Schönborn: Interesse an Menschen Voraussetzung für gute Politik
Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Parteien-Vertreter sind am Freitagabend in Wien jungen Nachwuchs-Politikern und Politik-Interessierten Rede und Antwort gestanden. Grundlage für eine gute Politik ist laut dem Wiener Kardinal ein ehrliches Interesse am Leben der Menschen. "Wenn es Sie nicht wirklich interessiert, was Menschen bewegt oder diese denken, dann bitte Hände weg von der Politik", riet Schönborn den zumeist jungen Teilnehmern der Diskussionsveranstaltung "Politisch.Neu.Denken" im Wiener Figlhaus.
Der aktuellen und vergangenen Regierungen steht Schönborn verhalten positiv gegenüber, wie er sagte. Zumindest "katastrophal" sei bisher keine gewesen, "und ich erwarte mir von der Politik auch nicht, das Reich Gottes auf Erden zu errichten". Im Großen und Ganzen gebe es in Österreich parteiübergreifend einen gewissen "soliden Grundkonsens" über zumindest einige nicht hinterfragbare gemeinsame Grundsätze.
Mit Blick auf politische Konkurrenz plädierte der Kardinal für einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe und ein wirkliches Interesse am Denken des anderen. Schließlich sei jede Begegnung zunächst immer ein Zusammentreffen konkreter Personen - "ich rede mit Menschen und nicht mit Ideologien". Ist diese respektvolle Basis gegeben, sei es auch einfacher auszuhalten, in Sachfragen verschiedener Meinung zu sein, so Schönborn; "auf dieser Basis kann man große Unterschiede ertragen und tolerieren". Voraussetzungen jeder konstruktiven politischen Diskussion seien darüber hinaus Sachlichkeit und eine Behutsamkeit in der Sprache.
Van der Bellen: Dialog über Parteigrenzen hinweg
Zu einem Blick und zum Dialog über die eigene Parteigrenze hinweg regte auch der Bundespräsident an. "Es gibt nichts Langweiligeres, als in der eigenen Blase zu diskutieren", so Van der Bellen wörtlich. Insofern beurteile er Menschen auch nicht nach ihrer politischen Zugehörigkeit und sei grundsätzlich zum Dialog mit jedem bereit, solange dieser sachlich geführt wird, denn nicht jedes Vorurteil sei gleich auch ein Argument. Der Bundespräsident fand klare Worte:
Die Person ist wichtiger als die Sippe, deshalb lehne ich Sippenhaftung ab. Nur weil jemand in einer freiheitlichen Burschenschaft ist, schließt das für mich noch nichts aus.
Dem Politik-Nachwuchs riet er, noch vor dem Gang in die Politik eine solide Ausbildung zu absolvieren und ein paar Jahre zu arbeiten. Ein sicherer Job im Hintergrund stärke den Rücken und mache weniger angreifbar für Beeinflussungen. Gleichzeitig rief er zu Mut und Engagement auf. "Warten Sie nicht darauf, dass man auf Sie zukommt, wehren Sie sich, wenn Sie finden, da ist etwas, das nicht in Ordnung ist", so der Präsident wörtlich.
Parteien-Vertreter geben Einblicke in Politikalltag
Neben Van der Bellen und Schönborn saßen u.a. auch die Neos-Politikerin Irmgard Griss, die ehemalige ÖVP-Sozialpolitikerin Doraja Eberle, Werner Kogler von den Grünen sowie Stephanie Cox von der Liste Pilz auf dem Podium.
Kogler vermisst in Österreich eine konstruktive Diskussionslust und Streitkultur, wie sie etwa in Deutschlands Politik-Debatten zu finden sei. Verantwortlich dafür machte er u.a. Österreichs "teilweise verheerende" Medienlandschaft, die Politiker vor sich her treibe. "Dort wird der Dialog vernichtet", so die Einschätzung des Grün-Politikers.
Kritik am Vorgehen mancher Medien übte auch Irmgard Griss. "Medien skandalisieren und machen aus jeder sachlichen Auseinandersetzung gleich einen Streit." In der Bevölkerung nimmt sie solche Tendenzen allerdings nicht wahr: "Das Harmoniebedürfnis der Österreicher ist sehr hoch." Außerdem müssten Parteien Wahlen gewinnen, das funktioniere in Österreich aktuell nur über eine scharfe Abgrenzung zu den anderen.
Doraja Eberle hält eine "Revolution der Menschlichkeit" für nötig, denn es gebe in der Politik keinen "Grundanstand" mehr. Im Grunde gehe es nicht um politische Inhalte sondern um eine "Grundachtung, die wir voreinander haben sollen".
Initiative will neue Form des politischen Dialogs etablieren
Im Rahmen der Veranstaltung präsentierte sich auch erstmals die Initiative "Politisch.Neu.Denken" einer breiten Öffentlichkeit. Getragen wird sie von jungen Vertretern aller Parteien Österreichs und Gruppierungen der Zivilgesellschaft in Kooperation mit der Wiener "Akademie für Dialog und Evangelisation". Ziel ist es, "allmählich eine neue Art des Politik-Machens" zu entwickeln und das "Gegen- und Aneinander-Vorbeireden" in Richtung "Miteinander-Reden" zu wandeln.
Grundlage der Initiative ist ein elf Punkte umfassender Prinzipien-Katalog, der eine Zusammenarbeit politischer und zivilgesellschaftlicher Kräfte fördern soll. Die Betreiber werben für eine Kultur des Zuhörens, Solidarität über Parteigrenzen hinweg und sprechen sich gegen "eine Uniformierung des Denkens" aus. Dem Gemeinwohl sei immer der Vorzug vor einer "kurzsichtigen Parteipolitik" zu geben. "Wir wollen uns bemühen, Gemeinsamkeiten zu entdecken, ohne die Unterschiede zu verschweigen", heißt es in dem Prinzipien-Katalog wörtlich.
Die Auftaktveranstaltung am Freitagabend war zugleich Startschuss u.a. für eine Politik-Seminarreihe, die ab Herbst 2018 die Themen Dialogkompetenzen, Konfliktmanagement und Führungsqualifikationen in den Blick nehmen wird. (Info: http://akademie-wien.at/projekte/politisch-neu-denken)
Quelle: kathpress