Das Kardinalskollegium wird bunter
Ein Liturgiefachmann, der im päpstlichen Auftrag Obdachlose versorgt; ein peruanischer Anden-Bischof, der wegen seines Kampfs gegen Bergbaukonzerne mit dem Tod bedroht wird; Oberhäupter der bedrängten Christen im Irak und in Pakistan: Sie alle werden am Donnerstag neue Kardinäle der katholischen Kirche. Als not- und krisenerfahrene Glaubensmänner scheinen sie so recht nach dem Geschmack des Papstes. Aber sie stehen nur für einen Aspekt der Kardinalsernennungen, die Franziskus ankündigte.
Insgesamt 14 Kandidaten erhalten am Donnerstagnachmittag bei einem öffentlichen Konsistorium im Petersdom das purpurne Birett - drei von ihnen sind über 80 und werden für ihre Verdienste in der Kirche geehrt, elf erweitern den Kreis der Papstwähler von 114 auf 125. Die jüngsten Nominierungen mehren die Vielfalt, widerlegen aber auch die Behauptung, Franziskus ignoriere Europa oder die römische Kurie.
Sechs der elf neuen Wähler sind Europäer, vier Mitglieder der Kirchenverwaltung, drei Italiener, drei Ordensmänner. Keine große Überraschung ist der Purpur für Luis Ladaria (74); die Glaubenskongregation, an deren Spitze der spanische Jesuit seit Juli 2017 als Präfekt steht, ist eine der wichtigsten Vatikanbehörden. Interessanter ist die Nominierung des Italieners Giovanni Angelo Becciu, der in den vergangenen Jahren die Sektion für Allgemeine Angelegenheiten im vatikanischen Staatssekretariat leitete.
Becciu hatte zuletzt eine machtvolle Position etwa im Getriebe der Finanz- und Wirtschaftsreform, bei der immer wieder interne Konflikte offenbar wurden. In der Leitungskrise des Malteserordens ernannte Franziskus ihn zum Sonderbeauftragten; jüngst erneuerte der Papst dieses Mandat, wohl auch um den Kardinalpatron des Ordens, Raymond Leo Burke, ein bisschen auf Abstand zu halten. Im Staatssekretariat unterstand Becciu dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin - und weil ein direktes Weisungsverhältnis zwischen zwei Kardinälen unüblich ist, wurde schon unmittelbar nach der Bekanntgabe, dass Becciu das purpurne Birett erhält, gemutmaßt, dass auf ihn bald eine andere Aufgabe erwartet. Ende Mai ernannte Franziskus Becciu dann auch zum neuen Leiter der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse.
Die Kardinalsernennung des päpstlichen Almosenmeisters Konrad Krajewski sieht sehr nach Franziskus aus, ist aber keineswegs nur symbolisch: Mit 54 Jahren wird der Pole Krajewski zweitjüngster Papstwähler und dürfte mehr als ein Konklave mitbestreiten. Auch der Stellvertreter des Papstes in der Diözese Rom, Angelo De Donatis (64), bekommt den Purpur. Franziskus hatte ihn zuvor mit der Vorstellung des Papstschreibens "Gaudete et exsultate" oder mit Fastenexerzitien betraut - kleine Signale, dass er große Stücke auf ihn hält.
Dass Roms Generalvikar Kardinal wird, entspricht dem Brauch; möglicherweise koppelt Franziskus Dienstämter doch nicht so konsequent von Titeln ab, wie er es propagiert. Andererseits erhielten auch bei dieser Runde Inhaber bedeutender Erzbischofssitze kein Birett - wohl aber Pedro Barreto Jimeno (74), der sich in der peruanischen Erzdiözese Huancayo einen Ruf als sozialpolitischer Streiter erwarb, oder Giuseppe Petrocchi (69), dessen Beritt um L'Aquila noch immer unter den Folgen des Erdbebens von 2009 leidet.
125 zur Papstwahl berechtigt
Nach dem Konsistorium am 28. Juni werden 59 der dann 125 konklaveberechtigten Kardinäle von Franziskus ernannt worden sein. 47 wurden von Benedikt XVI. (2005-2013) kreiert, 19 zur Papstwahl berechtigte Kardinäle gehören - wie auch der österreichische Kardinal Christoph Schönborn - seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. (1978-2005) dem Kollegium an. Der Blick auf diese Statistik ist keine Nebensächlichkeit - denn die Zusammensetzung des Wahlgremiums hat Einfluss auf den Kurs der Kirche.
Im Ganzen setzt sich der Trend zu größerer Internationalität fort: Stammten beim letzten Konklave (2013) von 117 Wahlberechtigten 61 aus Europa, darunter 28 aus Italien, so sind unter den demnächst 125 Papstwählern noch 53 Europäer, von diesen 22 Italiener. Der Europäer-Anteil unter den Kardinälen sinkt damit von 52,1 auf 42,2 Prozent - noch immer eine stattliche Quote, wenn man bedenkt, dass das christliche Abendland nur 22 Prozent der katholischen Weltbevölkerung stellt.
Die Zahl der Nationalitäten im Wählerkreis hat sich von 50 auf 65 erhöht. Neu hinzu kommen Pakistan mit Karatschis Erzbischof Joseph Coutts (72) und der Irak mit Patriarch Louis Raphael I. Sako (69). Hier scheint die Kardinalsernennung eher den verfolgten Christen zu gelten, im Fall des Irak auch als ein Signal an die neue Regierung.
Neu in den Kardinalskreis kommen ferner Erzbischof Thomas Aquinas Manyo Maeda (69), der die kleine Katholikengemeinde in der japanischen Metropole Osaka leitet, und Erzbischof Desire Tsarahazana (64) aus Toamasina in Madagaskar. Sie sind wie 63 weitere Kardinäle die jeweils einzigen Vertreter ihres Landes. Ob sich unter diesen Solisten Interessengemeinschaften bilden, steht dahin. Vielleicht nicht zufällig gab Franziskus die neuen Ernennungen an Pfingsten bekannt: dem Fest des Sprachenwunders und der Einheit der Kirche.
Quelle: kathpress