Pädagogische Werktagung: Warnung vor Folgen von Bewegungsarmut
"Sitzen ist das neue Rauchen." Mit diesem mittlerweile medial verbreiteten Slogan hat der Gesundheits- und Bewegungswissenschaftler Dieter Breithecker auf die problematischen Folgen von Bewegungsarmut aufmerksam gemacht. Bei seinem Vortrag im Rahmen der Pädagogischen Werktagung in Salzburg legte der Fachmann am Donnerstag eindringlich dar, in welch gefährlichem Widerspruch etwa das Dauersitzen in Schule und Beruf zur biologischen Beschaffenheit des menschlichen Körpers stehe. Das natürliche und entwicklungsgeschichtlich bedingte Bedürfnis nach Bewegung werde gesellschaftlich unterdrückt, was besonders im Kinder- und Jugendalter verheerende Auswirkungen auf erforderliche Reifungsprozesse habe, warnte Breithecker. Ihre Motivation sich zu bewegen werde Kindern geradezu abtrainiert.
Das Zunehmen von neurokognitiven Erkrankungen sieht der Gesundheitswissenschaftler in engem Zusammenhang mit der Unfähigkeit, körperliche Aktivität in den Alltag einzubauen. Ein gesunder Körper sei die Grundlage für einen gesunden Geist und die Voraussetzung dafür, mit hoher Lebensqualität altern zu können. Breithecker bezieht sich dabei nicht auf "organisierte Bewegung" in Form von Sport, sondern auf ganz alltägliche körperliche und mentale Herausforderungen, mit denen Körper und Geist konfrontiert werden: "Wenn die Bedingungen es einfordern, bleiben körperliche Funktionen erhalten und verkümmern nicht."
Gerade Kindern sollte im pädagogischen Kontexten kein stundenlanges Stillsitzen abverlangt werden, appellierte der Experte. Sie sollten so viel Zeit wie möglich in der Natur verbringen, Dinge "be-greifen", ihre Sinne schärfen. Nur so könne das sensible Zusammenspiel aus sensorischer, muskulärer und neurologischer Entwicklung gewährleistet bleiben. Aufgabe der Erwachsenen sei es, entsprechende Angebote zur Verfügung zu stellen bzw. zuzulassen, dass Kinder ihre Welt erforschen - und das durchaus auch mit einem gewissen Risiko, so Breithecker: "Es darf nicht alles 'übersichert' sein, der Umgang mit Risiko ist ein Grundrecht!"
Neue Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Der zweite Referent am vierten Tag der Pädagogischen Werktagung zum Thema "LEBENSRÄUME entdecken.gestalten.teilen", der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Leonhard Thun-Hohenstein, zeigte anhand der im Bau befindlichen neuen Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Salzburg auf, wie dem Bedürfnis von psychisch kranken Heranwachsenden nach Natur, Bewegung, Rückzug und Beheimatung Rechnung getragen werden kann. Der Neubau in Salzburg solle einem Dorf nachempfunden, es gebe Photovoltaikanlagen, ein begrüntes Dach, atmungsaktive Lehmwände, viel Licht und Aktivierungsangebote. Auch Kunst spiele eine wesentliche Rolle in der Arbeit mit den jungen Patienten, sagte Thun-Hohenstein.
Es sei zu berücksichtigen, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihr gewohntes Umfeld verlassen, wenn sie in der Klinik einen neuen Alltag erleben. Anforderungen an deren Gestaltung seien daher sowohl eine möglichst hohe Lebensqualität als auch die Erfüllung therapeutischer Bedürfnisse.
Die diesjährige Pädagogische Werktagung zum Thema "Lebensräume" endet am Freitag. Die vom Katholischen Bildungswerk Salzburg in Kooperation mit der Caritas Österreich und der Universität Salzburg organisierte fünftägige Veranstaltung zählt zu den wichtigsten Pädagogik-Fachtagungen im deutschsprachigen Raum.
Quelle: kathpress