Syrischer Patriarch: Wien soll wie Budapest unserer Kirche helfen
Der syrisch-orthodoxe Patriarch Ignatius Afrem II. Karim wünscht sich von der österreichischen Regierung mehr Engagement im Syrien-Konflikt. Österreich könnte durch seine Neutralität eine wichtige Rolle spielen, "um zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln", so der Patriarch. Zugleich monierte er wörtlich: "Wir haben bislang nicht bemerkt, dass die österreichische Regierung darum sehr bemüht wäre, Frieden und Sicherheit in der Region zu schaffen. Wir würden ein stärkeres Engagement Österreichs sehr begrüßen." Der Patriarch äußerte sich in einem am Dienstag auf der Website der NGO "Christian Solidarity International-Österreich" (CSI-Ö) veröffentlichten Interview. CSI-Ö unterstützt u.a. einige Hilfsprojekte der Syrisch-orthodoxen Kirche in Syrien.
Lobende Worte fand Patriarch Afrem II. für Ungarn. Ungarn unterstütze - im Gegensatz zu den anderen westlichen Staaten - direkt die lokalen Kirchen im Nahen Osten und damit auch direkt die Christen in Not. Man müsse den Leuten im Westen erklären, "dass die Christen bzw. Kirchen, denen Hilfe zugutekommt, dann auch den Muslimen helfen". Wenn man aber Spenden etwa nur in Flüchtlingslager schickt, dann werde man damit in der Regel nicht einem einzigen Christen helfen, denn dort gebe es keine. Patriarch Afrem: "Wir sind nicht gegen die Hilfe für die Flüchtlingslager in Jordanien, der Türkei oder im Libanon. Aber wenn man darüber hinaus auch Christen helfen möchte, führt der Weg dazu nur über die lokalen Kirchen vor Ort."
Die "politische Korrektheit" in westlichen Staaten führe hingegen nur zu "neuen Ungerechtigkeiten", so der Patriarch, denn ein Resultat der Trennung von Kirche und Staat bestehe darin, "dass staatlichen Behörden nicht mehr mit der Kirche zusammenarbeiten können, weil das nicht mehr erlaubt ist". Ungarn habe mit diesen Vorgaben gebrochen, "zu unserem Vorteil und zum Wohl für sehr viele Menschen, die im Nahen Osten leiden; vor allem Christen, die oft diskriminiert werden. Ungarn hat sich klar auf die Seite der benachteiligten Christen gestellt."
Zur Frage nach seinen politischen Vorstellungen für Syrien sagte der Patriarch wörtlich: "Wir sehen unsere Zukunft in einem vereinten Syrien, einem Syrien mit starker Regierung und starker Armee. Alle Bürger sollen geschützt werden, einschließlich der Christen. Die Christen sollen verteilt im ganzen Land leben, nicht isoliert an bestimmten Punkten. Wir sehen unsere Zukunft gemeinsam mit den Muslimen."
Das sei freilich eine Vorstellung, die den syrischen Präsidenten Bashar Assad miteinschließt, so Patriarch Afrem: "Präsident Assad steht für Stabilität in Syrien. Uns Christen wurde während seiner Regierungszeit und der seines Vaters ein Leben in Freiheit ermöglicht. Das bedeutet nicht, dass Präsident Assad der beste Präsident der Welt ist. Aber er ist auch nicht schlechter als die meisten Präsidenten, Könige oder sonstige Herrscher im Nahen Osten. Wir sehen ihn als jemanden an, der das Land zusammenhält."
Das schließe aber politische Reformen nicht aus. "Politische Reformen sind wirklich notwendig und dafür sind wir auch offen", so der Patriarch, und weiter wörtlich: "Wir sollten statt der bewaffneten Opposition eine politische Opposition einführen. Wir wären die Ersten, die sich für eine solche politische Opposition aussprechen würden, für eine Reform unseres politischen Systems."
Assad sei aber jedenfalls fähig, "das Land vom Terror zu befreien", zeigte sich der Patriarch überzeugt: "Die restliche Welt sollte Assad helfen, das Land vom IS, al-Nusra und anderen fanatischen islamistischen Gruppen zu befreien. Diese Gruppen greifen nicht nur Syrien an, und auch nicht nur den Irak. Sie greifen Europa an und die Vereinigten Staaten. Und sie werden noch schlimmere Dinge machen, als sie es bis jetzt schon im Westen getan haben."
Lobende Worte kamen vom syrisch-orthodoxen Patriarchen zu Russland: "Natürlich sind wir nicht naiv und wissen, dass Russland seine eigenen Interessen hat. Aber die Russen helfen der syrischen Armee, den IS zu besiegen. Die russische Kirche spielt außerdem eine wichtige Rolle bei der Hilfe für die syrische Bevölkerung."
Syrisch-orthodoxe Christen in Österreich
Die Zahl der syrisch-orthodoxen Christen in Österreich wird auf bis zu 15.000 geschätzt. Es gibt drei Pfarrgemeinden in Wien. Darauf angesprochen meinte der Patriarch, dass die syrisch-orthodoxen Christen gut integriert seien:
Wir haben sehr gute Kontakte in Österreich. Ich persönlich habe auch eine gute Beziehung zu Kardinal Christoph Schönborn, wir haben uns schon öfters getroffen.
Von den Gemeinden in Wien erwarte er sich, "dass diese tatkräftig Unterstützung für unsere Gemeinden im Nahen Osten leisten". In diesen Zeiten bedeute das sowohl finanzielle Unterstützung, aber etwa auch Hilfe für Flüchtlinge.
Ganz allgemein sei er den Menschen in Österreich dankbar für ihre Gastfreundschaft gegenüber den Flüchtlingen. Aber die Österreicher sollten sich auch darüber bewusst sein, "wie unterschiedlich die Ansichten und Einstellungen der Flüchtlinge sind", warnte der Patriarch:
Viele muslimische Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind zweifellos friedliebende Gemäßigte. Doch eben nicht alle.
Er wolle die Menschen in Österreich zudem ermutigen, "ihren christlichen Glauben wieder stärker zu entdecken und diesen Glauben auch offen zu zeigen, anstatt sich dafür zu schämen oder Angst davor zu haben".
Patriarch Ignatius Afrem II. Karim steht seit 2014 der Syrisch-orthodoxen Kirche vor. Diese zählt weltweit bis zu sechs Millionen Gläubige. Der Sitz des Patriarchen befindet sich in der syrischen Hauptstadt Damaskus.
(Infos: www.csi.or.at)
Quelle: kathpress