Pubertät mit Vertrauen begegnen
Zu einem positiven Blick auf die Pubertät haben Expertinnen des "Elterntelefons" der Telefonseelsorge Oberösterreich ermuntert. Widerstand gegen die Eltern sei "ein Zeichen, dass alles in Ordnung ist, da Jugendliche Autonomie entwickeln und das bisherige Wertesystem hinterfragen müssen", betonte die Pädagogin und Psychotherapeutin Sandra Wiesinger in einem Linzer Pressegespräch zum "Weltelterntag" am 1. Juni. Eltern sollten Vertrauen in sich und ihre Kinder haben, mit ihnen im Gespräch bleiben und in stürmischen Zeiten "nicht erst, wenn es wirklich brennt, sondern schon vorher" Rat und Hilfe suchen, so die Botschaft der Fachleute.
Die Pubertät ist das Hauptthema der Anrufer des seit 2012 eingerichteten Elterntelefons, das unter der Nummer 142 rund um die Uhr und kostenlos erreichbar ist und vor allem von Müttern in Anspruch genommen wird. Wiesinger sprach von einer "Herausforderung für die ganze Familie", die zu einem immer wichtigeren Thema werde: Die heutige junge Generation kommt früher in die Pubertät, bleibt aber länger von den Eltern finanziell abhängig. Im Alter von etwa 11 bis 20 Jahren geht es laut der Geschäftsführerin im Institut Hartheim vor allem um Identitätsfindung, zudem werden hier auch die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt.
Wie die Pubertät nun im Einzelnen erlebt wird, hängt stark mit den jeweiligen Kindheitserfahrungen und mit der Stabilität der Eltern zusammen. Wiesinger: "Wenn ich als Kind ein Umfeld erlebt habe, das dem Kind zutraut, neue Herausforderungen gut zu bewältigen, dann werde ich auch in der Jugend Herausforderungen eher mit Tatkraft, Kreativität und Freude angehen. Wenn ich aber ein instabiles Umfeld erlebt habe, etwa durch psychisch kranke Eltern, dann kann jede neue Herausforderung zur Belastung und Bedrohung werden." Günstig sei zudem, in ein gutes soziales Netz eingebunden zu sein: Jugendliche würden dann beim Experimentieren und Grenzen ausloten - etwa mit Suchtmitteln - schnell spüren, was ihnen nicht gut tue, und es dann lassen.
Die Eltern sollten dabei aber unbedingt eigene Werte konsequent selbst vorleben und damit als "Reibebaum" dienen, sowie auch trotz des Widerstandes klare Grenzen setzen, legte Wiesinger nahe. Genauso wichtig sei es, in gutem Kontakt zu bleiben, das Gespräch zu suchen und dem Jugendlichen Vertrauen zu schenken. "In der Pubertät orientieren sich Jugendliche wie in einem Labyrinth. Sie sollen viel selbst experimentieren dürfen, brauchen aber dabei die Eltern als 'Schutz' im Hintergrund und als Anlaufstelle bei Sorgen und Problemen", erläuterte die Expertin.
Doch auch für die Eltern bedeutet die Pubertät oft Ängste und Sorge, beispielsweise um die Sicherheit ihrer Kinder, um ihre Kontakte oder Kommunikation. Viele würden sich zudem fragen, "ob sie etwas falsch gemacht haben oder in der Erziehung gescheitert sind", unterstrich die Elterntelefon-Leiterin Barbara Lanzerstorfer-Holzner. Ablösung und Selbstfindung sei ein wichtiger Schritt, werde aber von den Eltern mitunter als Abweisung bis hin zum Liebesentzug gedeutet. Hier sei ein "Loslassen, aber nicht fallenlassen" angesagt, zudem sollten sich Eltern in dieser Phase wieder "verstärkt auf das eigene Leben, die Partnerschaft besinnen und ihr Lebensglück nicht an den Kindern festmachen", riet die Telefonseelsorgerin zur Gelassenheit.
Wenn Eltern aus Überforderung ihre "Erziehungsmacht" nicht nutzten, dann wende sich der junge Mensch auf der Suche nach Orientierung an die Peer Group, weil der Eindruck entstehe, er bzw. sie sei den Eltern ohnehin egal. Dies könne zu exzessiven Verhaltensweisen führen oder zum Gefühl, übermächtig zu sein und die eigenen Eltern steuern zu können. "Dass sich das nicht gut auf die Entwicklung eines Jugendlichen auswirkt, ist klar", so Lanzerstorfer-Holzner.
Das Elterntelefon mit dem Notruf 142 sei die erste Anlaufstelle für professionelle Hilfe und biete besonders in der Pubertät Orientierung und Stärkung, betonten die Experten. Oft helfe es bereits, Gedanken und Sorgen ins Wort zu bringen, darüber hinaus versuchen die Berater am Telefon, gemeinsam mit den Anrufern, Gefühle zu benennen oder auch eigene Konflikterfahrungen in der Pubertät zu sehen, die jetzt bei der Pubertät des Kindes Angst machen. Gemeinsam sucht man auch nach Ressourcen und Stärken, mit denen schwierige Familiensituationen gemeistert werden können. "Wir versuchen die Eltern zu ermutigen, Vertrauen in sich und in ihre Kinder zu haben. Und wir geben ihnen mit: Eltern dürfen Fehler machen - das gehört einfach dazu", betonte Silvia Breitwieser, die Leiterin der Telefonseelsorge OÖ. "Gelungen" sei Pubertät dann, wenn sich ein Kind zu einem reifen Erwachsenen entwickelt habe.
(Link: www.elternnotruf.at)
Quelle: kathpress