70 Jahre Laienseelsorger: Diözese Linz will mehr "Geh-hin-Kirche"
Seit 70 Jahren wirken in der Diözese Linz hauptamtliche Laien als Seelsorger, seit 40 Jahren begleitet vom Referat für Laientheologen. Ein Festakt im Linzer Ursulinenhof am Mittwoch sowie bereits tagsüber Stationen in der Linzer Innenstadt, bei denen die verschiedenen Seelsorgeberufe ihre Arbeit präsentieren, würdigten diesen Einsatz und luden zu Gespräch und Austausch ein. Die rund 400 theologisch geschulten Männer und Frauen im Dienst der Diözese seien eine "wesentliche Säule in der Gestaltung von Seelsorge", hieß es dazu bereits am Vortag in einer Pressekonferenz.
Aktuelle Herausforderungen an den Seelsorgeberuf skizzierte Brigitte Gruber-Aichberger, die zuständige Diözesandirektorin für die Pastoralen Berufe, vor den anwesenden Journalisten. "Wir müssen immer mehr dorthin gehen, wo die Menschen sind. Es braucht also statt einer 'Komm her'-Kirche eine 'Geh hin'-Kirche, die den Menschen nachgeht, sich einbringt ins Alltagsgeschehen und sich gestaltend in die Gesellschaft einbringt." Da es absehbar sei, dass die Zahl der Priester aufgrund deren Altersstruktur weiter abnehmen werde, werde die Diözese weiterhin eine große Zahl hauptamtlicher Laien in der Seelsorge brauchen. Wünschenswert sei es, sie künftig stärker auch für bestimmte, kirchenrechtlich erlaubte Bereiche wie Eheassistenz oder Tauferlaubnis einzusetzen.
Derzeit sind in der Diözese Linz 400 Frauen und Männer als nicht-priesterliche Seelsorger angestellt: "Als Pastoral- und Pfarrassistenten, als Jugendpastoral-Beauftragte im Dekanat, im Krankenhaus, Altenheim und Gefangenenhaus, als Begleiter von ehrenamtlichen Seelsorgeteams, in der Betriebsseelsorge und als Religionslehrkräfte", skizzierte die Zuständige für die Pastoralen Berufe das breite derzeitige Aufgabenfeld. Auch in den Lebensformen, Ausbildungswegen, Alter und Berufen sei das Bild der hauptamtlichen Laienseelsorger äußerst vielgestaltig.
Von Helferinnen zu Schlüsselfiguren
Pionierin für die Laienseelsorge war in der Diözese Linz Gertraud Scharmüller, die im September 1947 in Linz-St. Theresia - einer von Zuzug und der Nachkriegs-Aufbauarbeit gekennzeichneten Pfarre - als erste ausgebildete Seelsorgehelferin angestellt wurde. Scharmüller verteilte Hilfspakete und machte Hausbesuche, wurde wie ihre ersten Nachfolgerinnen am Seminar für kirchliche Berufe in Wien qualifiziert und als "Pfarrschwester" bezeichnet, denn sie musste sich auch zu ehelosem Leben verpflichten. Männer waren für den neu geschaffenen Beruf nicht zugelassen, berichtete Gruber-Aichberger rückblickend über die Situation in den Anfangsjahren.
Die Rahmenbedingungen änderten sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) schlagartig, als nun neben Priestern alle Getauften - Männer und Frauen - als Seelsorger angesehen wurden. In der Diözese Linz folgte dieser "Paradigmenwechsel" mit der Diözesansynode 1971/72, die eine Verstärkung der Seelsorgehelferinnen - ab 1973 aufgewertet unter der Bezeichnung Pastoralassistentinnen - beschloss. Die Ehelosigkeit war nicht mehr Bedingung und auch Männer abseits der Priesterlaufbahn wurden am Seminar für kirchliche Berufe zugelassen, zudem wurde das nun vermehrt auch von Laien gewählte Theologiestudium als weiterer möglicher Ausbildungsweg für Pastoralassistenten bzw. Religionslehrer anerkannt.
Als dritte Möglichkeit für die Ausbildung ist seither die Berufsbegleitende Pastorale Ausbildung Österreichs (BPAÖ) hinzugekommen. Hauptamtliche Seelsorger müssen glaubende Menschen sein, zur Selbstreflexion und Weiterbildung bereit und zur Empathie und zur "Kommunikation auf Augenhöhe" fähig, skizzierte Gruber-Aichberger Grundbedingungen für die Tätigkeit. Gefordert werde auch psychische Belastbarkeit, Bereitschaft zu flexibler Arbeitszeit und selbständiges Arbeiten. Was die Diözese im Gegenzug biete, seien vielfältige Aufgabenfelder, gute Entwicklungsmöglichkeiten und die Chance, eigene Begabungen und Zusatzqualifikationen zielgenau einzusetzen.
Konkrete Schritte gegen Ohnmacht
Einblicke in den Arbeitsalltag von Laienseelsorgern gaben Irmgard Sternbauer und Wolfgang Gratzl, Pfarrassistentin bzw. Pastoralassistent in der Pfarre Freistadt. Sternbauer beschrieb sich als Ansprechpartnerin von Fragen der Kirchenheizung bis zu persönlichen Sorgen, wobei sie in der Pfarre u.a. für Jugendarbeit, die Firmvorbereitung und den Jugendtreff, jedoch auch für Begräbnisgottesdienste oder die Vertretung der Pfarre bei gesellschaftlichen Anlässen zuständig sei. Ihre Arbeit sei zeitintensiv mit Abend- und Wochenendterminen, "denn Seelsorge kennt keine Bürozeiten", erklärte die nach eigener Beschreibung "leitende Pfarrseelsorgerin". Die ständige Erreichbarkeit mit dem Familienleben unter den Hut zu bringen, sei mitunter eine Herausforderung und erfordere "gute Vereinbarungen".
Seelsorger müssten "den ersten Schritt auf die Menschen zu machen", verdeutlichte hingegen Wolfgang Gratzl. Durch seine Tätigkeit als Pastoralassistent sei sein eigener Glaube "viel geerdeter geworden", zudem schätze er, sich "als ganzer Mensch einbringen" zu können. Besonderes Augenmerk seiner Tätigkeit seien die Jugendlichen, da er diese Altersgruppe oft als desillusioniert und mit "Ohnmachtserfahrungen" erlebe. Um ihnen zu vermitteln, dass sie selbst mitgestalten und verändern können, habe man die Jugendlichen zur aktiven eigenen Gestaltung und Mitarbeit bei der Renovierung des Jugendraums der Pfarre motiviert. Gratzl: "Jeden Handgriff haben wir selbst gemacht."
Quelle: kathpress