Bibelwissenschaftler: Jesus hatte ein eigenes Zuhause
"Starke Hinweise, dass die Jesus-Bewegung ursprünglich stationär war", finden sich laut dem in Innsbruck lehrenden Bibelwissenschaftler J. Andrew Doole im Neuen Testament. Im Unterschied zum Jesus der christlichen Tradition, der unstet, umherziehend, ja "obdachlos" war, sei für die Anfänge der Kirche als wahrscheinlich anzunehmen: "Man hat sich getroffen ... im Haus Jesu!", schrieb Doole in einem Beitrag für die theologische Feuilleton-Website feinschwarz.net. Das gängige Bild des Wanderpredigers werde damit "gegen den Strich gebürstet", heißt es.
Der Neutestamentler unterschied dabei allerdings zwischen den zwei von der Bibelwissenschaft als später anerkannten Evangelien nach Lukas und Johannes und den beiden früheren nach Markus und Matthäus. Erstere zeigten die Tendenz, die frühchristliche Überlieferungstradition von einem Haus Jesu in Kafarnaum "aus der Geschichte zu streichen". Grund dafür könnten theologische sein, mutmaßte Doole: Bei Lukas werde der Menschensohn, der kam, um zu dienen, eher als Gast dargestellt. Und für Johannes - der sein Evangelium mit einem Prolog über die Einheit von Gottvater und -sohn beginnt (..."das Wort war bei Gott...") - wohnt Jesus "im Himmel, und sonst nirgendwo". Eine Rolle mag laut Doole auch das "Phänomen, alles zu verlassen und alles zu riskieren", spielen, das mit dem Aufgang Jesu nach Jerusalem verbunden sei. "Oder mit dem Missionieren der Apostel nach Osten."
Im ältesten Evangelium, in jenem des Markus, ist "Haus" laut dem Bibelwissenschaftler ein häufiges Motiv, das zugleich "eine historische Wahrheit widerspiegeln" könnte. Einzelne Erzählungen darin wie der Ruf des Zöllners Levi zur Nachfolge (Mk 2,13ff) würden "mehr Sinn" machen, wenn man von einem Zuhause Jesu in Kafarnaum - einem Fischerdorf in Galiläa - ausgehe.
Der 1984 in Belfast, Nordirland, geborene J. Andrew Doole lehrt seit 2015 am Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie der Universität Innsbruck und schlägt immer wieder Brücken zur Populärwissenschaft - z.B. mit Artikeln zum Aussehen Jesu, zu Humor in den Evangelien oder kurz vor Weihnachten zu einem Jesus, "der mit Menschen intim und ungehörig umgehen kann und sich vor Körperkontakt oder Gerede über Sex nicht scheut".
Quelle: kathpress