Reformationsjubiläum: Rückblick und Ausblick
Am 31. Oktober 2017 jährte sich zum 500. Mal die Veröffentlichung der 95 Thesen, die Martin Luther (1483-1546) der Überlieferung nach an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug und damit die Ablasspraxis der katholischen Kirche kritisierte. Es war dies zugleich die Geburtsstunde der Reformation, derer evangelische und katholische Kirche heuer gemeinsam gedachten - dies allein ist ein Akt ökumenischer Annäherung, galt Luther doch katholischerseits über Jahrhunderte als "der" Erzketzer schlechthin, der die folgenschwere konfessionelle Spaltung gebracht hat.
Luthers Anliegen war die Wiederherstellung einer dem Evangelium gemäßeren Kirche. Zentrale Voraussetzung dafür war seine Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche. Ursprünglich wurde der Reformationstag an unterschiedlichen Terminen gefeiert, etwa an Luthers Geburts- oder Todestag. Zur 150. Wiederkehr des "Thesenanschlags" 1667 setzte Kurfürst Georg II. von Sachsen den 31. Oktober als Gedenktag fest.
In Wien gedachten evangelische wie katholische Christen gemeinsam mit einem Festakt am 24. Oktober im Wiener Musikverein des Jubiläums. Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte die Ökumene in Österreich als "vorbildlich", auch Kardinal Christoph Schönborn und Bischof Michael Bünker lobten vor den rund 1.500 Gästen die erreichten Fortschritte im Dialog der Kirchen auf ihrem Weg zur Einheit.
Die österreichischen Diözesanbischöfe nutzten indes den Reformationstag - den 31. Oktober -, um die Gläubigen zu weiteren Schritten in der Ökumene zu ermutigen. So rief etwa der steirische Bischof Wilhelm Krautwaschl die Gläubigen zum gemeinsamen Bekenntnis aller Christen zu Jesus auf. Wenn die Christen dieses Bekenntnis ernst nehmen, Jesu Botschaft besser verstehen und glaubwürdig in der Gesellschaft verkünden wollen, dann sei das nur gemeinsam möglich.
Der Bischof predigte am 31. Oktober in der lutherischen Heilandskirche in Graz beim Festgottesdienst zum Reformationsfest. Es sei ein "Zeichen großen Vertrauens", wenn zu einem so "durch und durch evangelischen" Jubiläumstag ausgerechnet der katholische Bischof eingeladen wird, die Predigt zu halten, räumte Krautwaschl eingangs ein. Er danke "für dieses Vertrauen, das alles andere als selbstverständlich ist".
Er wolle Martin Luther u.a. dafür danke sagen, dass er "das Wort Gottes in die Hände des Volkes legte", sagte Bischof Krautwaschl mit einem Zitat von Papst Franziskus. Er erinnerte auch an eine ökumenische Jugendreise aus Deutschland zum Papst im Jahr 2016. Dabei habe Franziskus den katholischen und evangelischen Jugendlichen spontan die Frage gestellt: "Was ist besser, katholisch oder evangelisch?" Diese Frage habe die ökumenisch gesinnten jungen Leute irritiert. Der Papst habe aber gelacht und dann die Frage selbst in deutscher Sprache beantwortet: "Besser ist beides zusammen", also katholisch und evangelisch.
Bischof Krautwaschl zeigte sich in seiner Predigt auch überzeugt davon, dass es beim Bekenntnis zu Jesus nicht um ein "Match christliche Ökumene gegen Angehörige anderer Religionen geht oder um ein Match Gläubige gegen Menschen, die sich selbst als Agnostiker oder Atheisten bezeichnen". Wer Gottes Wort verstehen will, dürfe nicht nur in der Bibel blättern, sondern" muss auch hineinhorchen in das Leben der Menschen. Er wird jeden Menschen achten."
Tragische Ereignisse der Kirchenspaltung
Der Grazer Bischof sparte in seiner Predigt aber auch nicht die tragischen Ereignisse der Kirchenspaltung aus. Er erinnerte an Bischof Martin Brenner, der als steirischer Bischof vor vier Jahrhunderten im Auftrag und mit Hilfe des Landesfürsten Erzherzog Ferdinand unerbittlich gegen alles "Lutherische" in diesem Land vorgegangen sei. Er habe viele Evangelische mit inhumanen Mitteln zu einem fragwürdigen Eid genötigt, der sie in großer Zahl zumindest äußerlich der katholischen Kirche zurückbrachte. Denn wer weiterhin seinen evangelischen Glauben offen bekennen wollte, "musste unser Land verlassen, nicht nur Hab und Gut zurücklassen, sondern auch minderjährige Kinder. Wie groß mag der Schmerz in diesen Familien gewesen sein!"
Er schäme sich für das unmenschliche Vorgehen seines Vorgängers und "bitte um Vergebung für all das unsägliche Leid, das katholische Kirchenführer evangelischen Menschen in diesem Land angetan haben", so der Bischof wörtlich.
Er erinnerte zugleich daran, dass ungefähr zur selben Zeit, als Martin Brenner in der Steiermark wirkte, im lutherischen Schweden den Menschen verboten wurde, römisch-katholisch zu sein. 1617 habe König Gustav II. Adolf für Katholiken sogar die Todesstrafe eingeführt. Krautwaschl: "Ich erwähne das nicht, um Leid gegen Leid aufzurechnen. Das ist unmöglich. Ich benenne das, weil es zeigt, wie verblendet Christenmenschen aneinander gehandelt haben - vermutlich aus fester Überzeugung, das Richtige zu tun."
Ein ehrlicher Blick in die christliche Konfessionsgeschichte "tut uns gut und macht uns demütig", sagte der Bischof. Sein abschließender Appell: "Bleiben wir achtsam, bleiben wir offen füreinander, hören wir aufeinander, unterstützen wir einander in Demut mit den Gaben, die der Heilige Geist unseren Kirchen und Gemeinschaften und jedem und jeder Einzelnen von uns gegeben hat und gibt."
Bischof Elbs dankbar für Reformationsjubiläum
Dankbarkeit über das Reformationsjubiläum äußerte der Feldkircher Bischof Benno Elbs. In einem am 31.10. veröffentlichten Grußwort an die evangelischen Gemeinden in Vorarlberg würdigt der Bischof das "denkwürdige Ereignis '500 Jahre Reformation'". Elbs wörtlich an seine Adressaten: "Dankbar dürfen auch wir katholische Christen mit Ihnen Rückblick halten, denn Sie haben dieses Gedenkjahr ökumenisch angelegt und Initiativen gesetzt, die uns verschiedenste Persönlichkeiten Ihrer Gemeinden und evangelisches Leben in Vorarlberg näher gebracht haben."
Küng: Sehnsucht nach Kircheneinheit ist groß
Auch wenn es in den katholisch-evangelischen Beziehungen immer noch zahlreiche wesentliche offene Fragen gibt, etwa über das Verständnis des Priestertums, der Sakramente und der Kirche, sei die Sehnsucht nach Einheit groß. Das betonte der St. Pöltner Bischof Klaus Küng in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der St. Pöltner Kirchenzeitung "Kirche bunt". Die beiden Kirchen hätten "Grund zu Dankbarkeit und Freude", schreibt der Bischof anlässlich des Reformationstages (31. Oktober) bzw. des 500-Jahr-Reformationsjubiläums.
Heute spielten die gemeinsame Erfahrung der rasch fortschreitenden Säkularisierung eine große Rolle in der Ökumene, so Küng: "Wir spüren alle die Dringlichkeit aufeinander zuzugehen, auch für eine größere Wirksamkeit. Schon jetzt ist es angebracht, in allen Fragen, in denen es möglich ist, mit einer Stimme zu sprechen."
Zugleich zeigte sich der Bischof überzeugt: "Wir können voneinander lernen. Schon jetzt gibt es weltweit nicht wenige fruchtbare ökumenische Initiativen. Daher haben wir beim Gedenken der Reformation auch Gründe zu Freude und Dankbarkeit, und auch neue Hoffnung."
Caritas-Präsident in der Reformierten Erlöserkirche
Den gemeinsamen Auftrag der Kirchen, sich für mehr Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt einzusetzen, unterstrich Caritas-Präsident Michael Landau. Er predigte am Reformationstag beim Festgottesdienst in der Reformierten Erlöserkirche in Wien. "Christen dürfen nicht schweigen, nicht wegsehen, wo Menschen durch Menschen Unrecht geschieht. Wir gehören als Kirchen an die Ränder der Gesellschaft und des Lebens, damit das Evangelium konkret und die Liebe zur Tat wird", so Landau wörtlich. Und er fügte hinzu: "Not sehen und handeln, das ist ein gemeinsamer Auftrag heute und hier." So hätten die christlichen Kirchen zuallererst Armut konkret zu bekämpfen.
"Grundwasserspiegel des Vertrauens" stieg an
Eine durchwegs positive Bilanz zum Reformationsjubiläum haben am 31.10. auch Kardinal Christoph Schönborn und der lutherische Bischof Michael Bünker gezogen. Im vergangenen Jahr habe es in der Ökumene zwischen katholischer und evangelischer Kirche durchaus Fortschritte gegeben, hielten beide im ORF-Doppelinterview ("ZIB2 History" zum Reformationstag bzw. Jubiläum "500 Jahre Reformation") fest. Der "Grundwasserspiegel des Vertrauens" sei im Jubiläumsjahr gestiegen, so Bünker. Dafür gelte es dankbar zu sein.
Die katholische und evangelische Kirche seien sich in den vergangenen Jahren unvergleichlich näher gekommen als jemals zuvor, bestätigte Kardinal Schönborn. Die Kirchen hätten aus der Vergangenheit schmerzlich gelernt, "dass das Grundanliegen der Reformation das Grundanliegen jedes Christen sein muss. Diese Erkenntnis hat uns näher gebracht." Martin Luther wollte keine neue Kirche gründen sondern das Christentum erneuern, Und er habe die zentrale Frage nach einem gnädigen Gott gestellt, betonte der Kardinal. Diese Frage sei für Katholiken wie Protestanten gleich wichtig. Schönborn verwies in diesem Zusammenhang auch auf Papst Franziskus, der wie noch kein Papst zuvor die fundamentale Gemeinsamkeit von katholischer und evangelischer Kiche betont habe.
Zugleich sprachen sich der Wiener Erzbischof wie auch der lutherische Bischof gegen eine Ökumene aus, die in einer katholisch-evangelischen Einheitskirche ihr Ziel findet. "Wir wollen kein einförmiges Christentum", so Schönborn wörtlich. Eine Verschiedenheit, die nicht trennt, sondern eint, "tut gut".
Quelle: Kathpress