Klimaforscherin: "Dominante Wirtschaft verhindert Umweltschutz"
"Die Dominanz der Wirtschaft, besonders der Finanzwirtschaft, gegenüber der Politik verhindert einen wirksamen Umweltschutz" und "führt in Folge zu großen sozialpolitischen Verwerfungen": Darauf hat die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb bei einem Vortrag in Wien hingewiesen. Deutlich werde eine solche "Unterwerfung der Politik unter die Technologie und das Finanzwesen" etwa an der "Erfolglosigkeit der Weltgipfel über Umweltfragen", so die Klimaforscherin. Sie appelliert zugleich an die Kirchen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich noch viel stärker für ein gesellschaftliches Umdenken einzusetzen.
Kromp-Kolb plädierte für eine "Wachstumsverlangsamung in den Industriestaaten, um armen Staaten mehr Entwicklungschancen zu bieten". Negativ wirke sich eine von den reichen Ländern ausgelöste Erderwärmung nämlich vor allem auf arme Länder aus. "Die Menschen in den Entwicklungsländern sind viel stärker als wir in den Industrieländern betroffen", sagte die Klimaforscherin. Sie warnte in diesem Zusammenhang etwa vor einem "Verlust riesiger Landflächen" in den kommenden Jahren etwa in Bangladesch oder im Nildelta, wo etwa 50 Prozent der Bevölkerung weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel lebten. Beispiel hierfür sei aber etwa auch Syrien: "Dort waren von der Dürre in den Jahren 2006 bis 2011 60 Prozent des Landes betroffen, was zu Ernteeinbußen oder Herdendezimierungen führte", legte die Klimaforscherin dar und nahm gleichzeitig die Europäische Union in die Verantwortung, "von der ich dazu noch nicht viel gehört habe".
Vom naturwissenschaftlichen Zugang her sei der Klimawandel keine Glaubensfrage, unterstrich Kromp-Kolb. Die Erderwärmung sei im "linearen Trend ab 1970 um 1,07 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gestiegen. Die wetterbedingten Schäden würden deutlich zunehmen. "Es wird Zeit", so die Klimaforscherin, "dass die Naturwissenschaftler anfangen, an das zu glauben, was sie wissen". Man könne jedenfalls sagen, "der Mensch ist das Opfer und der wesentliche Treiber des Klimawandels", so Kromp-Kolb. Sie wies zugleich auch auf die Dringlichkeit hin, die Erderwärmung nicht um mehr als 2 Grad ansteigen zu lassen. Nachsatz:
In Österreich haben wir noch nicht angefangen, das umzusetzen, was wir zugesagt haben.
Die UNO habe mit den Sustainable Development Goals (SDG) 17 nachhaltige Entwicklungsziele beschlossen, sagte Kromp-Kolb. OKDabei geht es grundsätzlich um zwei Agenden: "Ein gutes Leben für alle und die Einhaltung der ökologischen Grenzen." Die Herausforderung liege darin, beide Aspekte synergetisch zu verfolgen und nicht gegeneinander auszuspielen. Eines sei dabei klar:
Eine Wirtschaft, die ständig wachsen muss, kann nicht nachhaltig sein.
Papst Franziskus habe in der Enzyklika "Laudato si" dargelegt, dass die aktuelle Lebensweise der Menschheit "selbstmörderisch" sei. Der Rhythmus des Konsums, der Verschwendung und der Veränderung der Umwelt habe die Kapazität des Planeten derart überschritten, dass der gegenwärtige Lebensstil nur in Katastrophen enden könne, zitierte die Klimaforscherin den Papst.
Auf die Frage, was Glaubensgemeinschaften zur notwendigen Umkehr beitragen können, meinte Kromp-Kolb: "Zwölf österreichische Universitäten wollen von sich aus gemeinsam ein Papier erstellen, was Österreich und seine Regierung tun kann. Ähnliches könnten auch die in Österreich tätigen Glaubensgemeinschaften erzeugen. Es braucht etwas, was Aufbruchsstimmung schafft. Wir brauchen etwas, wo alle an einer gemeinsamen Vision arbeiten". Denn: "Wir müssen Optimisten sein. Für Pessimismus ist es zu spät."
Die Veranstaltung im Otto Mauer Zentrum wurde vom Katholischen Akademikerverband der Erzdiözese Wien und der ökumenischen Initiative Weltgebetstag der Frauen organisiert.
Quelle: kathpress