Caritas warnt vor weiteren Toten im Mittelmeer
Vor noch mehr toten Flüchtlingen im Mittelmeer hat Caritas-Präsident Michael Landau gewarnt. Mehr als 3.000 Menschen seien allein heuer schon beim Versuch, das Mittelmeer mit Booten zu überqueren, ums Leben gekommen, zeigte sich Landau in Ägypten gegenüber österreichischen Journalisten erschüttert. Landau besuchte in den vergangenen Tagen das Land am Nil, um sich vor Ort ein Bild über die Situation der Flüchtlinge zu machen. Rund 117.000 syrische Flüchtlinge leben in Ägypten, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte - Experten schätzen insgesamt weit über 200.000 Betroffene.
Nachdem ihnen der Fluchtweg über die Türkei und die kurze Überfahrt über das Meer nach Griechenland nun kaum noch möglich ist, versuchten immer mehr Heimatvertriebene über die nordafrikanische Küste die gefährliche Überfahrt nach Europa. All das Geld, das nun in die Hand genommen wird, um Europa abzuschotten, werde das Sterben im Mittelmeer nicht verhindern, warnte der Caritas-Präsident. Profitieren würden davon nur noch mehr als bisher die Schlepper.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind 2016 bereits 3.165 Menschen im Mittelmeer umgekommen. Das sind 509 Todesopfer mehr als in den ersten acht Monaten des Vorjahres. Laut IOM kamen auf den verschiedenen Mittelmeerrouten bis Ende August 2016 insgesamt 272.070 Flüchtlinge nach Europa. Im Vorjahr kamen die meisten Flüchtlinge vor allem von der Türkei aus nach Griechenland. 2016 waren es aufgrund des EU-Flüchtlingsdeals mit der Türkei auf dieser Route bisher weniger, während die Fluchtbewegung von Nordafrika aus nach Italien aber weiterhin stark ist. Laut IOM kamen bis zum 28. August 163.105 Flüchtlinge nach Griechenland und 106.461 nach Italien.
"Niemand verlässt seine Heimat ohne Not"
Bei all seinen Begegnungen mit Flüchtlingen in Ägypten sei ihm einmal mehr klar geworden, so Landau: "Niemand verlässt seine Heimat ohne gravierende Not. Die Menschen fliehen aus Syrien, weil sie fliehen müssen." Mehr als fünf Millionen Menschen hätten das seit fünf Jahren vom Krieg geplagte Land bereits verlassen. Ein Ende des Syrien-Konflikts sei nicht absehbar, deshalb müsse sich die Welt und damit auch Österreich damit abfinden, "dass uns diese humanitäre Krise und ihre Folgen noch viele Jahre begleiten werden".
Die Caritas Österreich habe seit Ausbruch der Syrienkrise 2011 mehr als 12,7 Millionen Euro für Nothilfe und Unterstützung syrischer Flüchtlinge im Nahen Osten zur Verfügung gestellt. Landau: "Jeder Euro zählt, und jeder Euro kann dazu beitragen, dass Menschen in der Region eine Zukunftsperspektive sehen und die tödlichen Boote über das Mittelmeer nicht besteigen." Die meisten Flüchtlinge wollten schließlich in der Region bleiben. Viele wollten auch in ihr Land zurückkehren, wenn dies die Sicherheitslage bzw. die politische Situation erlaubt.
Einmal mehr mahnte der Caritas-Präsident legale und sichere Fluchtrouten nach Europa und Österreich ein. Er forderte den Ausbau der Resettlement-Verfahren, der Neuansiedlung von Geflüchteten aus Erstaufnahmestaaten in aufnahmebereite Staaten. Hier solle sich auch Österreich stärker als bisher engagieren. Es brauche zudem erweiterte Familienzusammenführungen, so Landau vor dem Hintergrund, dass diese in Österreich stetig erschwert wird.
Waffen und Zäune: "Industrie des Todes"
Kein gutes Haar ließ der Caritas-Präsident am Waffenhandel. Allein im Jahr 2013 habe die Europäische Union Waffen im Wert von 36 Milliarden Euro in den Nahen Osten geliefert. Diese "Industrie des Todes", die am Leid der Flüchtlinge großen Anteil habe, profitiere perfiderweise nun auch noch von der Abschottungspolitik Europas, indem sie Zäune, Mauern und Überwachungstechnologie liefert, so Landau. Der Umsatz des Grenzsicherungsmarktes betrug im Jahr 2015 rund 15 Milliarden Euro und werde laut dem Caritas-Präsidenten bis 2022 vermutlich auf jährlich über 29 Milliarden Euro steigern. Landau: "Wenn man dieses Geld aufwenden würde, um den Menschen zu helfen, statt sie tiefer ins Unglück zu stürzen, dann gäbe es möglicherweise gar keine Krise."
Ohne gesamteuropäische Solidarität sei das Flüchtlingsproblem jedenfalls nicht zu lösen, zeigte sich Landau überzeugt. Europa hat seiner Einschätzung nach auch keine Flüchtlingskrise, sondern vielmehr eine Solidaritätskrise. Jeder Staat versuche, sich für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich darzustellen. Das schade letztlich aber auch dem Land selbst und allen Menschen, die dort leben. "Wir brauchen vielmehr einen Wettbewerb der Menschlichkeit", so der Caritas-Präsident wörtlich.
Caritas-Hilfe in Ägypten
Die Caritas Österreich hilft in Ägypten über die dortige Caritas sowie weitere Partnerorganisationen. Schwerpunkte der Hilfe sind Projekte für Straßenkinder sowie für Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern. Jährlich werden mit den zur Verfügung gestellten Mitteln mehr als 3.000 Menschen erreicht.
Landau besuchte in Kairo und Alexandria u.a. Schulprojekte für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern sowie für syrische Flüchtlingskinder. Neben den offiziell 117.000 syrischen Flüchtlingen gibt es in Ägypten auch noch offiziell 67.000 Flüchtlinge aus dem Sudan, aus Äthiopien, dem Irak, Somalia, dem Süd-Sudan und Eritrea. Deren Schicksal ist noch schlimmer als jenes der Syrer, denn die internationalen Hilfsmittel für diese Flüchtlinge sind noch viel stärker limitiert als jene für die Syrer. "Auch diese Menschen dürfen wir nicht vergessen", so Landau.
Die Hilfe für Flüchtlinge und Straßenkinder in Ägypten ist Teil der derzeit noch laufenden Hungerkampagne ("Augustsammlung") der Caritas. Spenden: PSK, IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004, Kennwort: Hungerhilfe, Infos: www.caritas.at/hunger
Quelle: Kathpress