Theologie: Feministische Offensive im "Feinschwarz"-Feuilleton
Eine Art "feministische Offensive" ist derzeit auf der sonst thematisch breit aufgestellten theologischen Feuilleton-Webbsite "feinschwarz.net" zu beobachten: Zuletzt häuften sich Beiträge, die zum einen Unzufriedenheit mit der Rolle von Frauen in der Kirche ausdrückten bzw. die sich gegen eine Instrumentalisierung von Frauen im Kulturkampf "Abendland vs. Islam" verwahrten. Und dies aus der Feder durchaus unterschiedlicher Autorinnen: Am 30. Mai publizierte die "Feinschwarz"-Redaktion einen Artikel der evangelischen Pfarrerin und designierten Diakonie-Direktorin, Maria Katharina Moser, tags zuvor einen der katholischen Vorarlberger Sozialethikerin Petra Steinmair-Pösel, und am 25. Mai titelte die Ordensfrau Katharina Ganz: "Ohne Geschlechter-Gerechtigkeit kein Reich Gottes!"
Steinmair-Pösel griff die von der Schweizer feministischen Theologin Doris Strahm aufgeworfene Frage "Ist Religion schlecht für Frauen?" auf. Natürlich werde die Antwort darauf nein lauten, verwies die Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH Edith Stein in Feldkirch auf eine Reihe von unterschiedlichen Zeuginnen wie Teresa von Avila, Hildegard Burjan, Mutter Theresa, Dorothee Sölle oder Chiara Lubich. Und dennoch: Auch all diese fest in ihrer Religion und - "in (mehr oder weniger) kritischer Loyalität" - auch in ihren Kirchen verwurzelten Christinnen hätten an den "männerdominiert-hierarchischen Strukturen ihrer Kirchen" gelitten, so Steinmair-Pösel: Dorothee Sölle z.B. habe in Deutschland nie einen Lehrstuhl erhalten, sondern nur am renommierten Union Theological Seminary in New York. "Aber auch eine so kirchentreue Frau wie die Gründerin der Fokolar-Bewegung Chiara Lubich litt jahrelang unter den Prüfungen durch die Glaubenskongregation."
Sie selbst mache die Erfahrung, dass man als katholische, feministisch denkende Frau in säkularen feministischen Kreisen auf Vorbehalte trifft - "nach dem Motto: Eine echte Feministin hätte dieser männerdominiert-hierarchischen Institution längst den Rücken gekehrt", schrieb Steinmair-Pösel. Oder die Erfahrung, im Gespräch mit kirchenfernen Freundinnen gegen die übermächtige "Körpersprache" ihrer Kirche nur wenig ausrichten zu können. Sie verstehe somit, wenn manche ungeduldige Katholikinnen zum "Weiberaufstand" aufrufen oder aber dass andere "es einfach leid sind, überhaupt noch in dieser Frage zu argumentieren, nur um dann doch wieder an eine gläserne Decke von oft wiederholten Argumenten zu stoßen".
Ein "wesentlicher Knackpunkt" ist laut der Feldkircher Theologin - ausgesprochen oder unausgesprochen - für viele Kirchennahe wie -fernstehende, Frauen wie Männer die Frage nach der Zulassung von Frauen zu allen kirchlichen Funktionen. Dies und nicht die "schöne Rhetorik von Wert und Würde 'der' Frau" sei die "Nagelprobe" für die Frage, wie die katholische Amtskirche zu den Frauen steht. Steinmair-Pösel berief sich dabei auch auf einen Mann - den 2004 verstorbenen Dogmatiker Raymund Schwager SJ. In einem erst jüngst erstveröffentlichten Artikel über die "Ordination der Frau" hatte der Innsbrucker Jesuit zur Festlegung von Papst Johannes Paul II., die Kirche sei zur Weihe von Frauen nicht befugt, erklärt, diese für Katholiken verbindliche Entscheidung sei "keineswegs aus einem breiten Konsens in der Kirche, sondern gegen eine weit verbreitete Überzeugung unter Gläubigen, Theologen und Theologinnen und auch unter Bischöfen getroffen" worden. In der ihm eigentümlichen Gründlichkeit habe P. Schwager jedes einzelne Argument gegen die Ordination von Frauen geprüft, "um es aus den - wie sich zeigt - theologisch nicht sehr soliden Angeln zu heben".
Und Steinmair-Pösel zitierte abschließend die laut Schwager logische Konsequenz daraus: Das katholische Lehramt müsse dieses "heiße Eisen" nochmals ganz neu aufgreifen, "damit es in der Kirche wirklich zu einem rezipierten Konsens kommt und nicht ein dauernder Spaltpilz bleibt".
"Klerikalismus tötet die Kirche"
"Der Klerikalismus tötet die Kirche": Diese ausgerechnet im Vatikan-Medium "Osservatore Romano" im März publizierte Warnung einer Ordensfrau griff die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Sr. Katharina Ganz, in ihrem "Feinschwarz"-Beitrag am 25. Mai auf. Sie weiß sich damit eines Sinns mit Papst Franziskus, der 2016 in einer Audienz für Generaloberinnen die Ordensschwestern ermutigt habe, Grenzen in Bezug auf ihre Verfügbarkeit zu ziehen: "Wenn man euch Oberinnen um etwas bittet, das kein Dienst, sondern vielmehr eine Tätigkeit als Bedienstete ist, dann seid mutig und sagt nein", so der Papst damals.
Sr. Ganz berichtete von einem Werkstattgespräch über "Orden - Macht - Politik", das sie kürzlich beim Deutschen Katholikentag in Münster angeboten habe: "Als ich die Meinung vertrat, dass es neben dem gesellschaftspolitischen Engagement der Orden und Kongregationen auch Anstrengungen braucht, um die einseitige Abhängigkeit der Ordensfrauen von geweihten Männern im Bereich der Seelsorge und Liturgie zu überwinden", sei unter den Zuhörenden - darunter "erstaunlich viele Ordensfrauen" - heftiger Applaus aufgebrandet.
Innerkirchlichen Frieden bei diesem "brisanten Thema" wird es nach Einschätzung der Generaloberin dauerhaft nur geben, wenn (Ordens-)Frauen über das ihnen zuerkannte "marianische Prinzip" der Dienstbereitschaft auch ein Anteil am "petrinischen Prinzip" der Verantwortungsübernahme zugestanden werde. Sr. Ganz verwies auf das Magnifikat Marias als "zeitlos aktuelle Aufforderung, die Macht der Mächtigen zu hinterfragen und am Reich Gottes zu arbeiten". Dieses werde "ohne Geschlechtergerechtigkeit kaum Gestalt annehmen können auf Erden", merkte sie abschließend an.
"Das Patriarchat schlägt zurück"
Zu Allianzen zwischen säkularen und religiösen Feministinnen forderte Maria Katharina Moser - vormals katholische Theologin und ORF-Journalistin, dann evangelische Pfarrerin und ab Herbst Diakonie-Direktorin - am 30. Mai auf. Zugleich warnte sie vor derzeit beobachtbaren Bündnissen, die deren gemeinsamen Anliegen letztlich zuwiderliefen: zum einen vor dem "Antigenderismus", den traditionalistisch-fundamentalistische kirchliche Kreise und rechtspopulistische Gruppierungen gemeinsam befeuern würden. Moser sieht darin einer Gegenreaktion des in die Defensive geratenen Patriarchats, "the empire strikes back, könnte man sagen". "Die alten Patriarchen und ihre Mittäterinnen fühlen sich durch Feminismus und Frauenbewegungen bedroht und treten zur Verteidigung ihrer althergebrachten Ideologie an." Sie verteidigten die "patriarchale" Familie, Geschlechterrollen und Sexualmoral gegen vermeintliche moralische "Verfallserscheinungen" der Moderne als "gottgewollte Ordnung".
Im Gefolge von 9/11 habe sich eine zweite, weniger deutliche Allianz zwischen christlich-abendländischen Frauenbefreiern rechtspopulistischer Provenienz einerseits und Feministinnen andererseits gebildet, schrieb die Pfarrerin. Sie zeige sich überall dort, wo die islamische Kultur als besonders bzw. in sich frauenfeindlich gebrandmarkt und zur Befreiung der muslimischen Frau aufgerufen wird. Das Muster dabei: Die "fremde" Frau werde als Opfer der Unterdrückung durch den "fremden" Mann vorgestellt - und westliche, christliche wie säkulare Männer und Frauen treten zu ihrer Befreiung an. Die "fremde" Frau selbst bleibe dabei stumm, bemängelte Moser. Nicht nur die islamische Frau verkörpere damit die Werte ihrer Kultur, auch die westliche Frau werde derart "instrumentalisiert".
Dem entgegenzusteuern verlangt laut Moser, dass Feministinnen unterschiedlicher religiöser und säkularer Überzeugungen einander zugestehen: "Die andere entscheidet sich autonom und aus guten Gründen für ein Leben, für das ich mich so nicht entscheiden würde."
Quelle: Kathpress-"Infodienst"