Telefonseelsorge feiert 50-jähriges Bestehen
Mit einem großen Fest in Wien und einer noch bis Sonntag andauernden Tagung über die "Kunst des Zuhörens" hat die Telefonseelsorge Österreich ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Das kostenlos, österreichweit und rund um die Uhr unter der Nummer 142 erreichbare Angebot wird von der katholischen und evangelischen Kirche gemeinsam getragen - wobei die geschulten Mitarbeiter am Hörer allesamt ehrenamtlich tätig sind. Ein Festakt im Wiener Schottenstift am Freitagabend und ein anschließender Empfang im Wiener Rathaus würdigten diesen Einsatz.
Kardinal Christoph Schönborn dankte beim Auftakt der Tagung am Samstag den bundesweit 800 ehrenamtlichen Mitarbeitern für ihren "selbstlosen Einsatz von Mensch zu Mensch". Die gebührenfrei unter der Nummer 142 erreichbare Telefonseelsorge sei eine "erstaunliche Einrichtung", bei denen die Telefongespräche meist mit einem "Danke, dass Sie mir zugehört haben" endeten, hatte der Erzbischof schon am Freitag in der Tageszeitung "Heute" hervorgehoben.
"Viele berührende Begegnungen" inmitten von Krisen- und Problemsituationen kämen durch die Telefonseelsorge zustande, betonte Schönborn. "Da ruft beispielweise ein junger Mann um fünf Uhr früh an. Er fürchtet sich vor dem Bewerbungsgespräch, das ihm bevorsteht. Er hat schon viele Absagen erlebt. Es hat ihm gut getan, dass er einfach über seine Angst reden konnte. Eine alleinerziehende Mutter kommt mit ihren beiden heranwachsenden Söhnen an ihre Grenzen. Es hilft ihr, darüber reden zu können. Ein älterer Mann ruft an. Seine Frau ist vor kurzem gestorben. Eigentlich will er selber nicht mehr leben. Er erzählt, wie sehr er sie geliebt hat und wie schön sie war." Mit jemandem darüber zu reden, sei "traurig und tröstlich zugleich".
Ständiger Lernprozess
Die Ehrengäste-Liste beim Festakt verdeutlichte die ökumenische Trägerschaft des Seelsorgeangebotes: Sowohl Weihbischof Franz Scharl als auch die Superintendenten Hansjörg Lein und Thomas Hennefeld waren zugegen, Bischofsvikar Dariusz Schutzki als Vertreter des Priesternotrufes sowie der evangelische Bischof Michael Bünker, der in den 1980er-Jahren selbst Mitarbeiter der Telefonseelsorge war. Auch Vertreter des Sozialministeriums, der Stadt Wien und von Partnerorganisationen wie etwa dem Kriseninterventionszentrums überbrachten Glückwünsche.
Mit einem symbolischen Geschenk für je einen Telefonseelsorge-Mitarbeiter pro Bundesland wurde den bundesweit 800 hier ehrenamtlich Tätigen für ihren Einsatz gedankt. Gemeinsame Eigenschaften ihrer Mitarbeiter seien "Liebe zu den Menschen, gesunder Hausverstand, Bereitschaft zu lernen in einer Gruppe und sich selbst in Frage zu stellen", erklärte Marlies Matejka von der Wiener Telefonseelsorge gegenüber "Kathpress". Das gemeinsame Angebot der katholischen und evangelischen Kirche funktioniere zudem nur durch die absolute Verlässlichkeit, an 365 Tagen im Jahr - "auch am Heiligen Abend, zu Silvester und jeden Samstag und Sonntag", wie Matejka betonte.
Besonders hob Matejka auch die lange Dauer der Mitarbeit hervor, seien doch Telefonseelsorger durchschnittlich 15 Jahre dabei. Der Dienst sei ein "ständiger Lernprozess", beschrieb die Leiterin des Angebots einen möglichen Grund: "Man lernt dazu, durch den Austausch im Team und auch im Umgang mit den Anrufern, die einen manchmal an die eigenen Grenzen führen. Man lernt, mit Problemen anderer gut umzugehen, und gibt dieses Wissen weiter." Supervision und Weiterbildung habe es bei der Telefonseelsorge bereits bei ihrem Start 1967 gegeben.
Schutz vor Rückfällen
Speziell für die Gruppe psychisch kranker Menschen ist die Telefonseelsorge sehr wertvoll, erklärte Josef Schörghofer, Leiter der Psychosozialen Information der Stadt Wien, am Rande der Feierlichkeiten gegenüber "Kathpress". "Wer über längere Zeit an einer psychischen Krankheit leidet, befindet sich oft in sozialer Isolation, da viele Sozialkontakte wegbrechen. Eine niederschwellige Anlaufstelle, bei der man anrufen kann, nicht abgestempelt sondern ernst genommen wird, ins Gespräch kommt und gestärkt hervorgeht, ist hier besonders wichtig", so der Sozialexperte. Die Telefonseelsorge führe sogar zu einem klinisch messbaren Effekt von weniger Rückfällen.
Schörghofer würdigte besonders die Leistung der ehrenamtlichen Mitarbeiter am Hörer: Es gelinge ihnen oft, die Schwellenangst psychisch kranker Menschen vor der Psychiatrie zu nehmen und die Kontaktaufnahme anzubahnen. Damit werde die Telefonseelsorge für viele zum "ersten Schritt" in seelischer Not. Zugute komme den Mitarbeitern auch ihr umfangreiches Wissen über psychosoziale Angebote, welches auf regelmäßigen Informations- und Vernetzungstreffen sowie Schulungen beruht. "Sie können gut und treffsicher Empfehlungen abgeben", so der Leiter der Psychosozialen Information, der selbst als Supervisor eines Telefonseelsorge-Teams tätig ist.
Für die Zukunft ermutigte Schörghofer die Telefonseelsorge zu Öffentlichkeitsarbeit: Es sei wichtig, noch mehr im Gedächtnis der Bevölkerung präsent zu sein - "dass das Angebot kostenlos und österreichweit verfügbar ist", so der Experte, der bei der 50-Jahres-Feier im Schottenstift in einem Podiumsgespräch mit dem Psychiater Gernot Sonneck, Telefonseelsorge-Leiterin Marlies Matejka, sowie ehrenamtlichen Mitarbeitern und Ausbildnern teilnahm.
Quelle: kathpress