Papst will "Harmonie und Frieden" in Bangladesch stärken
"Harmonie und Frieden": Unter diesem Motto besucht Papst Franziskus vom 30. November bis 2. Dezember Bangladesch. Die Bestärkung der interreligiösen Beziehungen und des Friedens unter den Religionen in dem 160-Millionen-Einwohner-Land in Südasien gilt als eines der wesentlichen Ziele der Reise. Laut Verfassung ist Bangladesch ein säkularer Staat, in dem jedoch der Islam Staatsreligion ist und die Christen nur eine verschwindend kleine Minderheit sind. In den vergangenen Jahren brachte das Erstarken islamisch-fundamentalistischer Strömungen und wachsender Terror das gesellschaftliche Miteinander zusehends unter Druck. Dagegen wird der Papst etwa mit einem interreligiösen Friedenstreffen in der Hauptstadt Dhaka am 1. Dezember ein deutliches Zeichen setzen.
Der Papstbesuch werde auf ein "harmonisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, den Reichtum der Kulturen und die Gastfreundschaft der Menschen" in Bangladesch verweisen, betonte der Erzbischof von Dhaka, Kardinal Patrick D'Rozario, im Vorfeld und machte auf Zeichen des Dialoges und der Verständigung in seinem Heimatland aufmerksam. Willkommen geheißen werde Papst Franziskus "von allen, nicht nur von den Christen - auch von den Muslimen und Hindus", sagte D'Rozario, der sich seit Jahren im interreligiösen Dialog engagiert. Grund sei der enorme kulturelle Reichtum des Landes sowie die allgemeine Anerkennung der Präsenz katholischer Gläubiger; ebenso würden auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften von allen respektiert.
Neun von zehn Bangladescher sind sunnitische Muslime. Hindus, deren Bevölkerungsanteil seit Jahrzehnten sinkt, machen etwa acht Prozent, Buddhisten kaum ein weiteres Prozent der Bevölkerung aus. Die Zahl der Christen im Land beläuft sich nach Schätzungen auf etwa eine halbe Million, die Mehrheit davon sind Katholiken.
Wie in vielen Ländern hat der dominierende Islam auch in Bangladesch mehrere Gesichter. Weit verbreitet ist ein volkstümlicher Islam, in dem sich bis heute viele aus dem Buddhismus und Hinduismus eingeflochtene Bräuche und Vorstellungen finden. Der Sufismus hat als eine mystische Richtung des Islam viel Einfluss in der Bevölkerung. Genau so gibt es strikt orthodoxe Islamvertreter, die sich in Glaubens- und Lebensführung an die Scharia halten. Seit den 1980-er Jahren wächst der Einfluss islamischer Fundamentalisten, was u.a. damit zu tun hat, dass wesentliche Teile der Politik zum Machterhalt auch auf die Unterstützung radikaler islamischer Gruppen setzen.
Islam und Säkularismus
Dazu ein Blick in die Geschichte Bangladeschs: Nach der britischen Kolonialzeit war das Land zwischen Indien und Myanmar zunächst eine pakistanische Provinz mit der Bezeichnung "Ostpakistan". 1971 wurde es nach einem Krieg unabhängig. In der ersten Verfassung Bangladeschs aus dem Jahr 1972 verankerte man neben Demokratie, Nationalismus und Sozialismus auch den Säkularismus als Staatsprinzip. Das Land sollte nach den Worten des Staatsgründers Mujibur Rahman (1920-1975) eine "Heimstatt für Muslime, Hindus, Buddhisten und Christen" sein.
Schon 1975 wurde Rahman bei einem Militärputsch ermordet, mehrere aufeinander folgende Militärregime übernahmen die Macht. General Ziaur "Zia" Rahman (1936-1981) ersetzte den Verfassungspassus zum Säkularismus 1977 durch die Formulierung "Absolutes Vertrauen und der Glaube an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein". 1988 erklärte Militärmachthaber General Muhammad Ershad den Islam offiziell zur Staatsreligion, um sich den Rückhalt von Islamisten zu sichern, was die Lage der religiösen Minderheiten im Land verschlechterte.
Frauen an der Macht
Seit 1991 gibt es ein demokratisch-parlamentarisches System, das allerdings von Familiendynastien geprägt ist. Politisch stehen sich zwei Frauen als Führungsfiguren gegenüber, die sich seit den 1990er Jahren im Amt der Regierungschefin abwechseln: Die aktuelle Premierministerin Hasina Wajed (70) - Tochter von Staatsgründer Mujibur Raman - mit ihrer Partei "Awami League" (AL) sowie Oppositionsführerin Khaleda Zia (72) - Witwe des 1981 ermordeten General Zia - von der "Bangladesh Nationalist Party" (BNP).
Hasinas AL, die seit 2009 mit Verfassungsmehrheit regiert, bekannte sich Ende der 2000er Jahre zur Wiederaufnahme des Säkularismus in die Verfassung. 2010 verfügte der Oberste Gerichtshof die Aufhebung der Verfassungsdekrete General Zias aus den 70ern. Damit wurde auch der Säkularismus der ursprünglichen Verfassung von 1972 wieder staatliches Grundprinzip. Die späteren Bestimmungen zum Islam als Staatsreligion blieben freilich ebenso erhalten. In einem neuerlichen Verfassungszusatz wurde lediglich festgehalten, dass der Staat Sorge dafür tragen wird, dass alle Religionen - explizit genannt werden Hinduismus, Buddhismus und Christentum - gleichen Status und gleiche Rechte genießen.
2015 lehnte das oberste Gericht den Antrag eines hinduistischen Anwalts zur Abschaffung des Status des Islam als Staatsreligion ab. Die Verfassung garantiere die Religionsfreiheit, hieß es in dem Urteil.
Blutige Attentate
Berichte über Gewalt gegen religiöse Minderheiten gab es immer wieder. Seit 2012 hat die Zahl der Gewalttaten islamistischer Gruppen gegen Christen, Hindus und Buddhisten sowie die muslimischen Minderheiten der Schiiten und Ahmadiyya stark zugenommen. Atheisten, säkulare Blogger, liberale Muslime und auch christliche Priester wurden Opfer von Attentaten. 2012 wurden im Bezirk Cox's Bazar 12 buddhistische Tempel und Klöster sowie 50 Häuser von Buddhisten zerstört. Auch Hindus sind immer wieder Ziel von Angriffen. Zur Verhinderung von Anschlägen als Rache für die gewaltsame Vertreibung von Hunderttausenden muslimischen Rohingya aus Myanmar, die in Bangladesch Zuflucht gefunden haben, stehen in den großen Städten buddhistische Tempel unter Polizeischutz.
Schon 2016 gab es einen blutigen Terroranschlag auf ein bei Ausländern und wohlhabenden Bangladeschern beliebtes Restaurant in Dhaka, zu dem sich die IS-Terrormiliz bekannte. Nach dem Attentat schickte die Regierung auch Militär in die Kirchen-Gemeinden, um kirchliche Mitarbeiter zu schützen, berichtete der Missionar Pater Gabriel Amal Costa, der in Bangladesch die Arbeit des Päpstlichen Institut für die auswärtigen Missionen (PIME) koordiniert, jüngst in einem Radio-Vatikan-Interview. Heute habe sich die Lage zwar beruhigt, bei großen Feiern wie Weihnachten oder Ostern gebe es allerdings immer Soldaten vor den Kirchen.
Dritter Papstbesuch
Die Präsenz der katholischen Kirche in Bangladesch geht auf das Wirken portugiesischer Missionare im 16. Jahrhundert zurück. Bis heute sind portugiesische Namen wie Gomes oder Rozario die häufigsten katholischer Familien. Mit Franziskus kommt nun zum dritten Mal ein Papst. 1970, noch vor der Unabhängigkeit von Pakistan, war Paul VI. (1963-78) in Dhaka zu Gast. Als Papst Johannes Paul II. (1978-2005) das Land 1986 während einer Asien- und Ozeanienreise besuchte, sprach er die katholische Minderheit als "kleinen Herde" an.
Nach kirchlichen Angaben sind etwas mehr als 350.000 Bangladescher katholisch. Seit Frühjahr 2017 gibt es neben der Hauptstadt-Erzdiözese Dhaka mit Chittagong eine zweite Erzdiözese. In den insgesamt acht Diözesen amtieren neun Bischöfe und Weihbischöfe. In den Pfarren und der Pastoral arbeiten 350 Priester, 1.200 Ordensfrauen und 100 Ordensbrüder.
Interreligiös ist die katholische Kirche in einem gemeinsamen Forum u.a. mit Hindus und Buddhisten aktiv, im ökumenischen Forum christlicher Kirchen von Bangladesch hat Kardinal D'Rozario den Vorsitz inne. Gemeinsam bieten die Diözesen auch regelmäßig spezielle Trainings und Programme an, bei denen Priester und Laien für den interreligiösen Dialog ausgebildet werden.
Trotz ihrer Kleinheit hat die Kirche gesellschaftlichen Einfluss, gerade auch wegen ihrer sozialen Tätigkeiten im überbevölkerten und trotz mancher wirtschaftlicher Fortschritte immer noch sehr armen Bangladesch. Schulen, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen sorgen dafür, dass die Katholiken eine weit über die Größe ihres Bevölkerungsanteils hinausgehende Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Auch die Caritas Bangladesch trägt mit Gesundheitsprogrammen und Trinkwasserprojekten zur Entwicklung des Landes bei und hilft nicht zuletzt auch bei Naturkatastrophen wie den Bangladesch immer wieder heimsuchenden Wirbelstürmen.
Quelle: kathpress