Tirol: Glettler-Lob für Mindestsicherungsprogramm
Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler hat im Interview mit der "Tiroler Tageszeitung" (Ausgabe 28. März) das schwarz-grüne Koalitionsprogramm des Bundeslandes und insbesondere die Beibehaltung des alten Standards der Mindestsicherung gewürdigt.
Das Übereinkommen lässt sich wirklich sehen. Ein wenig habe ich schon hineingelesen. Die Regierung möchte das zivilgesellschaftliche Engagement fördern, das gefällt mir.
Wesentliche Vorhaben im Programm gebe es im Bereich von Pflege, eine Zukunftsfrage für die Gesellschaft, und "vor allem freut mich, dass man auf dem Standard der Mindestsicherung bleibt", so der Bischof:
Das Tiroler Modell, ergänzt mit den Nachbesserungen für Härtefalle, hat sich bewährt.
Das Koalitionsprogramm zeige ein bemühtes Ringen zur Erhaltung von Lebensqualität und das Plädoyer für einen bewussten Umgang mit den begrenzten Ressourcen von Mensch und Umwelt. Gleichzeitig werde die Bedeutung von Wirtschaft, Industrie und Tourismus betont. Wichtige Punkte seien auch, dass die Familienhilfe flächendeckend aufgebaut, Wohnungs-Leerständen der Kampf angesagt und ein großes Angebot geförderter Wohnungen bereit gestellt werden soll. "Ich wünsche der neuen Landesregierung und damit uns allen, dass die Umsetzung der Vorhaben gelingen möge", sagte der Bischof.
Befragt nach einer Zwischenbilanz über 115 Tage im Amt als Bischof, bekannte Glettler insgesamt Freude über seine Verantwortung:
Ich möchte gemeinsam mit der Diözese auf dem Weg sein - nicht hetzen und nicht vorauslaufen, aber mutig vorangehen. Das Hinhören und Wahrnehmen ist dafür entscheidend.
Wichtig sei der Aufbau lebendiger Gemeinschaften. Schwierig sei das allerdings in den rasch wachsenden Innsbrucker Umlandgemeinden, die teilweise "Wohn-Schlaf-Dörfer" geworden seien. Dazu komme das Problem des Priestermangels. Zwar gebe es 20.000 ehrenamtlich engagierte Laien, für die er sehr dankbar sei, "es sind aber immer noch zu wenige, um die vielen Menschen unseres Landes in den verschiedenen Lebenssituationen gut zu erreichen".
In dieser Situation bringe Jammern allerdings nichts, so Glettler:
Wir müssen nach vorne schauen. Wir leben heute in einem größeren Horizont von Freiheit. Der Einzelne will entscheiden, was er glauben möchte und was nicht.
Der von Papst Franziskus angestoßene Weckruf "an eine vielfach erstarrte Kirche, zumindest in Europa", durchlaufe jetzt - was "typisch für einen Erneuerungsprozess" sei - die "Phase Zwei", wo es "ans Eingemachte" gehe:
Veränderung tut weh und verlangt allen Beteiligten etwas ab. Man war zu lange auf ein internes Funktionieren der Kirche fixiert und hat dabei auf die eigentliche Mission vergessen, nämlich für Menschen in einer extrem veränderten Welt da zu sein. Vielleicht waren wir auch zu sehr auf eine Liturgie konzentriert, die möglichst fehlerfrei gefeiert werden soll. All das ist wichtig, aber kann leicht zur Erstarrung führen.
Es sei eben leichter von einem Aufbruch zu schwärmen, als ihn tatsächlich umzusetzen: "Papst Franziskus lockt uns alle aus der Komfortzone heraus. In Wirklichkeit ist Franziskus ein echter Volksmissionar. Aber nicht mit einer kurzsichtigen Strategie zur besseren Mitgliederwerbung. Er fühlt und lebt den Auftrag, Gottes Barmherzigkeit erfahrbar zu machen. Wenn wir ihm dabei folgen und uns in den Dienst der Menschen stellen, wird Kirche auch wieder attraktiv sein."
Angebot für Wiederverheiratete
Befragt zu den Vorhaben im Bereich wiederverheirate Geschiedene und Priesterberufe berichtete der Bischof von einem Geschiedenenpastolalprojekt, das 2019 starten soll, sowie von einem Ansprechen junger Menschen für den Priesterberuf auf der Ebene der Pfarren. Skeptisch zeigte er sich über Diskussionen zu "viri probati", denn dies erzeuge eine Atmosphäre, "als ob ein zölibatäres Leben keinen Wert mehr hätte und sowieso zum Scheitern verurteilt ist". Jungen Leuten solle wieder bewusst eine geistliche Berufung zugemutet werden.
"Es braucht Mut und Ermutigung, heute Jesus mit ganzer Begeisterung und Hingabe nachzufolgen. Gleichzeitig macht es aber auch Sinn, die Option, in gewissen Ortskirchen 'viri probati' zu Priestern zu weihen, wach zu halten. Mein primäres Anliegen ist es jedoch, die Potentiale, die wir in unseren Pfarrgemeinden haben, d.h. in der Gemeinschaft aller Getauften, aufzuwecken. Es darf nicht alles auf den Pfarrer oder auf den nicht mehr vor Ort lebenden Pfarrer fixiert sein", betonte Glettler.
Für die wiederverheirateten Geschiedenen solle erstmals in der Fastenzeit 2019 an mehreren Orten der Diözese ein begleiteter Weg mit vier Abenden angeboten werden, kündigte der Bischof an. Das Angebot richte sich an Menschen, die in zweite Ehe leben oder nach einer Scheidung allein geblieben sind. "Wir möchten die Erfahrung des Scheiterns ernst nehmen und nicht sanktionieren." Das Paar bzw. die einzelnen Personen könnten dann selbst entscheiden, ob sie bewusst zur Heilligen Kommunion gehen oder bewusst darauf verzichten. "Für beide Möglichkeiten gibt es gute Gründe. Man überträgt diese Entscheidung ihrer persönlichen Verantwortung."
Quelle: kathpress