Ordensgemeinschaften: Vielfalt stört nicht, sondern stärkt
Angesichts einer Gesellschaft, die "nivelliert wird auf das Immer-Gleiche" und dabei "das Andere verliert", rufen die Ordensgemeinschaften Österreichs zu einer "Kultur des verschiedenen Miteinanders" auf. Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden, Michael Prohazka, Abt des Stiftes Geras, die Organisationsberaterin Hemma Rüggen und der Geschäftsführer des Bildungszentrums Kenyongasse, Martin Pfeiffer, zeigten am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Wien unter dem Motto "Vielfalt stärkt" auf, dass Vielfalt stärkt und nicht stört.
Angesichts der momentanen politischen Landschaft, die Vielfalt "eher negiert" und als "störend" empfindet, sei es Aufgabe jeder Ordensgemeinschaft, Beispiele zu liefern, die das Gegenteil zeigen, fand Abt Prohazka klare Worte. Aktuell nehme die Angst vor Vielfalt bei vielen Menschen zu, "die immer dann auftritt, wenn der Eindruck entsteht, die Gesellschaft bricht auseinander". Dieser Angst gelte es sich zu stellen.
Im Stift Geras ist Vielfalt schon seit Jahren Thema. Immer wieder leben dort Patres aus verschiedenen Kontinenten, aktuell sind es zwei Priester aus Nigeria. Die sich daraus ergebende Vielfalt der Mentalitäten sei zugleich Herausforderung und großer Gewinn. Vielfalt lebt der Orden auch im Blick auf Liturgie und Riten. "Wir sind ein Kloster, das bewusst seit Jahren die Vielfalt der Riten fördert", so der Ordensmann. Das Stift verfügt über eine ostkirchliche Kapelle, in der Liturgien im byzantinischen Ritus gefeiert werden.
Für Sr. Beatrix Mayrhofer ist "Vielfalt in der Einheit" das Grundprinzip des Christentums. "Wir sind von unserem Gottesbild her aufgefordert, ja ermutigt, Vielfalt zu leben und Einheit zu suchen", so die Ordensfrau. Fruchtbar werde Vielfalt dann, wenn in einer gemeinsamen Entscheidungsfindung ein Ziel fixiert wird, das zusammenhält.
Es geht nicht darum, dass wir viele sind, sondern dass wir gemeinsam einen Antrieb, einen Impuls haben.
Kein "von oben nach unten"
Richtschnur für diese Art der Entscheidungsfindung sei die seit Jahrhunderten gelebte Praxis der Ordensgemeinschaften, Entscheidungen im Gespräch zu entwickeln. "Wir ringen so lange miteinander um eine gute Entscheidungsbasis, bis wir eine Entscheidung treffen können, die von allen mitgetragen und unterstützt wird", erläuterte die Ordensfrau. Dabei gehe es nicht um ein "einfaches von oben nach unten", sondern um ein gemeinsames Suchen. Eine solche Entscheidungsfindung sei zeitraubend und verlange ein hohes Maß an Selbstlosigkeit, denn es gehe nicht um das Wohl des Einzelnen, sondern um eine gemeinsames Suchen nach dem, das für alle Beteiligten gut ist.
Von Vielfalt geprägt seien auch die Frauenorden in Österreich an sich, seien ihre Gründungen doch immer eine "Antwort auf eine konkrete Not" gewesen, betonte Sr. Mayrhofer.
Ordensgemeinschaften sind immer eine Liebesantwort auf die Not der konkreten Zeit. Und zwar in der konkreten sozialen Arbeit, aber auch als tiefere Antwort auf die Not der Menschen überhaupt.
Vielfalt ermöglicht "neue kreative Lösungen"
Für die Organisationsberaterin Hemma Rüggen ermöglicht Vielfalt "ganz neue kreative Lösungen". Eine Gemeinschaft wachse gerade an der Vielfalt der Perspektiven und der unterschiedlichen Meinungen. Nützlich werde Vielfalt dann, "wenn wir miteinander etwas zu einem Gemeinsamen betragen wollen und uns als Teil eines größeren Ganzen verstehen", so die Organisationsberaterin, die im "CoHousing-Wohnprojekt Pomali" lebt. Wichtig sei dabei, "dass wir unsere Meinungen und Perspektiven immer als begrenzt und nur als eine Perspektive verstehen, dass wir die anderen sogar brauchen, damit die Lösung ganz wird".
Das gelte auch für Unternehmen und die Gesellschaft: "Die Probleme sind so komplex und die Welt so dynamisch und unüberschaubar geworden, dass wir die Herausforderungen längst nicht mehr alleine lösen können. Wir brauchen die Vielfalt und wir brauchen die Einsicht, dass wir die Beiträge aller brauchen, damit wir überleben."
Vielfalt auch in der Schule
Wie Vielfalt auch im Bildungsbereich Platz hat, erläuterte der Geschäftsführer des Bildungszentrum Kenyongasse und Vorstand der "Vereinigung Katholischer Kindertagesheime" (KKTH), Martin Pfeiffer. "Vielfalt ist unsere Stärke" lautet der Leitsatz im Bildungszentrum Kenyongasse, in dem rund 1.900 Schüler, "die in allen Facetten gemischt sind", lernen.
Diesen Leitsatz gelte es im Schulalltag umzusetzen, hob Pfeiffer hervor. Betrieben wird das Zentrum von den "Schwestern vom Göttlichen Erlöser". Insofern könne man sich auf eine langjährige Tradition stützen, konkret auf das Leben und Wirken der Gründerin der "Schwestern vom Göttlichen Erlöser", Mutter Alphonsa Maria, die sich Ende des 19. Jahrhunderts um die Einheit von Katholiken und Protestanten bemühte. "Darauf berufen wir uns als Bildungszentrum. Wenn wir das nicht ernst nehmen, würden wir den Ordensauftrag nicht berücksichtigen", betonte der Geschäftsführer.
Quelle: kathpress