Migration für Karim El-Gawhary "eine Frage des Managements"
"Die Realität treibt uns in der Migrationsfrage in den letzten Jahren vor sich her": Deshalb ist es nach den Worten von Karim El-Gawhary sinnvoller, dass sich die Politik damit befasst, wie mit Wanderungsbewegungen bestmöglich umzugehen ist und nicht, ob diese stattfinden. In seinem Impulsvortrag im Rahmen der "MigrationsDialoge" im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil schilderte der Journalist und Nahost-Experte am Montag aus seinem Alltag als ORF-Korrespondent in Kairo. Er plädierte für eine vernünftige Diskussionskultur jenseits von Rassismus und "rosaroter Willkommenskultur". Letztlich sei Migration "eine Frage des Managements", meinte El-Gawhary.
"Die Flüchtlinge verschwinden hierzulande aus den Schlagzeilen, weil sie nicht mehr über die Balkanroute kommen", so die Beobachtung des mehrfachen Buchautors. Dabei machten sich immer noch Menschen über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa; allein im vergangenen Jahr seien 4.000 Menschen bei diesem Versuch ums Leben gekommen. "Die Leute sterben aber auch in der Wüste, in den libanesischen Bergen und in den Flüchtlingslagern", sagte El-Gawhary. Von den Medien würden derlei Tragödien wenig bis gar nicht aufgegriffen.
Mehr als 60 Millionen Menschen weltweit sind nach den Worten des Journalisten derzeit auf der Flucht. Die humanitäre Situation in Krisengebieten wie Syrien verschlimmere sich zusehends: 13 Millionen Menschen befänden sich in einer akuten Notsituation. Sogar Krankenhäuser und Schulen werden bombardiert, "die Regeln des Krieges scheinen außer Kraft gesetzt", so der Leiter des ORF-Büros in Kairo.
Fehlende Schulbildung als "Zeitbombe"
Seit 2010 seien 300 Prozent mehr Kinder in Kriegsgebieten verstümmelt oder getötet worden, nannte El-Gawhary eine weitere Schreckenszahl. Schaffen sie es mit ihren Familien in den Libanon, in die Türkei oder nach Jordanien, bleibe ihre Zukunft ungewiss: Die Einschulungsraten im Libanon und in der Türkei lägen bei nur 40 Prozent - "eine Zeitbombe", wie El-Gawhary befand:
Eine ganze Generation, die ihr Land wieder aufbauen sollte, geht nicht zur Schule und ist daher leicht manipulierbar und radikalisierbar.
Für den Nahost-Experten stellt sich die Frage nach einem nachhaltigen, länderübergreifenden Migrationsmanagement. Europa werde in den kommenden Jahrzehnten an der Frage nach der Bewältigung der Migrationsbewegungen gemessen werden, ist sich El-Gawhary sicher: "Es wird sich zeigen, ob Europa an dieser Frage wächst oder scheitert."
Der studierte Islam- und Politikwissenschaftler Karim El-Gawhary sprach im Rahmen der mittlerweile fünften Ausgabe der "MigrationsDialoge". Die Veranstaltungsreihe findet im Rahmen des Universitätslehrgangs Migrationsmanagement und in Kooperation mit dem Land Salzburg, dem Integrationsreferat, der Universität Salzburg und dem Österreichischen Integrationsfonds statt.
Quelle: kathpress