Mitinitiator Pfarrer Schüller blickt auf "Lichtermeer" zurück
Das "Lichtermeer" am Wiener Heldenplatz vor 25 Jahren hat zu einem "vollständigerem Österreich-Bild" beigetragen und wirkt bis heute nach, wenngleich sich die damalige Realpolitik von den zwischen 250.000 und 300.000 Teilnehmern nicht beeindrucken ließ: So hat der frühere Caritas-Präsident Helmut Schüller in der "Wiener Zeitung" (20. März) auf die größte Demonstration der Zweiten Republik zurückgeblickt. Pfarrer Schüller war einer der "Lichtermeer"-Initiatoren, ebenso wie die Grüne Ex-Stadträtin Friedrun Huemer, die auch an dem Doppelinterview teilnahm.
Er selbst habe zuvor "nicht zu träumen gewagt, dass so viele kommen" und sei dann erleichtert gewesen, "dass da Leute beieinander sind, die dasselbe wollen", sagte Schüller über den kalten Wintertag am 23. Jänner 1993. Die Organisation sei zuvor eine "Zerreißprobe" gewesen, berichtete Huemer, wollten die einen doch zuvorderst den mit der Nazi-Geschichte konnotierten Heldenplatz umdefinieren, andere jedoch eine "gute, fundierte Botschaft" liefern, das kurz zuvor gestartete Ausländervolksbegehren ad absurdum führen sowie auch einen radikalen Kurswechsel einfordern.
Letzteres sei nicht geglückt, denn, so Schüller: "Die Schubkraft der Realpolitik ist natürlich viel stärker." Nachhaltig bedeutsam sei das Lichtermeer dennoch, vor allem als Ausdruck der Zivilgesellschaft mündiger Bürger. "Die Leute haben sich gefragt: Was macht denn unser Staat eigentlich? Welche Gesetze erlässt er? Der Bürger traut sich, eine Meinung zu haben und Kritik an der Fachpolitik zu üben", erklärte Schüller. Dass sich im Vorfeld der Demonstration viele Menschen kundig gemacht hatten über die Fremdenrechtsgesetze, sei auch durch das große Ausmaß an geleisteter Informationsarbeit gefördert worden.
Von 1993 bis heute geblieben sei nicht nur der Verein "SOS Mitmensch", sondern auch "dass wir das Erlebte nicht mehr vergessen. Das bleibt wie ein Stachel in einem. Es war wichtig, sich nicht einfach mit dem Ist-Zustand zufriedenzugeben", so Schüller. Damals sei von vielen von einem "anderen Österreich" gesprochen worden. Fraglich sei jedoch, ob die Teilnehmer diese Erfahrung auch an andere weitergeben können. Denn auch angesichts heutiger Rhetorik gegen Ausländer in Politikerreden gelte:
Menschen sind kein Strom und keine Welle. Wer heute respektlos über Geflüchtete spricht, fängt bald an, respektlos über hier Geborene zu sprechen.
"Zündler" für mehr Menschlichkeit
Beim "Lichtermeer" gegen Ausländerfeindlichkeit vor 25 Jahren waren auch die christlichen Kirchen wichtige "Zündler" für mehr Menschlichkeit: Am 23. Jänner 1993 traten außer Schüller viele prominente Kirchenvertreter wie Kardinal Franz König oder der Wiener Weihbischof Florian Kuntner als Redner auf, zudem waren zahlreiche kirchliche Organisationen Mitveranstalter der auch in beinahe allen Landeshauptstädten durchgeführten Großkundgebungen. Der Fokus lag dabei auf dem von einer Viertel Million friedlichen Demonstranten mit Kerzen und Fackeln erleuchtete Heldenplatz. In den "Salzburger Nachrichten" hieß es tags darauf: "Fast ein religiöser Akt."
Schon im Vorfeld des "Lichtermeers" hatten Kirchenvertreter verschiedener Konfessionen keinen Zweifel daran gelassen, dass sie das von der FPÖ - damals noch unter der Führung von Jörg Haider - betriebene Volksbegehren "Österreich zuerst" als Widerspruch zu christlichen Kernbotschaften betrachteten. Egon Kapellari, damals Diözesanbischof von Gurk-Klagenfurt in dem vormals von Haider als Landeshauptmann geführten Kärnten tätig, stellte klar, dass Christen in Sachfragen zwar unterschiedlicher Meinung sein könnten, "die großen moralischen Prinzipien gelten aber für alle in gleicher Weise".
Quelle: kathpress