Theologe für klare Abgrenzung der Kirchen gegen "Neue Rechte"
Für eine klare Abgrenzung der Kirchen gegenüber den "Neuen Rechten" in Europa hat sich der der Wiener Philosoph und Theologe Hans Schelkshorn ausgesprochen. Neorechte Ideologien, wie sie sich in Parteien wie dem Front National in Frankreich, der Lega Nord in Italien, der AfD in Deutschland "und nicht zuletzt der FPÖ" fänden, würden "die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaates aushöhlen", warnte Schelkshorn in einem Interview der Linzer "KirchenZeitung". In Ungarn und Polen sei derzeit die "Errichtung eines autoritären Systems" zu beobachten.
Diese Entwicklungen erfordern nach den Worten des Professors für Christliche Philosophie an der Universität Wien, dass die Kirchen ihre parteipolitische Neutralität - in Österreich katholischerseits verankert im "Mariazeller Manifest" von 1952 - ernsthaft überdenken. Die Kirchen sollten "einerseits in der Verteidigung der liberalen Demokratie eindeutig Stellung beziehen und andererseits die Pervertierung christlicher Moral durch neorechte Bewegungen in aller Entschiedenheit zurückweisen", appellierte Schelkshorn: "Nur so kann verhindert werden, dass das Christentum am Beginn des 21. Jahrhunderts erneut zum Komplizen autoritärer Systeme in Europa wird."
Schelkshorn hatte mit seiner Diagnose neorechter Politik bereits im Februar 2016 für Aufregung gesorgt, als er sich in "EuropeInfos", dem in Brüssel erscheinenden monatlichen Online-Magazin der Kommission der katholischen EU-Bischofskonferenzen (ComECE), kritisch mit der Ideologie der Regierung von Viktor Orban auseinandersetzte. Sein Beitrag wurde wie ein weiterer zur Entwicklung in Polen unter der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) auf Druck der beiden nationalen Bischofskonferenzen wieder von der Website www.europe-infos.eu genommen.
"Volk" geht vor Menschenrechten
In der aktuellen Linzer "KirchenZeitung" wiederholt Schelkshorn seine Kritik: Die faschistischen Bewegungen im 20. Jahrhundert hätten die Demokratie im Namen einer rassistischen Ideologie bekämpft. Im Unterschied dazu würden sich neorechte Parteien wie Viktor Orbans "Fidesz" und andere zwar zu Demokratie und Menschenrechten bekennen. Zugleich stellten sie aber ihre eigene ethnische Idee von "Volk" über die universellen Menschenrechte, die etwa für Orban "nette Sachen" von zweitrangiger Bedeutung seien. "Damit höhlen sie den demokratischen Rechtsstaat von innen her aus", sagte der Wiener Theologe über Europas Rechtsparteien. "Diese Ideologie bezeichne ich als 'Postfaschismus'."
Orban verwirklicht laut Schelkshorn "in gewisser Hinsicht Jörg Haiders Vision einer Dritten Republik", auch die FPÖ habe die Option des ungarischen Regierungschefs für einen "illiberalen Staat" stets befürwortet. Bedenklich nannte es der Theologe, "dass auch Teile der ÖVP und der CSU sich von der autoritären Politik von Orban offenbar nicht distanzieren können". Die Ideologie der Neuen Rechten sei "inzwischen weit in christlich-konservative Parteien eingesickert".
Instrumentalisierung des Christentums
Dabei stehen neorechte Positionen nach der Einschätzung Schelkshorns zum Kern der christlichen Moral in einem offenen Widerspruch: "Denn die christliche Nächstenliebe bezieht sich nicht, wie neorechte Politiker immer wieder lauthals verkünden, auf den Nächsten, das heißt den Volksgenossen ('Österreich zuerst'), sondern auf Menschen, die in Not sind, unabhängig davon, welchem Volk oder auch Religion sie angehören." Dennoch gebe es seit vielen Jahren Allianzen zwischen neorechten Parteien und konservativen christlichen Kreisen. Einvernehmen herrsche etwa hinsichtlich eines patriarchalen Familienbildes und der Sympathie für einen autoritären Staat.
Da neorechte Parteien Demokratie und Menschenrechte nicht kategorisch ablehnen, bleibe vielen Menschen deren Bedrohung für die Demokratie verborgen, wies Schelkshorn hin. "Darin liegt vielleicht die größte Gefahr."
Am Dienstag, 10. Jänner, um 19 Uhr, referiert Hans Schelkshorn an der Katholischen Privatuniversität Linz bei der "Severinakademie" des Forums St. Severin. Sein Thema: "Allianzen zwischen Christentum und neorechten Parteien in Europa".
Quelle: kathpress