Scheuer: Mutter Teresas Leben war Radikalkritik am Götzendienst
Das Leben der heiligen Mutter Teresa von Kalkutta (1910-1997) war eine "Kritik an allen Götzen" der heutigen Gesellschaft, wie sie etwa Erfolg, Macht, Reichtum Anerkennung und Rüstung darstellen: Das hat der Bischof Manfred Scheuer am Wochenende bei der Eröffnung der Ausstellung "Mutter Teresa und die Armut des Westens" im Linzer Mariendom dargelegt. Die albanisch-indische Heilige habe zugleich "die Gottesfrage radikalisiert" - dass nämlich die "Option für die Armen, die Schwachen und die Sterbenden immer mit der Anbetung des größeren Gottes" verbunden sei, so der Bischof.
Tödliche Konflikte seien oft die Folge, wenn bestimmte endliche, begrenzte Werte verabsolutiert würden, mahnte Scheuer. So seien Millionen Menschenleben den "Götzen der Herrschsucht, des Übermenschen, des Kapitals, des Nationalismus, des Rassismus, des Militarismus oder des gekränkten Stolzes" geopfert worden. Dasselbe könne dann eintreten, wenn selbst Werte wie Friede, Freiheit, Gleichheit oder Brüderlichkeit gewaltsam universalisiert würden: Ergebnis sei dann das genaue Gegenteil davon. Scheuer:
So wurde die 'Fraternite' der französischen Revolutionsheere zur Aggression gegen die alte Welt, die sozialistische Brüderlichkeit zum Sowjetimperialismus oder eine christliche Ethik zum Kreuzzug gegen die Heiden.
Für einen gerechten Frieden, so Scheuer, dürfe weder Gewalt verharmlost noch ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis ignoriert werden. Es brauche eine "Überwindung der Einäugigkeit" durch das Wahrnehmen des Leidens sowie der Ängste der jeweils anderen. Mit dem Theologen Johann Baptist Metz plädierte Scheuer für eine Mystik der politischen und sozialen Compassion. Jesus lehre nicht eine Mystik der geschlossenen Augen, sondern eine Mystik der offenen Augen und damit der unbedingten Wahrnehmungspflicht für fremdes Leid, betonte Scheuer.
Die im Linzer Mariendom gezeigte Ausstellung ist noch bis 6. Juni 2018 zu sehen. Zur Eröffnung waren neben Bischof Scheuer auch Bischofsvikar Maximilian Mittendorfer, Meinrad Schneckenleithner und Elisabeth Jungmeier von Pax Christi Österreich, Jägerstätter-Biografin Erna Putz sowie Jochen Schmidt und Andre Vogel von der Friedensbibliothek der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, die die Ausstellung zusammengestellt hat.
Dass man auf der Suche nach Vorbildern und "Menschen, die bewegen", auf eine katholische Ordensfrau gekommen sei, möge erstaunen, sagte Schmidt.
Mutter Teresa ist eine kleine Frau, aber sie hat einen Glauben, der Berge versetzt. Sie war Europäerin, aber ihre Entwicklung war getragen von indischer Mentalität und Lebenskultur. Sie hat sich ganz mit den Menschen identifiziert, denen sie nahe war.
Die Heilige habe erlebt und zum Thema gemacht, dass der Reichtum die Versuchung des Westens sei. "Die Armut des Westens zeigt sich darin, dass Menschen in ihrer Not und Einsamkeit allein gelassen werden, trotz des großen vorhandenen Reichtums", so Schmidt.
Ordensgründerin und Nobelpreisträgerin
Anjezë (Agnes) Gonxha Bojaxhiu (1910-1997), bekannt als Mutter Teresa, war eine in Indien tätige Ordensschwester albanischer Abstammung. Sie wirkte in Kalkutta fast zwei Jahrzehnte als Lehrerin und Schulleiterin, bis sie eines Tages den inneren Ruf verspürte, sich um die Ärmsten der Armen zu kümmern. Ehemalige Schülerinnen schlossen sich ihr an, viele Frauen und Männer folgten später. 1950 gründete sie die Gemeinschaft der "Missionarinnen der Nächstenliebe", die sich dem Dienst an Armen, Obdachlosen, (Lepra-)Kranken und Sterbenden widmete. Die Missionarinnen und Missionare der Nächstenliebe sind heute auf allen Kontinenten vertreten.
1979 erhielt Mutter Teresa für ihr Tun den Friedensnobelpreis. In der Begründung hieß es unter anderem: "Das, was ihre Arbeit kennzeichnet, ist der Respekt vor dem Wert und vor der Würde des einzelnen Menschen (...) Die Einsamsten, Elendsten und die Sterbenden haben Mitgefühl ohne Herablassung, gegründet auf die Ehrfurcht vor dem Menschen, bekommen." Mutter Teresa wurde am 19. Oktober 2003 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Ihr Gedenktag in der römisch-katholischen Kirche ist der 5. September.
Quelle: kathpress