Kirchliche Kindergärten: Bund soll Elementarpädagogen ausbilden
Einheitliche bundesweite Vorgaben für die Elementarpädagogik, Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels, eine Kind-zentrierte Pädagogik und Maßnahmen, die dem Pädagogen- und Pädagoginnenmangel entgegenwirken, hat die Wiener diözesane St. Nikolausstiftung beim Besuch von Familienministerin Juliane Bogner-Strauß im konfessionellen Kindergarten Wien-Penzing gefordert. Die Elementarpädagogik in die Bundeskompetenz einzugliedern, wäre aus Sicht der St. Nikolausstiftung "der erste Schritt, um von Beginn an ein zukunftsweisendes Bildungssystem auf die Beine zu stellen, damit alle Kinder eine faire Chance auf eine erfolgreiche Bildungslaufbahn haben", heißt es in einer Aussendung am Dienstag zum Besuch von Bogner-Strauß und Stadtrat Markus Wölbitsch.
In der politischen Diskussion werde seit Jahren nicht klar, was der Kindergarten sei - ob Bildungs- oder eher Betreuungseinrichtung. "Wenn der Kindergarten eine Bildungseinrichtung ist, dann muss die Nutzung unabhängig von der sozialen und finanziellen Situation der Familien sein. Der Kindergarten als Ermöglichung der Vereinbarung von Familie und Beruf ist eine wichtige Funktion, die aber ein 'Nebenprodukt' seiner eigentlichen Bedeutung der Bildungseinrichtung ist", stellte Elmar Walter, Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung, klar.
Der Handlungs- und Reformbedarf in der Institution Kindergarten sei hoch. "Die Elementarpädagogik hinkt im europaweiten Vergleich nach, die Rahmenbedingungen, allen voran der Fachkraft-Kind-Schlüssel, müssen verbessert und wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden", so Walter. Internationale wissenschaftliche Studien würden bei Drei- bis Sechsjährigen eine maximale Gruppengröße von 20 Kindern empfehlen, bei Null- bis Zweijährigen gelte der Richtwert acht bis zehn Kinder pro Gruppe mit zwei Pädagogen und einem Assistenten.
Qualitätsrückgang befürchtet
Sorge bereite auch der Mangel an Elementarpädagogen. Die Drop-Out-Rate nach Abschluss der BAfEP (Bildungsanstalt für Elementarpädagogik) bzw. in den ersten Dienstjahren sei sehr hoch.
Für die Begleitung in den ersten Dienstjahren sowie die Fort- und Weiterbildung sei in Wien ausschließlich die jeweilige Trägerorganisation, wenn vorhanden, zuständig.
Die neue dreijährige Ausbildung zum pädagogischen Assistenten muss beobachtet werden, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass diese Kräfte nicht zusätzlich eingesetzt werden, sondern auf Grund des Fachkräftemangels die gruppenführenden Pädagogen ersetzen.
Zeigte sich Susanna Haas, pädagogische Leiterin der Stiftung, über einen möglichen Qualitätsrückgang besorgt.
Im Kindergarten müsse jedoch qualifiziertes Personal arbeiten, das gelernt habe, zu beobachten, zu reflektieren und zu dokumentieren. Haas:
Dass Pädagogen empathisch sind und gerne mit Kindern arbeiten, ersetzt nicht das pädagogische Fachwissen und das Wissen über den Umgang mit herausfordernden Situationen im Alltag.
Sie wies darauf hin, dass im heutigen Kindergartenalltag de facto Kind-zentrierte Pädagogik, die frühzeitig Entwicklungsauffälligkeiten, Sprachdefizite oder Hochbegabung erkenne und gegensteuere, nicht gegeben sei: "Interdisziplinäre Fachkräfte aus den Bereichen Sonderkindergartenpädagogik, Psychologie, Logopädie, Ergotherapie, Sozialarbeit etc. könnten Kinder mit besonderen Bedürfnissen auffangen und im Regelkindergarten begleiten und unterstützen." Die St. Nikolausstiftung stelle jetzt zur Entwicklungsberatung und Begleitung von Kindern, Eltern und Pädagogen ein mobilies Team zur Verfügung. Zur St. Nikolausstiftung Erzdiözese Wien gehören derzeit 85 Standorte mit rund 1.050 Mitarbeitern und circa 6.100 Kindern.
Familienverband: Kritik am Wiener Betreuungsschlüssel
Handlungsbedarf sieht auch der Katholische Familienverband Wien. 15 bzw. 25 Kinder mit einer Pädagogin und einer Assistentin sei nicht akzeptabel. Diesen Betreuungsschlüssel sehe aber das derzeitige Wiener Kindertagesheimgesetz vor. Der Familienverband forderte am Dienstag ebenfalls Verbesserungen. Verbandsvorsitzende Barbara Fruhwürth:
Qualitativ hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen sind ein wichtiger Beitrag für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dazu gehört ein Betreuungsschlüssel, der eine individuelle Betreuung und Förderung ermöglicht.
Der Kindergarten sollte Kinder auf die Schule und das Leben vorbereiten. Er sollte Sprachkompetenzen, soziales Verhalten, Motorik, etc. vermitteln, was Aufmerksamkeit und Zeit bedürfe. "Bei dem derzeitigen Betreuungschlüssel ist zu befürchten, dass Krippe und Kindergarten zu einer Aufbewahrungsstelle werden, weil dem Personal die Zeit fehlt, den Kindern diese Kompetenzen näherzubringen", so Fruhwürth. Gerade im Hinblick auf die häufig mangelhaften Deutschkenntnisse von Schulanfängern müsse überlegt werden, ob dem nicht durch mehr pädagogisches Personal im Kindergarten zwecks individueller Förderung vorgebaut werden könne.
In Deutschland habe man dies z.B. in Bayern und Bremen realisiert, und des müsse auch in Wien möglich sein. "Dies wäre eine Win-Win-Win Situation für Eltern, Kinder und das pädagogische Personal und in weiterer Folge für die Volkschulen", so die Vorsitzende.
Quelle: kathpress