Weltfriedenstreffen ruft zu neuem Blick auf Flüchtlinge auf
Das Weltfriedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio in Münster und Osnabrück ist mit einem Aufruf zu neuem Blick auf Flüchtlinge sowie für neue Formen des Einsatzes für Afrika in seine Beratungsphase gestartet. Flüchtlinge sollten aus ihrer eigenen, vom Zwang zur Flucht bestimmten Perspektive wahrgenommen werden, sagte die Koordinatorin der Flüchtlingshilfe der Gemeinschaft Sant'Egidio in Deutschland, Ursula Kalb, bei einem Podiumsgespräch am Montagabend. "Der Flüchtling ist kein Problem, sondern er hat ein Problem."
Menschen zu retten sei eine humanitäre Pflicht, sie aufzunehmen bedeute Bereicherung. Kalb kritisierte, dass die Flüchtlingsdebatte oft emotional und polemisch geführt werde. "Wir hier in Europa brauchen junge Leute, und von der Integration profitieren wir alle", unterstrich die Vertreterin von Sant'Egidio. "Die Migranten sind Pioniere der Zukunft." Kalb erinnerte dabei auch an die "Willkommenskultur" bei der Ankunft zigtausender Flüchtlinge in Deutschland vor zwei Jahren. Ähnlich rief auch der Generaldirektor der Islamic Foundation in Bangladesch, Shamim Mohammad Afzal, die Religionen dazu auf, Flüchtlingen zu helfen.
Als nachhaltige Prävention von Flucht forderte der Moderator der Waldenser-Tafel in Italien, Eugenio Bernardini, einen "Marshall-Plan für Afrika". Es dürfe sich dabei aber nicht um ein "Alibi" handeln, um damit "die Mauern der Festung Europa zu erhöhen". Um Flüchtlingen zu Hause zu helfen, sei zuvor eine Vorstellung davon nötig, "wie dieses Zuhause aussieht", zudem sollte kurzfristige humanitäre Hilfe und langfristige strategische Entwicklung für wirtschaftliche Stabilisierung von Krisengebieten Hand in Hand gehen.
Schnäppchenjagd ist unchristlich
Die Flüchtlingsfrage und auch etwa der Welthandel sollten von allen Religionsgemeinschaften und Staaten "mehr international gedacht werden", forderte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bei einer weiteren Diskussion im Rahmen des Weltfriedenstreffens. Dringend nötig sei ein Ausgleich zwischen den reichen und den armen Ländern: Die Menschen etwa in Afrika machten sich schließlich nur deshalb auf den Weg nach Europa, weil sie keine Hoffnung auf Wohlstand in ihrer Heimat hätten.
Auf die Globalisierung müsse "mit einer globalen Wirtschaftsethik" geantwortet werden, so Sternberg. Es dürfe nicht sein, dass ein in Entwicklungsländern gefertigtes T-Shirt für drei Euro in Deutschland in den Handel gelange - wobei auch der Konsument in die Pflicht zu nehmen sei: "Die Schnäppchenjagd kann nicht das Leben von Christen prägen", so Sternberg. Die Handelsunternehmen in den reichen Ländern müssten bereit sein, Sozial- und Umweltstandards in den Entwicklungsländern zu erfüllen. Zudem brauche es dringend Investitionen in Wohlstand und Frieden in den Ländern Afrikas.
Der Präsident des katholischen Hilfswerks "missio Aachen", Klaus Krämer, mahnte einen Verzicht auf "aggressive Missionsmethoden" an. Sie gefährdeten die friedliche Koexistenz der Religionen. Der "einzige Weg zu einem friedlichen Zusammenleben" sei der interreligiöse Dialog. Krämer forderte dazu auf, sich gegen jede "destruktive und respektlose Abgrenzung zwischen den Religionen" und die "missbräuchliche Instrumentalisierung religiöser Gefühle" zu wenden. Es dürfe keine Gewalt gegen Andersdenkende, keine unlauteren Methoden zulasten anderer Religionen und kein einseitiges Ausnutzen einer faktischen Machtstellung gegenüber Minderheiten geben.
Deutsche Wahl "fortschrittlicher als Österreich"
Die Rolle der Europäischen Union für Demokratie und den Weltfrieden kam einer weiteren Diskussionsveranstaltung in Münster zur Sprache. Die belgische Sant'Egidio-Vorsitzende Hilde Kieboom bekundete dabei eine "euphorische Freude" darüber, dass sich in Deutschland mit Angela Merkel und Martin Schulz momentan "zwei Europa-Befürworter" um die Macht im Kanzleramt streiten würden. Dies sei ein gewaltiger Fortschritt gegenüber den jüngsten Wahlen in Holland, Frankreich oder auch Österreich, "vom Brexit ganz zu schweigen", so die Theologin.
Ähnlich positiv als "Sieg über den Pessimismus" bewertete auch Lyons Vizebürgermeister Jean-Dominique Durand bei der Diskussion den Wahlerfolg von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Friede stärker als Hass
Das bislang 31. Weltfriedenstreffen steht unter dem Motto "Wege des Friedens". Es war am Sonntag im Beisein der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und von Europaparlamentspräsident Antonio Tajani eröffnet worden. Rund 5.000 Teilnehmer haben sich für das Programm angemeldet, das die Themen Flucht, Armut, Gerechtigkeit und Umweltschutz als Schwerpunkte hat. Am Dienstag wollen in Osnabrück Vertreter verschiedener Religionen für den Frieden beten. Bei einer Schlusskundgebung soll am Abend ein gemeinsamer Appell an die Welt gerichtet werden.
Das Friedenstreffen in Münster und Osnabrück mache deutlich, "dass es eine Kraft des Friedens gibt, die größer als Kraft des Hasses ist", sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode vor Journalisten am Rande des Treffens. Gerade in Zeiten, in denen Religionen häufig für Gewalt und Terror missbraucht werden, sei der interreligiöse Dialog mit Vertretern aus den Religionen wichtig. Dabei könne man den "Wille zum Frieden, auch von so unterschiedlichen Menschen auf der ganzen Welt" klar erkennen.
Quelle: Kathpress