vergleicht das Dorf mit einer überdachten und beheizbaren Stadtparkbank, auf der sich gelegentlich jemand dazusetze. "Es gibt bei uns ehrenamtliche Ansprechpersonen, die rund um die Uhr da sind, ein wenig für minimale Ordnung sorgen und sich um die Betroffenen kümmern". Jeder könne aber leben und kommen und gehen, so wie er es wolle.
Bereits bestehende Werke in Wien bleiben
Die bereits bestehenden Werke in Wien, das "VinziBett", der "VinziPort", das "VinziShop", der "VinziMarkt" und das "VinziTreff" bleiben auch weiterhin bestehen. Im "VinziBett" können täglich 46 obdachlose Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft übernachten. Das Haus in der Ottakringerstraße verfügt über zwei Stockwerke mit zwölf Schlafräumen mit 46 Betten. Das "VinziPort" am Rennweg ist die erste Notschlafstelle für EU-Bürger. 55 Männer aus den unterschiedlichsten Ländern finden hier ein warmes Bett, ein Abendessen und ein Dach über dem Kopf.
Die Vinzenzgemeinschaften bilden weltweit Gruppen, die selbstständig und unabhängig voneinander auf Basis der Ehrenamtlichkeit bemüht sind, Armen das Leben zu erleichtern bzw. sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Derzeit gibt es in 148 Ländern 50.000 Gruppen. In Österreich sind es 146. (Infos: www.vinzi.at)
Quelle: kathpress