Pilgern für Lackner eine "Öffnung des Geistes"
Das Pilgern hat die Funktion, den Geist zu öffnen: Das hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Montag bei den "Disputationes", den Begleitdiskussionen zur "Ouverture spirituelle" der Salzburger Festspiele, hervorgehoben. Beim "leidenschaftlichen Gehen" sei das Unterwegssein wichtiger als das Ankommen - was auch für den Glauben als eine spezielle Form des "Unterwegsseins" gelte, so der Salzburger Oberhirte. Lackner diskutierte vor über 100 Interessenten in der Kulisse Salzburg mit der Intendantin Nike Wagner und dem Psychiater Reinhard Haller über das Thema "Von der Passion zur Obsession".
Ein Beispiel dafür aus eigener Erfahrung lieferte Nike Wagner: Das Publikum einer Aufführung habe ein "Pilgerziel", was gerade in den Festspielorten deutlich werde. Auch sie selbst arbeite mit Leidenschaft an einem Werk und sei "enttäuscht, wenn es fertig ist", berichtete die langjährige Intendantin des Kunstfestes Weimar und Nachfahrin von Richard Wagner und Franz Liszt. Wichtig sei es stets, Kunst "ernst zu nehmen und sich von ihr ergreifen zu lassen".
Leidenschaften seien als "positive Motoren der Gesellschaft" viel zu wenig gewürdigt, befand der Psychiater Haller. Oftmals handle es sich dabei um "individualisierte Triebe", bei denen nicht ein Zwang, sondern Leichtigkeit und Hingabe im Vordergrund stünden. "Leidenschaft lässt einen brennen, man soll dabei aber nicht verbrennen", so der Experte. Freilich könne Leidenschaft im Wettstreit auch zur Aggression führen: Bei der Fußball-WM etwa hätten sich "alle Elemente eines Krieges" gezeigt.
Inmitten des leidenschaftlichen Einsatzes sei es wichtig, wieder mehr auf die richtige Wortbildung zu achten und "Vernebelungen" als solche zu erkennen, so der Appell Nike Wagners. Und auch Erzbischof Lackner mahnte, angesichts des zunehmenden Populismus eine "Wachsamkeit für Humanität zu entwickeln und im Einzelfall Dramen sichtbar zu machen". Leidenschaftliche Vorkämpfer wie Mahatma Ghandi könnten darin ein Vorbild sein.
Die "Disputationes" wurden vor sechs Jahren vom Herbert-Batliner-Europainstitut initiiert und laufen seit der Auflösung des Instituts im nunmehr siebten Jahr weiter unter dem neuen Trägerverein "Disputationes Salzburg" - mit Ex-Vizekanzler Erhard Busek als Spiritus Rector und dem Salzburger Ostkirchen-Experten Prof. Dietmar Winkler als Vorstandsmitglied. Bei der diesjährigen Auflage waren in weiteren Diskussionen auch der Erfolgsautor Michael Köhlmeier, der frühere Benediktiner-Abtprimas Notker Wolf, die Tübinger Philosophin Sabine A. Döring und der Zürcher Psychologen Willibald Ruch sowie die Theologen Susanne Heine und Karl-Josef Kuschel zu hören.
Benediktiner: Kraft aus dem Leid schöpfen
Zum "Disputationes"-Thema hatte sich der Benediktiner Notker Wolf darüber hinaus am Samstag in den "Salzburger Nachrichten" geäußert: Ein zentrales Kennzeichen des Christentums sei die Freiheit - besonders von Abhängigkeiten und von Sünde - sowie die Lebensfreude. Beides dürfe im Unterschied etwa zum Buddhismus nie zur Leidenschaftslosigkeit führen, betonte der ehemalige Abtprimas. "Für mich heißt Kraft aus dem Kreuz, aus der Passion zu schöpfen auch, dass ich mit Leidenschaft und Begeisterung an meine Aufgaben herangehe. Das kann sogar eine gewisse Leidensfähigkeit verlangen", so der Ordensmann im Interview.
Christen glaubten, dass Jesus das Leid überwunden habe - durch den Kreuzestod, welcher "die größte Solidarität Gottes mit leidenden Menschen" sei, erklärte Wolf. In dem Maß, in dem ein gläubiger Mensch fähig sei, sein Leiden "in der Einheit mit dem leidenden Christus zu sehen", gebe das Christentum dem Leiden jetzt schon einen Sinn statt auf die Ewigkeit zu vertrösten. Sich selbst zusätzlich Leid aufzuerlegen sei "Masochismus" und ein "Irrweg", ein bewusstes Opfer wie etwa das klassische Fasten diene jedoch der Kräftigung, legte der Benediktiner dar.
Quelle: Kathpress