Nach Grazer Amokfahrt-Urteil: "Wem wäre mit Rache geholfen?"
Den Wunsch vieler Empörter nach einer möglichst harten Strafe für den Amokfahrer Alen R., der im Juni 2015 drei Menschen in der Grazer Herrengasse tötete und etliche verletzte, kann der Grazer Stadtpfarrpropst Christian Leibnitz nachvollziehen: "Ich kann es verstehen, wenn es darum geht, durch ein hartes Urteil möglichst breiten Schutz vor diesem Menschen zu bekommen", sagte der Geistliche, vor dessen Stadtpfarrkirche sich das Drama im Vorjahr ereignete, am Wochenende im Interview mit der "Kronen Zeitung". Anders verhalte es sich mit "Rachegelüsten", so Leibnitz: "Die sind zwar verständlich - aber wem wäre mit Rache geholfen?"
Alen R. war am vergangenen Donnerstag nach einem Aufsehen erregenden Prozess von acht Laienrichtern für "zurechnungsfähig" und schuldig erklärt worden, als Urteil erging die Höchststrafe: lebenslange Haft. Zudem wurde der Mann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Da die Verteidigung eine Nichtigkeitsbeschwerde angekündigt hat, wird sich der Oberste Gerichtshof mit dem Fall befassen und entscheiden, ob der Prozess nochmals durchgeführt werden muss oder das Urteil rechtskräftig wird. Der Schuldspruch erging wegen dreifachen Mordes - unter den Toten ist ein fünfjähriger Bub - und wegen 108-fachen versuchten Mordes.
Nach den Worten von Stadtpfarrpropst Leibnitz ist zu hoffen, dass die Betroffenen nach diesem Urteil "so etwas wie Gerechtigkeit verspüren". Es habe im Vorfeld des Schuldspruchs auch Strafforderungen gegeben, "die viel zu weit gehen, Rufe nach Lynchjustiz". Leibnitz nannte es "wichtig, der Tragweite des Ereignisses so Rechnung zu tragen, dass die Leute ihr Vertrauen in den Rechtsstaat behalten können". Letztlich müsse auch der Täter davor bewahrt werden, wieder in eine ähnliche Situation zu gelangen, "in der diese Abgründe aufbrechen, mit solch verheerenden Folgen", meinte der Propst - "egal, ob das genetische, erzieherische oder psychische Gründe hat".
Täter muss Konsequenzen tragen
Auf die Frage nach den Grenzen christlicher Barmherzigkeit erklärte Leibnitz, grundsätzlich sei jedem, der Reue zeigt, Barmherzigkeit zu gewähren. "Dennoch muss der Täter die Konsequenzen seiner Handlung tragen, zum Schutz der Gesellschaft und zu seinem eigenen."
Der Grazer Priester war im Juni 2015 in die schrecklichen Ereignisse unmittelbar involviert: Genau vor der Stadtpfarrkirche kam der fünfjährige Valentin ums Leben. Leibnitz traf in der schon abgesperrten Herrengasse auf den Leichnam des Buben und spendete den schockierten Passanten gemeinsam mit einem Kriseninterventionsteam und Seelsorgern aus der Innenstadtpfarre Trost und leistete seelischen Beistand.
Quelle: kathpress