Theologin: "Kirche ist nicht Partei, sie ergreift Partei"
"Wir brauchen uns als Kirche nicht zu scheuen, uns im politischen und sozialen Engagement auch als Korrektiv zur Gesellschaft zu verstehen - ohne dabei Angst zu haben, gleich wieder Mitglieder zu verlieren": Das sagte Anna Hennersperger, Direktorin des Seelsorgeamtes der Diözese Gurk-Klagenfurt, als Festrednerin der Martini-Festakademie am Wochenende in der Eisenstädter Wirtschaftskammer, über die die Diözese Eisenstadt berichtete. "Die Kirche ist nicht Partei, aber sie ergreift Partei", hielt Hennersperger wörtlich fest.
Die Kirche sei immer dann gefragt, wo es um Menschenrechte, um Wertschätzung vom Anfang des Lebens bis zum Ende oder um die Bewahrung der Schöpfung geht, betonte die Seelsorgeamts-Direktorin. Die Kirche solle sich somit nicht scheuen, ihre Überzeugungen deutlich zu artikulieren und entsprechend zu handeln. Dies gelte auch und gerade für politisch brisante Themen - von der Bioethik bis zur Arbeitslosigkeit, von der Einstellung gegenüber Schutzsuchenden bis zu Fragen einer gerechten Gestaltung der Globalisierung.
Das konkrete Engagement für die Schwachen und auf der Strecke Gebliebenen stehe im Zentrum des kirchlichen Zeugnisses. "Eine Kirche, die die 'Wunden der Welt' übersieht, kann nicht wirklich evangelisieren", so Hennersperger. Gerade Martin von Tours (um 316/317-397), der Landespatron des Burgenlandes, sei diesbezüglich bis heute ein Vorbild. "Dort, wo der heilige Martin war, wurde es heller und wärmer", so die Seelsorge-Verantwortliche der Diözese Gurk-Klagenfurt.
"Ehrenamtliche wollen mitentscheiden"
In ihrem Festvortrag ging Anna Hennersperger auch auf aktuelle gesellschaftliche Umbrüche ein - mit Blick auf die Situation der Pfarrgemeinderäte. Es sei schwieriger geworden, Menschen dafür zu motivieren, aus Gründen wie die gesteigerte Lebensgeschwindigkeit, der Zuwachs an Mobilität oder die mit dem Ehrenamt verbundenen Ansprüche: "Menschen, die sich engagieren, wollen entscheidend gestalten." Anerkennung und Wertschätzung, aber auch Partizipation bei Entscheidungsprozessen seien somit wichtige Motivationsquellen.
Den Neuen Pastoralen Weg der Diözese Eisenstadt bezeichnete Hennersperger als richtigen Weg in die Zukunft; die mit der Errichtung von Seelsorgeräumen verbundene Stärkung von Teilhabe und Mitverantwortung sei ein "guter Anstoß für Entwicklungen". Auch die Synergieeffekte, gemeindeübergreifende Initiativen und die leichtere Umsetzung größerer Projekte seien eindeutige Pluspunkte der pastoralen Neuausrichtung. "Das enge 'Kirchturmsdenken' wird dadurch aufgebrochen", so die Vortragende.
Pfarrgemeinderätinnen und -räte hätten eine hohe Bedeutung dafür, das kirchliche Leben vor Ort positiv zu gestalten. "Ihr habt den Nahbereich des Lebensraumes im Blick, deutet diesen im Lichte des Evangeliums und handelt entsprechend", wandte sich Hennersperger an das Publikum: "Ihr gehört zum Reichtum der Kirche am Ort."
Martin viel mehr als ein "Gansl-Patron"
Beendet wurde die Festakademie mit dem Grußwort von Diözesanbischof Ägidius J. Zsifkovics, der am Sonntag auch eine Martinifeier der Burgenländer in Wien leitete. Er verwies auf die Impulskraft des heiligen Martin für die heutige Lebens- und Glaubenswelt. Martinus sei ein Lehrmeister für die Schärfung eines zugleich realistischen wie empathischen Blickes auf die Welt und das Erkennen der Sorgen und Nöte anderer. Er sei zugleich ein Lehrmeister für eine offene Haltung gegenüber gesellschaftlichen Umbrüchen, denen man sich mit Kreativität und Einsatzfreude und ohne Festklammern an Überkommenem stellen müsse, so der Bischof. "Unser Diözesan- und Landespatron Martin ist viel mehr als ein gefälliger 'Gansl-Patron' für die Gastronomie. Sein Leben ist eine Anleitung, wie wir gerade heute den Wunden einer politisch, ökonomisch und ökologisch blutenden Welt begegnen können, um sie ein Stück besser zu machen."
Auch die konkreten Arbeitsschwerpunkte der Diözese Eisenstadt sollen sich laut Zsifkovics am heiligen Martin orientieren: Er nannte den Einsatz für die Jugend angesichts der von Papst Franziskus einberufenen Synode und die Ökumene mit dem Ziel der Einheit der Christen. Für Juli 2018 kündigte der Bischof eine ökumenische Pilgerreise als Diözesanwallfahrt nach Thüringen an, die sich auf die Spuren Martin Luthers und der heiligen Elisabeth von Thüringen begeben werde.
Martinsorden in Gold an Stephan Renner
Im Rahmen des Martinsfestes erhielt Stephan Renner, bisheriger Präsident der Katholischen Aktion (KA) in der Diözese Eisenstadt, den Martinsorden in Gold. Mit viel Engagement bekleidete Renner, vom Beruf Religionslehrer und Professor für Katechetik am Seminar für Kirchliche Berufe, an der Religionspädagogischen Akademie und an der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule, sein Amt als KA-Präsident. In seiner pädagogischen Tätigkeit begleitete er zahlreiche Studenten auch aus der Diözese Eisenstadt und engagierte sich als Vortragender des Katholischen Bildungswerkes.
Quelle: kathpress