Hiroshima-Gedenken durch Terror besonders brisant
Das alljährliche Gedenken an die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ist durch den Terror in Europa heuer besonders brisant. Darauf hat Kardinal Christoph Schönborn in einer Grußbotschaft anlässlich des "Hiroshima-Tages" am kommenden Samstag auf dem Wiener Stephansplatz hingewiesen. Eine Serie von Anschlägen mit zahlreichen unschuldigen Opfern erschüttere die Länder Europas. "Seither geht Angst um. Wann folgt der nächste Terroranschlag?", schrieb der Wiener Erzbischof. Kein Ort scheine mehr sicher zu sein vor neuen Akten brutaler Gewalt. "Nach Jahrzehnten des Friedens in Europa ist die Bedrohung durch Terror wieder real und spürbar geworden."
Kardinal Schönborn zitierte dazu jene Worte, die Papst Franziskus kürzlich "mit eindrucksvoller Deutlichkeit" auf dem Flug von Rom zum Weltjugendtag nach Polen sagte: "Die Welt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat. Fürchten wir uns nicht, diese Wahrheit zu sagen."
Das jährliche Hiroshima-Gedenken erinnert laut Schönborn daran, dass vor mittlerweile 71 Jahren "das Unvorstellbare" geschehen sei: der Einsatz von Atomwaffen mit Hunderttausenden Toten und unzähligen Verwundeten, die oft bis an ihr Lebensende unvorstellbar gelitten hätten. Seither sei die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen eine ständige Realität, wies der Kardinal hin. "Hoffen und beten wir, dass die Welt von dieser Angst und Bedrohung befreit wird."
Grußadressen an die Wiener Gedenkveranstaltung anlässlich der Atombomben-Abwürfe auf die beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki, bei denen am 6. und 9. August 1945 rund 300.000 Menschen starben, kommen jedes Jahr von zahlreichen Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Wissenschaft und Kirche. Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng betonte in seiner Zusendung an die Veranstalter des Gedenktages, der Friede beginne im Herz und "äußert sich in konkreten Taten". Er rief zum gemeinsamen Einsatz auf, "um Entwicklungen von Zerstörung, Gewalt und Unmenschlichkeit zu beenden".
"Gedächtnis für Leid ist erstaunlich kurz"
"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer": Diesen von Bert Brecht 1952 formulierten Protest gegen die Abgestumpftheit vieler Zeitgenossen gegen die Gräueln der Atombombe und des Krieges griff der Linzer Bischof Manfred Scheuer in seinem Grußwort auf. Scheuer bedauerte mit Brecht: "Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen." Das Gedächtnis vergangener Leiden wach zu halten sei eine dem Frieden dienende Aufgabe, betonte der Bischof und Präsident der katholischen Friedensbewegung "Pax Christi Österreich". Er danke allen Friedensbewegten rund um das Hiroshima-Gedenken, "dass sie sich dieser Aufgabe um unser aller willen unablässig annehmen".
Benediktiner-Abtpräses Christian Haidinger zeigte sich beeindruckt vom diesjährigen Besuch Barack Obamas als ersten US-Präsidenten in Hiroshima und dessen Appell: "Lasst uns nun zusammen den Mut aufbringen, Frieden zu verbreiten und eine Welt ohne Nuklearwaffen anzustreben." Der Vertreter der Männerorden in Österreich fügte dem die Hoffnung an: "Mögen diese Worte nicht unerhört bleiben!"
"Fragwürdige Doktrin nuklearer Abschreckung"
Einen aktuellen Aspekt griff der lutherische Bischof Michael Bünker in seiner Grußadresse auf: Der Beschluss Großbritanniens, für rund 49 Milliarden Euro seine atomwaffenbestückte U-Boot-Flotte zu erneuern - ein "Mammutprojekt", das voraussichtlich erst in mehr als 40 Jahren abgeschlossen sein wird - belege, wie unbeirrbar und unbelehrbar Staaten an der "fragwürdigen Doktrin der nuklearen Abschreckung" festhalten. Dem stehe die einmütige Überzeugung der christlichen Kirchen gegenüber, "dass bereits die Drohung mit atomaren Massenvernichtungsmitteln ethisch keinesfalls zu rechtfertigen ist", so der Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Für Christen könne es nur ein "überzeugtes Eintreten für eine Politik" geben, "die nicht für den Kriegsfall rüstet, sondern sich für den Frieden einsetzt".
In den vergangenen Monaten sei in Europa in besonders intensiver Weise spürbar, was Unfrieden, Krieg und Terror für Folgen haben, wies der Wiener Dompfarrer Toni Faber in seiner Grußbotschaft hin. "Dies allein sollte uns motivieren, uns für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen und allem Zerstörerischen Einhalt zu gebieten."
Laut Philipp Kuhlmann, dem Vorsitzenden der "Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung Österreich", gibt es gegenwärtig Bedrohungen durch "rechte Ideologien, die Menschen voneinander trennen anstatt sie zu verbinden". Das Friedensprojekt der Europäischen Union werde durch "grundlegende Fehler" wie eine unzureichende soziale Dimension gefährdet. Der Einsatz gegen solche Entwicklungen und für einen gerechten Frieden habe viele Gesichter, Mittel und Wege, so Kuhlmann. "Es kommt dabei auf jede und jeden von uns an."
Laternenmarsch bis zur Karlskirche
Die Hiroshima-Gedenkveranstaltung beginnt am Samstag, 6. August, um 18 Uhr auf dem Wiener Stephansplatz und wird um ca. 20:30 Uhr mit einem Laternenmarsch vom Stephansplatz zum Teich vor der Karlskirche abgeschlossen. Im Rahmen der Aktion werden Grußadressen veröffentlicht, Vertreter von Friedensgruppen informieren über Atomwaffen, es werden Friedenslieder erklingen. Die Initiative der Wiener Friedensbewegung und der Hiroshima-Gruppe Wien wird u.a. vom Internationalen Versöhnungsbund unterstützt. (www.hiroshima.at)
Quelle: kathpress