Jugendseelsorger: Jugendliche erwarten sehr viel von der Kirche
Anders als man meinen könnte, erwarten sich Jugendliche sehr viel von der Kirche. Darauf hat der Kärntner Jugendseelsorger Gerhard Simonitti in einem Interview der Kirchenzeitung von Gurk-Klagenfurt, "Sonntag" (Ausgabe 8. Juli), hingewiesen. Jugendliche wünschten sich von der Kirche eine Unterstützung im Finden ihres Platzes im Leben. Und sie erwarteten auch, dass die Kirche das christliche Menschenbild fördert, sagte der Diözesanjugendseelsorger, der 2016/17 auch auf Bundesebene verantwortlich war. "Sprengkraft" liegt laut Simonitti darin, dass die Jugendlichen dabei nicht mehr so gebannt auf die Amtskirche und ihre Träger schauen: "Jetzt ist die Kirche mit allen ihren Gliedern gefordert."
Wenn die konkreten Menschen, die als Kirche wahrgenommen werden, Jugendliche wertschätzen, seien diese auch bereit, sich stark zu engagieren, zeigte sich der jetzige Pfarrer von St. Egid und St. Martin in Klagenfurt optimistisch. Er halte es für überaus wichtig, dass das Prinzip, das der Papst bei der kommenden Jugendsynode in Rom anwendet, auch in den Pfarren ankommt:
Nicht nur schauen, welche Strukturen passen und was alles funktionieren muss, vom Pfarrfest bis zum Sternsingen. Sondern: dass Jugendlichen und allen, die etwas tun wollen, ein Platz gegeben wird, an dem sie sich entfalten können.
Simonitti erinnerte an das biblische Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, in dem der Herr noch in der letzten Stunde Arbeiter anheuert. "Es wird wohl jeder genug bekommen", laute dazu die gängige Auslegung. "Aber hören wir genau, was der Gutsherr in der elften Stunde sagt: Was steht ihr den ganzen Tag nur herum?", wies der Jugendseelsorger hin. "Und die Antwort müsste der Kirche als Ganzes die Schamesröte ins Gesicht treiben: Niemand hat uns angeworben."
Nicht nur katholische Jugendliche im Blick
Im Hinblick auf die Jugendsynode im Oktober machte Simonitti auf die ambitionierte Zielsetzung im Vatikan aufmerksam, möglichst viele und unterschiedlichste Jugendliche einzubeziehen. Papst Franziskus habe das ursprünglich enger gefasste Thema erweitert auf "Jugend, Glaube und Berufung" und den Auftrag gegeben, dass in Rom nicht nur die Bischöfe über Jugend und deren Glauben diskutieren sollen, sondern diese auch selbst zu Wort kommen sollen. Die Bischofskonferenzen sollen nicht nur ihre Mitglieder entsenden, sondern eine gleiche Anzahl von Jugendlichen, erklärte Simonitti. Und es sollten noch mehr Jugendliche dabei sein, mit denen die Bischöfe am Abend nach den Synodensitzungen diskutieren können.
Schon im Vorfeld der Synode gab es einen Fragebogen an die Bischofskonferenzen und einen weiteren, via Internet verbreitete Fragebogen, an dem sich weltweit 100.000 Jugendliche beteiligt haben. Alle - nicht nur katholische, nicht nur christliche - Jugendliche waren eingeladen zu antworten. Mit den Ergebnissen dieser Onlineumfrage wurden Ende März im Rahmen einer Vorsynode in Rom nochmals Jugendliche beschäftigt. Und auch dort waren Vertreter aus dem agnostischen und atheistischen Bereich dabei.
Das seit Ende Juni auf Deutsch vorliegende Synoden-Arbeitspapier, das sogenannte Instrumentum Laboris, ist nach dem Eindruck von Gerhard Simonitti "eigentlich eine ganze Gesellschaftsanalyse", in der das Fehlen von erwachsenen Vorbildern ebenso Thema ist wie eine schonungslose Analyse der gesellschaftlichen Umbrüche und ihrer Zusammenhänge mit der Kirche. Spannend ist für den Jugendseelsorger, wie er sagte, dass in vielen Ländern die Mutter die Hauptbezugsperson für Jugendliche ist, der Vater dagegen "relativ irrelevant". Das habe negative Auswirkungen auf die religiöse Vermittlung eines Gottes, den Jesus Vater nannte.
Suche nach Berufung und wahrer Bildung
Auf die Frage, was im Arbeitspapier speziell für die Kirche in Österreich relevant ist, wies Simonitti auf die Kritik vieler heimischer Jugendlicher am Schul- und Bildungssystem hin. Statt Bildung stehe nur noch Informationsweitergabe im Zentrum.
Es geht offensichtlich nicht mehr darum, die Talente von Jugendlichen zu entdecken und zu fördern, um sie entscheidungsfähig zu machen, sondern man gibt ihnen Informationen, damit sie funktionieren.
Hier habe die Kirche Chancen, wenn sie umfassende Wertschätzung vermittelt. Simonitti: "Jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft, jeder hat seine Berufung." Wobei im deutschsprachigen Bereich das Wort "Berufung" allzu schnell gleichgesetzt werde mit Priester- und Ordensberufungen: Laut Simonitti wird nun mit der Übersetzung "Berufungsfindung" ein breiteres Bild zu zeichnen versucht. Das lateinische "vocatio" lasse sich nicht eins zu eins in Deutsche übertragen, meinte der Jugendseelsorger: "Für die Italiener z. B. ist es offensichtlich kein Problem, sie sehen 'Berufung' viel weiter." (Offizielle Website zur Synode mit Link zum Arbeitspapier: www.synod2018.va)
Quelle: kathpress