
Fackelzug und Gottesdienst für verfolgte Christen
Angesichts der dramatischen Situation der Christen vor allem in Syrien und im Irak, aber auch in einigen afrikanischen Ländern ruft die Plattform "Solidarität für verfolgte Christen" am Donnerstag, 10. Dezember, zum Aktionstag "Stop Christenverfolgung" auf. Der 10. Dezember ist der Jahrestag der Proklamation der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht. Die Plattform "Solidarität für verfolgte Christen" weist in ihrem Aufruf zum Aktionstag darauf hin, dass die Christen weltweit am häufigsten und intensivsten von nackter Gewalt, Verfolgung und schweren Verletzungen des Menschenrechts auf Religionsfreiheit betroffen sind.
Der Aktionstag beginnt um 17.15 Uhr mit einem Fackelzug von der Oper zum Stephansdom, um 18 Uhr findet ein ökumenischer Wortgottesdienst im Stephansdom statt, um 19.30 Uhr (Einlass ab 19.10 Uhr) wird im "Bellaria"-Kino in der Museumstraße der Film "Noun - Christenverfolgung im Irak" gezeigt.
Zum Aktionstag werden Christen aus allen Konfessionen erwartet. Auch die Plattform "Solidarität für verfolgte Christen", der mehr als 20 Organisationen angehören, ist "multikonfessionell" zusammengesetzt; zu den Mitgliedsorganisationen gehören u.a. die Österreich-Sektion von "Christian Solidarity International" (CSI), die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV), die Evangelische Allianz, die Stiftung "Pro Oriente", das Hilfswerk "Kirche in Not" und die evangelikale Bewegung "Open Doors".
Im Aufruf der Plattform heißt es im Hinblick auf die Situation in Syrien und im Irak wörtlich: "Schluss mit dem Völkermord an Christen und anderen religiösen Minderheiten." In den islamisch dominierten Ländern müsse das Recht der Christen, "ihren Glauben öffentlich zu bekennen", gewährleistet sein. In Österreich plädiert die Plattform für "den bedingungslosen Einsatz" aller relevanten Gruppierungen - einschließlich der politischen Parteien, der christlichen Kirchen und der islamischen Religionsgemeinschaft - für Religionsfreiheit.
Der AKV-Vorsitzende Helmut Kukacka verweist darauf, dass Öffentlichkeit und Politik die "Tatsache der Christenverfolgung" in vielen Teilen der Welt und die Notwendigkeit des Einsatzes für Religionsfreiheit "lange Zeit vernachlässigt" haben. Die Garantie, den eigenen Glauben ungestört leben zu können, sei aber eine Grundvoraussetzung für ein Leben in Frieden und Freiheit.
Muslimin dreht Film über verfolgte Christen
Prominenter Gast beim Aktionstag ist die irakische Regisseurin Aida Schläpfer Al-Hassani. Sie wird am Fackelzug teilnehmen und im Anschluss im "Bellaria"-Kino ihren Film "Noun - Christenverfolgung im Irak" präsentieren. Nach der Filmvorführung wird die schiitische Muslimin bei einem Podiumsgespräch über ihre Erfahrungen im Irak berichten.
Der Film "Noun - Christenverfolgung im Irak" hatte im Sommer beim Internationalen Filmfestival in Locarno Aufsehen erregt. Der Film wurde - angeblich aus "Qualitätsgründen" - vorerst abgelehnt und dann auf öffentlichen Druck hin doch gezeigt.
Die Familie der Regisseurin war vor dem Saddam-Regime aus dem Irak in den Libanon geflohen. "Noun" steht für "N" ("Nazrani" bzw. "Nazarener", wie die Christen im arabischen Raum genannt werden). Der Film zeigt das Schicksal der von den IS-Terroristen verfolgten Christen im Irak. Die Regisseurin drehte Szenen in Flüchtlingslagern in Erbil, sie zeigt Familien, die aus Mosul vor den IS-Terroristen geflohen sind, die Kinder, Eltern, Angehörige, Freunde verloren haben. Sie zeigt Menschen, die nervlich zerrüttet sind, weil sie seit Monaten in Zelten auf dem Boden schlafen, traumatisiert von den Erlebnissen in Mosul oder den Städtchen der Ninive-Ebene, wo sie herkommen. Und sie lässt Betroffene zu Wort kommen, wie das kleine Mädchen Dalal: "Ich vermisse unser Zuhause, meine Freunde, meine Schule und meine Lehrer, unsere Kirchen. Ich vermisse das und vieles mehr. Ich wünschte, sie würden uns unsere Häuser zurück geben, unsere Schulen und Kirchen."
Für ihren Film recherchierte Al-Hassani auch die Geschichte der Christenverfolgung in ihrer Heimat. Sie war selbst schockiert über die vielen Massaker und Vertreibungen, die an Christen immer wieder begangen wurden - während des ganzen 20. Jahrhunderts, angefangen vom Völkermord auf Befehl des "Komitees für Einheit und Fortschritt" im Osmanischen Reich ab 1915. Alte Schwarz-weiß-Aufnahmen sind unter die aktuellen Bilder gestreut.
"Weiteren Völkermord verhindern"
Im Gespräch mit "Radio Vatikan" sagte die Regisseurin: "Ich will mit meinem Film einen weiteren drohenden Völkermord an diesen Menschen verhindern. Ich habe gesehen, dass das irgendwie immer wieder kommt. Die Christen haben null Sicherheit, keine Waffen, um sich zu schützen".
Aida Schläpfer Al-Hassani lebt seit rund 20 Jahren in der Schweiz, ihr Vater ist Iraker, aus Bagdad, die Mutter ist Libanesin. Die Regisseurin hatte in ihrer Kindheit im Irak eine katholische Schule besucht, auch den katholischen Religionsunterricht.
Früher habe man sich im Irak keine Gedanken gemacht, ob der Nachbar Sunnit, Schiit, Kurde oder Christ sei, sagte sie in dem Interview. Mit der Invasion der Amerikaner in den Irak, dem Bürgerkrieg und der ausufernden Gewalt des IS sei das gegenseitige Misstrauen groß geworden. Das merkte die Regisseurin auch bei den Christen, die sie für ihren Film interviewte: "Es war schon zu spüren, das kann ich schon verstehen. Es war am Anfang schwierig für mich, an die Leute heranzukommen und mit ihnen direkt zu sprechen. Die Menschen sind verängstigt. Sie wissen nicht, wem sie trauen können. Ich habe mich von Beginn an als schiitische Muslimin vorgestellt. Die Christen wissen, dass die Schiiten unter dem Terror von IS zu leiden haben. Wir sind Leidensgenossen. Und deshalb haben sie mich akzeptiert."
Viele Christen hätten nur noch den Wunsch, den Irak zu verlassen, schilderte Aida Schläpfer Al-Hassani ihre Eindrücke. Schließlich sei es das Ziel der Terroristen, den Willen der Christen zu brechen und ihnen jede Aussicht auf eine Zukunft im Land zu verwehren. Was die Christen bräuchten, sei Rückendeckung, "notfalls auch vom Papst persönlich": "Ich habe noch nie so gläubige und friedliche Menschen in meinem Leben gesehen wie die christlichen Iraker. Selbstverständlich würde ihnen ein Besuch des Papstes Mut und Hoffnung geben. Sie würden sehen, dass die Welt sie nicht vergessen hat. Das hat für sie eine sehr große Bedeutung. Das wäre eine große, auch seelische Unterstützung."
Quelle: kathpress