Bischof: Prager Frühling begann unter Künstlern und Kommunisten
Der Prager Weihbischof Vaclav Maly hat in einem Interview für die ORF-Religionsradiosendung "Praxis" (6. Juni) betont, dass die vor 50 Jahren in der Tschechoslowakei durchgeschlagene Freiheitsbewegung ("Prager Frühling") zuerst eine Bewegung der Künstler und der geläuterten Kommunisten war, zu der dann Vertreter der Kirchen stießen. Der Prager Frühling habe sich durch eine Öffnung im Kulturbereich ab Jänner 1968 abgezeichnet, sagte Maly. Er sei selbst sei damals ein 17-jähriger Mittelschüler gewesen und begonnen, sich Theaterstücke anzusehen. "Erstmals auch ein Stück von einem gewissen Vaclav Havel", erinnerte sich der Bischof. Im Laufe der Monate sei es dann "zu einer Explosion" gekommen - jener Stimmung, die allgemein als Prager Frühling verstanden werde.
Einerseits seien Schriftsteller beteiligt gewesen, "die schon in den 1950er Jahren sehr tapfer waren". Eine wichtige Rolle hätten aber auch einige Mitglieder der Kommunistischen Partei eingenommen. "Denn in der Kommunistischen Partei ist der Prager Frühling nicht plötzlich hereingebrochen. Die Reformbestrebungen haben schon 1961 begonnen, mit dem Gipfel von John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow in Wien", erläuterte Maly.
Für die katholische Kirche in der damaligen Tschechoslowakei sei wichtig gewesen, dass ab etwa 1963 mehr Priester aus den Gefängnissen in die Gesellschaft zurückkehren konnten. Diese "tapferen Priester" hätten auch umgehend die Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) übernommen und verbreitet. So sei es zu einem Interesse der Basis an den Konzilstexten bereits damals gekommen. "Und auch in der evangelischen Kirche gab es diese offenen Köpfe", hob der Bischof hervor.
Aber alles habe nur sehr kurze Zeit gedauert. In der Nacht auf den 21. August 1968 sei er, schilderte Maly, am Flughafen Ruzyne vorbeigekommen und habe die Flugzeuge des Warschauer Pakts in ununterbrochener Folge landen sehen, später seien Panzer da gewesen. "Das war ein tief schockierendes Erlebnis", so der heutige Weihbischof.
Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings sei die Druckausübung in alle Bereiche nicht sogleich erfolgt, sondern in Etappen:
Die Kommunistische Partei war in den ersten Monaten voll damit beschäftigt, im Inneren umzubauen. Das offene Kulturleben setzte sich dadurch noch eine Zeit lang fort. Doch am Endes des Jahres kam wieder massiver Druck. Ich habe gewusst: Jetzt kommt eine Zeit der Dunkelheit.
In den Kirchen sei zwar diskutiert worden, "aber nach außen hat man sich angepasst". Die Finsternis habe bis 1977 gedauert, als sich mit der "Charta 77" wieder viel zu bewegen begonnen habe. Maly, der im Jahr davor zum Priester geweiht worden war, gehörte zu den Unterzeichnern der Petition, die Gerechtigkeit und Freiheit in der kommunistischen Tschechoslowakei einforderte. Er habe unterschrieben, sagte der Bischof im Ö1-Interview, weil er sich unter dem Schweigen der damaligen kirchlichen Funktionsträger nicht gut gefühlt habe.
1979 verbot die damalige Staatsführung Maly die Ausübung des priesterlichen Dienstes, er wurde wegen "Republik-Subversion" angeklagt und ins Gefängnis gesteckt. "Wer mir damals geholfen hat, war [der damalige österreichische Bundespräsident, Anm.] Rudolf Kirchschläger. Er hat mir eine Bibel für die Zelle verschafft", sagte Weihbischof Maly in seinem Rückblick in Ö1.
In den 1980er Jahren musste sich Maly als Heizer und Hilfsarbeiter im Straßendienst seinen Lebensunterhalt verdienen. Er engagierte sich als Mitbegründer und Mitglied des "Komitees für die Verteidigung unschuldig Verfolgter" (VONS) und war ständigen Repressalien der tschechoslowakischen Geheimpolizei ausgesetzt. In den ersten Wochen der Samtenen Revolution von 1989 war Maly Sprecher des Bürgerforums, danach wirkte er als Pfarrer in Prag. Im Dezember 1996 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zum Weihbischof in Prag.
In der kommenden ist Weihbischof Maly in Wien zu Gast. Im Otto-Mauer-Zentrum (9., Währinger Str. 2-4) des Katholischen Akademikerverbandes der Erzdiözese Wien hält er am Mittwoch, 13. Juni um 18 Uhr einen Vortrag zum Thema "Kirche und Gesellschaft in der Tschechischen Republik heute".
Quelle: kathpress