Tauran, Bartholomaios, KAICIID: Respekt vor anderen bringt Friede
Katholische, orthodoxe und muslimische religiöse Führungspersönlichkeiten sowie hochrangige Vertreter der Diplomatie der UNO, Österreichs, Spaniens und Saudi-Arabiens haben am Montagvormittag in Wien die II. High-Level-Konferenz des KAICIID-Dialogzentrums begonnen. Thema ist "Interreligiöser Dialog für den Frieden: Die Förderung der friedlichen Koexistenz und der gemeinsamen Bürgerschaft". Ziele sind die Erstellung eines gemeinsamen "Aktionsplans" gegen Missbrauch der Religion und zur Wiederherstellung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sowie die Errichtung neuer regional/nationale "Plattformen der Religionsführer" in Konfliktstaaten, wie sie bereits in Zentralafrika, Nigeria, Libanon und Myanmar bestehen - maßgeblich mitinitiiert vom KAICIID.
Der Präsident des Päpstlichen Dialogrates, Kurienkardinal Jean-Louis Tauran, sandte eine Botschaft, die von seinem Sekretär, Bischof Miguel Ayuso, verlesen wurde. Tauran stellte die Enzyklika "Pacem in terris" von Johannes XXIII. und seine Aktualisierung zu ihrem 40. Jahrestag durch Johannes Paul II. in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Friedliche Koexistenz sei möglich, und die Kirche werde nicht müde zu wiederholen, dass sie geboten sei. "Sie muss auf vier Pfeilern aufgebaut werden - nämlich auf der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und der Freiheit", so der Kardinal.
Das Christentum lehre, dass Gott die Liebe sei. "Der Respekt ist ein anderer Name für Liebe", erläuterte Tauran. Die katholische Kirche habe 1962-65 im Konzil klargestellt, dass Respekt den nichtchristlichen Religionen gegenüber geboten sei, denn sei enthielten Elemente des Guten. Für Papst Franziskus sei Voraussetzung für Frieden, dass es eine globale "culture of inclusiveness" (Kultur der Inklusivität) gebe, was Menschen anderer Ethnien, Rasse oder Religion betreffe, so der Kardinal im Blick auf die kirchliche Friedenslehre. Wie viele andere Redner auch, stellte er - bzw. Bischof Ayuso - klar, dass Religion nicht das Problem sei, sondern ein Teil der Lösung.
Das orthodoxe Kirchenoberhaupt, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., beklagte, dass auch 70 Jahre nach Verabschiedung der UN-Menschenrechtserklärung zur Religionsfreiheit in 30 Ländern religiöse Verfolgung weiter auf der Tagesordnung sei. "Einer von zwölf Christen auf der Welt leidet an einem hohen Grad religiöser Repression", so Bartholomaios. Das bloße Gewähren von Toleranz sei nicht ausreichend: "Wer 'toleriert', der achtet den anderen als geringer als sich selber. Liebe ist mehr als Toleranz. Sie ist Respekt." Dialog sei demzufolge eine "Geste des Respekts".
Die Kraft dazu komme aus Glaube, Gebet und aus einem täglichen Ringen um das Guten. "Das alles lässt sich als 'Religion' zusammenfassen." Sie sei eine große spirituelle Kraft. Religiöse Gewalt ist laut Bartholomaios demgegenüber "Ausdruck von morbider Religiosität".
Jugend soll motiviert werden
KAICIID-Generalsekretär Faisal Bin Muammar rief dazu auf, jeden Versuch energisch zurückzuweisen, Religion für Gewalt zu missbrauchen.
Unser Ziel ist es, mit den jeweiligen gemäßigten Mehrheiten gemeinsam besonders die Jugend zu motivieren, andere ethische oder religiöse Gruppen zu akzeptieren und mit ihnen zu kooperieren. Ein wichtiges Tool sind dabei die Sozialen Medien.
Der Generalsekretär des Wiener Außenministeriums, Michael Linhart, sagte, der Dialog mit den religiösen Kräften bekomme in der Politik einen immer größeren Stellenwert. Die Republik Österreich wisse es zu schätzen, dass dass KAICIID dabei entscheidende Impulse gebe. Das Zentrum bemühe sich, Friede, Versöhnung und und Respekt zu fördern.
Linhart verwies auch auf den in Österreich institutionalisierten Dialog mit den 16 anerkannten Religionsgemeinschaften. Vom Außenministerium initiiert worden sei auf EU-Ebene die "Vienna Group", deren Fokus auf Menschenrechten und Religonsdialog liege.
Der saudische Vize-Außenminister Nizar Madani sagte, mit der Verurteilung und der Bekämpfung der religiös motivierten Gewalt müsse der Diskurs gegen die Gewalt Hand in Hand gehen. Nicht zu unterschätzen sei dabei die "soft power of wise people".
Die spanische Spitzendiplomatin Belen Alfaro, die die "Alliance of Civilizations" koordiniert, betonte, dass Terrorismus nicht mit "dem Islam" verwechselt werden dürfe. Sie verwies auf das Treffen der abrahamitischen Religionen - Juden, Christen, Muslime - in Alicante 2016. In der eindrucksvollen "Alicante Declaration" sei es sehr stark um Bekämpfung von Stereotypen und falschen Bildern über den jeweils anderen gegangen.
Nahost-Religionsplattform
Bei der Konferenz wolle die 23 hochrangigen Religionsführer eine Plattform für den Dialog zwischen den Religionen gründen, die in die gesamte Nahost-Region wirken soll. Gründungsmitglieder der Plattform sind u.a. Sheikh Shawki Ibrahim Allam und Sheikh Abdullatif Derian (Großmuftis Ägyptens und des Libanon), Kardinal Bechara Boutros Rai (Patriarch der maronitischen Kirche), Tawfeeq bin Abdul Aziz Al Sediry (Vize-Minister für Islamische Angelegenheiten Saudi-Arabiens), Tawadros II (Papst-Patriarch der Koptischen Orthodoxen Kirche), Sheikh Muhammad Hussein (Großmufti von Jerusalem und Palästina), Patriarch Yohanna Yazigi (griechisch-orthodoxer Patriarch von Antiocha), Sheikh al-Aql Naim Hassan (Oberhaupt der Gemeinschaft der Drusen im Libanon) und Andrea Zaki (Oberhaupt der Protestanten in Ägypten).
Die Plattform ist ein Ergebnis mehrjähriger Bemühungen: Am Anfang stand ein erstes Gipfeltreffen in Wien: 2014 lud das KAICIID zur Konferenz "Vereint gegen Gewalt durch Religion". Das Treffen stand unter dem Eindruck der Kriege in Syrien und im Irak und dem Missbrauch der Religion in diesen Konflikten. Die versammelten religiösen Führer der arabischen Welt beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln, um dagegen wirksam aufzutreten. Sie verabschiedeten die "Vienna Declaration", die sich strikt gegen Gewalt als Mittel der Religion wendet.
Das KAICIID hat seitdem über 400 junge führende Religionsvertreter aus den Ländern der Region, etwa Ägypten, Irak, Libanon, Marokko, Syrien und Tunesien ausgebildet. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind seitdem in eigenen Dialog- und Friedensinitiativen aktiv. Sie werden in Zukunft auch verstärkt in den sozialen Medien für Dialog auftreten. So entstand durch das Engagement des KAICIID auch das erste Netzwerk von religiösen Universitäts-Fakultäten in der arabischen Welt.
Quelle: kathpress