Bischof Zsifkovics: Müssen neue Perspektiven für Europa aufzeigen
Europa braucht aus Sicht des Eisenstädter Bischofs Ägidius Zsifkovics einen positiveren Diskurs über seine Zukunft. "Wir sollten nicht nur feststellen, welche es Mankos es gibt, sondern auch neue Perspektiven aufzeigen und in die Zukunft schauen", sagte Zsifkovics, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Europafragen zuständig ist, am Wochenende im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress am Rande des Zukunftsdialogs "(Re)thinking Europe" der Kommission der katholischen EU-Bischofskonferenzen (ComECE) im Vatikan. Wachsenden Nationalismen erteilte Zsifkovics eine klare Absage. Freilich sollte sich die Menschen aller Volksgruppen ihrer je eigenen Identität bewusst sein. "Eine gesunde Identität kann und muss in Europa ihren Platz haben", so der Bischof.
An der Dialogveranstaltung in Rom hatten seit Freitag rund 350 Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft aus allen 28-EU-Staaten teilgenommen. Am Samstag äußerte sich Papst Franziskus in einer Europa-Grundsatzrede vor den Teilnehmern, unter ihnen EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, die Europaparlamentspräsidenten Antonio Tajani und Mairead McGuiness. Den Kern der Veranstaltung bildeten aber nicht-öffentliche Workshops und Diskussionen, die offene Debatten über mögliche Brücken zwischen und innerhalb der Mitgliedstaaten beispielsweise in Fragen der Integration, die Lage der Demokratie in Europa und um das Wirtschaftssystem ermöglichen sollten.
"Europabischof" Zsifkovics zog ein positives Fazit. Das Dialogforum habe gezeigt wie wichtig das gegenseitige Aufeinanderhören ist. "Für mich war erhellend zu sehen, dass die Basis in Europa eigentlich willens ist, gemeinsam zu leben, und dass sie auch willens ist, dieses Europa gemeinsam zu bauen" - und dies trotz mancher "Störfaktoren", die zum Teil von der Politik genutzt würden, wie der österreichische "Europabischof" hinzufügte: "Wir sind aufgerufen, dort, wo wir sind, an Ort und Stelle, Europa im Kleinen zu bauen und die uns möglichen Schritte zu tun."
Europa kennzeichne auch in der Kirche eine große Pluralität und diese sollte man "nicht auf eine Stimme verengen", betonte Zsifkovics etwa mit Blick darauf, dass sich östliche und westeuropäische Bischofskonferenzen etwa in der Migrationsdebatte nicht immer einig sind. Es gebe im westlichen und im östlichen Teil Europas "sehr unterschiedliche Situationen und unterschiedliche Hintergründe". Man könne hier nur voneinander lernen. Notwendig sei "ein guter, gesunder Austausch und keine Hegemonie", sagte der Eisenstädter Bischof und ergänzte: "Natürlich müssen wir uns immer wieder auf die Grundlagen besinnen, die uns allen gemeinsam sind, und unsere christlichen Fundamente und Wurzeln bewusst und glaubwürdig in die Gesellschaft einbringen."
Die nächste Bundesregierung in Wien könne er nur "daran erinnern, dass gerade Österreich ein Land ist, in dem es immer viele Völker gegeben hat, viele Sprachen, viele Konfessionen und Religionen", antwortete der Bischof in dem Interview auf die Frage nach Erwartungen der Kirche beim Thema Europa in den laufenden Koalitionsverhandlungen. "Europa ist für uns nicht etwas, dass es erst zu entdecken gilt, sondern Europa ist bei uns voll angekommen", betonte Zsifkovics.
Sr. Mayrhofer: "Brückenbauen zwischen Ost und West"
Die Rolle Österreichs als Brückenbauer und Förderer des Gesprächs für das Miteinander von Ost und West betonte auch die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer, am Rande des Zukunftsdialogs über Europa im Vatikan. "Es geht um dieses Atmen mit zwei Lungenflügeln", sagte sie in einem Interview mit dem ORF in Rom. "Die Wahrnehmung der Christen im Osten hat Österreich schon immer als Brückenbauer hereingenommen. Die gute Kultur des Dialogs, dieses Hinhören aufeinander über Jahre, dieses Multikulti im Respekt miteinander zu leben, ist unser Auftrag, dieses ohne Angst aufeinander zugehen und zuhören", so Mayrhofer.
Aus den Wortmeldungen bei dem Kongress hörte sie ein "sehr kräftiges und zuversichtliches" Bekenntnis zu Europa - freilich "auch immer wieder verbunden mit berechtigter Kritik, ob Europa immer auch dort ist, wo die Menschen sind", so die Ordensfrau. Europa habe den Auftrag auf die konkrete Lebenslage der Menschen "hinzuschauen", und zwar auch außerhalb des eigenen Kontinents. "Wir sind weltweit voneinander abhängig, und dieses globale Denken ist mir ein ganz besonderes Anliegen."
Mayrhofer hat in ihrer Dialoggruppe vor allem eingebracht, was der Dienst der Ordensfrauen ist. "Wir Ordensfrauen haben an den Rändern unsere Mitte und unser Platz ist bei den Schwachen, den Vergessenen, den Zurückgelassenen. Von denen wurde immer wieder gesprochen, aber niemand hat gesagt, was man da konkret tun kann, wo man sich einsetzen kann." Viele Ordensfrauen arbeiteten mit Pflegebedürftigen, Migranten, Flüchtlingen und anderen Menschen in Not, vor allem Frauen, die etwa Opfer von Menschenhandel sind, erinnerte die Präsidentin der Frauenorden: "Und wenn wir uns einsetzen, fragen wir nicht, bist du Christ oder Muslim oder hast du sonst eine Religion, sondern wir fragen: Bist du in Not, dann sind wir da. Und das nicht nur in Europa, sondern weltweit. Ordensfrauen sind weltweit im Engagement für Benachteiligte."
Zu den Kontroversthemen beim Dialogforum habe die Frage der Interpretation des Glaubens gezählt. "Was ist katholisch? Wer interpretiert den katholischen Standpunkt? Das braucht Respekt, Toleranz und ein gemeinsames Suchen", sagte Mayrhofer. Auch die Frage, wie Kirche mit Nationalität umgehe, sei angesichts der momentanen Lage in Spanien sehr aktuell gewesen. Auch in anderen Ländern gebe es nationale Spannungen, erinnerte die Ordensfrau: "Kirchen müssen sich damit auseinandersetzen".
Quelle: kathpress