Fischer: "Demokratie ist viel mehr als Herrschaft der Mehrheit"
"Demokratie ist viel, viel mehr als Herrschaft der Mehrheit": Als weitere grundlegende Elemente dieser Staatsform hat Altbundespräsident Heinz Fischer die "Begrenzung der Macht der Mehrheit" und den Minderheitenschutz genannt, die Wahrung der Menschenwürde, Grund- und Freiheitsrechte, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit einschließlich einer unabhängigen Gerichtsbarkeit. Vor dem Hintergrund aktueller Diagnosen einer Krise der Demokratie zeigte sich Fischer optimistisch, was deren Überlegenheit gegenüber Diktaturen betrifft. Sein mehrfach geäußerter Satz, dass die Demokratie "nicht unzerstörbar" sei, müsse ergänzt werden durch den Hinweis, "dass die Diktatur erst recht nicht unzerstörbar ist".
Der österreichische Bundespräsident der Jahre 2004 bis 2016 äußerte sich im Interview der Zeitschrift "Quart", herausgegeben vom "Forum Kunst - Wissenschaft - Medien" der Katholischen Aktion Österreich, über die Zukunftsfähigkeit der Demokratie. Die Geschichte zeige, dass die Demokratie von Regimen wie Nazideutschland oder Franco-Spanien zeitweise unterdrückt wurde, sich aber "letzten Endes als stärker erwiesen" habe. Auch künftige "Siege" einer Diktatur würden nicht dauerhaft sein, denn eine solche habe "aus systemimmanenten Gründen nur beschränkte Lebensdauer", meinte Fischer. Freilich sei die Demokratie nicht unveränderbar, sie bedürfe im Gegenteil immer neuer Formen, um sich an geänderte gesellschaftliche Verhältnisse anzupassen.
Die Qualität des Bildungssystems habe zwar Einfluss auf die Qualität der Demokratie, aber laut Fischer darf daraus nicht der Schluss gezogen werden: Je gebildeter ein Mensch ist, desto demokratischer verhält er sich. Zudem gebe es in der EU 28 verschiedene Bildungssysteme, "deren Einfluss auf die Demokratie zu quantifizieren ist kaum möglich". Dessen ungeachtet sprach sich der Altbundespräsident für einen hohen Stellenwert der Bildung aus: Eine höhere Wertschätzung für die Lehrkräfte, die Eliminierung sozialer Hürden bei gleichzeitiger Leistungsförderung sowie die Zurückdrängung politischer Einflussnahme hält Fischer - wie er sagte - für sinnvolle Beiträge, um das österreichische Bildungssystem zu optimieren.
Wachsenden Handlungsbedarf sieht Fischer im Bereich der Digitalisierung: Es sei Aufgabe der Politik wie auch der Zivilgesellschaft, deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wie auf die Privatsphäre, auf die Lebensqualität und auf die zwischenmenschlichen Beziehungen "in vernünftigen Bahnen zu halten".
Quelle: kathpress