Franziskus will Freude an Ehe und Familie stärken
Papst Franziskus hat im neuen Schreiben zur Familiensynode Bischöfe, Priester, Diakone, Ehepaare und alle Katholiken aufgerufen, sich die Bedeutung der Ehe und der Familie neu bewusst zu machen. Trotz der vielen Anzeichen einer Krise der Ehe sei unter den Jugendlichen der Wunsch nach einer Familie lebendig, heißt es in dem Freitagmittag von den Kardinälen Lorenzo Baldisseri und Christoph Schönborn präsentierten 189-Seiten-Papier mit dem Titel "Amoris laetitia - Über die Liebe in der Familie". Das Nachsynodale Apostolische Schreiben ist das Resümee der beiden vatikanischen Bischofssynoden zu Ehe und Familie von Oktober 2014 und Oktober 2015; sie werden im normalen Sprachgebrauch als "die Familiensynode" bezeichnet.
Der Papst schreibt, die Kirche wolle "Licht in Krisen, Ängste und Schwierigkeiten" tragen, die es in Ehen und Familien gebe. Das Verhalten Jesu zeige, dass er "zwar ein anspruchsvolles Ideal vorgeschlagen" habe, aber zugleich "niemals die mitfühle Nähe zu den Schwachen wie der Samariterin und der Ehebrecherin verloren hat".
Das Ergebnis der Überlegungen der Familiensynode sei "nicht ein Stereotyp der Idealfamilie, sondern eine herausfordernde Collage aus vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten voller Freuden, Dramen und Träume", hält der Papst fest. "Wir gehen nicht in die Falle, uns in Wehklagen der Selbstverteidigung zu verschleißen, anstatt eine missionarische Kreativität wachzurufen." Die großen Werte der christlichen Ehe und Familie "entsprechen jener Suche, welche die menschliche Existenz durchzieht".
Genaue und gewissenhafte Prüfung
In einem ausführlichen Kapitel geht Franziskus auf die wiederverheirateten Geschiedenen ein. Er lädt ein "zu Barmherzigkeit und pastoraler Unterscheidung angesichts von Situationen, die nicht voll dem entsprechen, was der Herr geboten hat". Zur umstrittenen Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion äußert sich der Papst in dem Schreiben zwar nicht direkt, doch er zeigt die Methodik auf. Ein Kommunionempfang wäre somit unter der Bedingung einer sehr genauen und gewissenhaften Prüfung der Situation durch einen Priester, gemeinsam mit dem oder der Betroffenen, zulässig.
Der Papst ruft Priester auf, Wiederverheiratete zu begleiten, die Situationen zu unterscheiden und die Betroffenen einzugliedern. Er betont die Notwendigkeit von "Gradualität" in der Pastoral. Franziskus definiert eine "Logik der pastoralen Barmherzigkeit". Er bekräftigt, was eine christliche Ehe ist, und zeigt auf, dass "andere Formen der Vereinigung" teils diesem Ideal "von Grund auf widersprechen", teils dieses Ideal "zumindest teilweise und analog" verwirklichen.
Was die "Unterscheidung" in "irregulären Situationen" - im Text ist der Ausdruck immer in Anführungszeichen gesetzt - angeht, sagt der Papst: "Daher sind Urteile zu vermeiden, welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen. Es ist erforderlich, auf die Art und Weise zu achten, in der die Menschen leben und aufgrund ihres Zustands leiden". Und er fährt fort: "Es geht darum, alle einzugliedern; man muss jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben, damit er sich als Empfänger einer unverdienten, bedingungslosen und gegenleistungsfreien Barmherzigkeit empfindet". Die Geschiedenen in einer neuen Verbindung könnten sich "in sehr unterschiedlichen Situationen befinden, die nicht katalogisiert oder in allzu starre Aussagen eingeschlossen werden" dürften, ohne "einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung" Raum zu geben.
Dieser Linie folgend, greift der Papst die Beiträge vieler Synodenväter auf. Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, müssten ihrer Meinung nach - und nach Meinung des Papstes - "auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden".
Moralgesetze "keine Felsblöcke"
Priester und Bischöfe dürften moralische Gesetze nicht anwenden, "als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft". Oft sei Barmherzigkeit für Menschen, die im Widerspruch zur katholischen Lehre lebten, in der Kirche an zu viele Bedingungen geknüpft, schreibt der Papst. Das sei "die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen". Eine Einheit von Lehre und Praxis sei in der Kirche zwar notwendig, so Franziskus. Das schließe jedoch keineswegs aus, dass "verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden", weiter existierten.
In der geltenden kirchlichen Lehre war von nicht kirchlich getrauten Katholiken ein Zusammenleben "wie Bruder und Schwester" als Bedingung für den Kommunionempfang gefordert worden. Franziskus geht hier weiter. Er verweist darauf, dass Enthaltsamkeit die Treue der Partner und das Kindeswohl gefährden könnten. Dabei betont er jedoch, dass er für den Umgang mit den Betroffenen keine allgemeinverbindliche Norm geben wolle.
Damit stärkt Franziskus die Rolle der Ortskirchen und der einzelnen Bischöfe. Er steht ihnen in dem Schreiben mehr Eigenständigkeit und Interpretationsspielraum in der Anwendung der kirchlichen Lehre zu. Nicht "alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen" müssten durch "ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden", so der Papst. Oft könnten in den jeweiligen Ländern und Regionen besser "inkulturierte Lösungen" gefunden werden, "welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen", heißt es in dem Schreiben. Konkrete Beispiele nennt Franziskus nicht.
Homosexuelle: Partnerschaften geben Halt, sind keine Ehe
Auf den Umgang mit Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, der unter den Bischöfen ebenfalls besonders umstritten war, geht der Papst nur kurz ein. Er bekräftigt, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht der Ehe angeglichen werden dürften, betont aber zugleich, dass auch solche Formen des Zusammenlebens den Betroffenen "einen gewissen Halt geben".
In dem Schreiben äußert sich der Papst zu zahlreichen weiteren Themen aus dem Bereich Ehe und Familie, von der staatlichen Geburtenkontrolle über die grundsätzliche Offenheit von Sexualität für die Weitergabe des Lebens und der Erziehung von Kindern im christlichen Glauben bis hin zu Gewalt gegen Frauen. Darunter findet sich etwa auch eine Verteidigung der Emanzipation der Frau und des Feminismus gegen innerkirchliche Kritiker. Das Dokument bildet den Abschluss einen zweieinhalbjährigen Diskussionsprozesses in der katholischen Kirche. Er begann Ende 2013 mit einer weltweiten Umfrage unter Katholiken. Im Herbst 2014 und 2015 befassten sich zwei Weltbischofssynoden mit dem Thema Ehe und Familie.
Quelle: kathpress