Caritas-Experten: Klimawandel lässt Senegals Landbewohner hungern
Während die Hitzewelle in großen Teilen Europas zu Ernterückgang, Viehfutter-Engpässen und teureren Lebensmitteln führt, stehen in Westafrika aufgrund der Klimaveränderungen Existenzen auf dem Spiel: Im Senegal gibt es in vielen Dörfern in der trockenen Jahreszeit kein Trinkwasser mehr, die Landbevölkerung kämpft mit Ernteausfälle und Viehsterben, und der Trend zu Wetterextremen hält spürbar an, berichteten zwei Experten der senegalesischen Caritas bei einem Wien-Besuch im Interview mit "Kathpress". Vielfältige Hilfe zur Selbsthilfe bietet die Caritas der Diözese St. Pölten, die seit langem im Senegal Projekte laufen hat und dafür derzeit im Zuge ihrer Sommerkampagne Spenden sammelt.
Momentan ist im Senegal bis September noch Regenperiode, erklärte Bertin Sagna, Direktor der Caritas der im Landesinneren gelegenen Diözese Tambacuonda. Mit dem Klimawandel fallen die Niederschläge jedoch gering oder unberechenbar aus, und immer häufiger kommt es zu Überschwemmungen, Bodenerosion, Dürren und Verknappung der Wasserreserven, wobei unterirdische Wasserquellen weniger werden und Brunnen versiegen. In dem trockenen Sahelzone-Land hängt die Existenz von 60 Prozent der Bevölkerung vollkommen von der Landwirtschaft ab. "Kommt es hier zu drastischen Ernteausfällen, bleibt als Alternative oft nur noch die Migration von Familienmitgliedern in die Städte oder ins Ausland", so Sagna.
Zwar gibt es nach der Regenzeit genug zu essen, doch in der Zeit danach wächst die Belastung, schilderte der Caritasdirektor. Man sei im Senegal schon an die Hungersnöte gewohnt, bei denen man in den Trockenphasen zwischen den Regenzeiten bisweilen nur mit einer Mahlzeit pro Tag auskommen muss, doch dauern diese Phasen nun immer länger. Besonders Alte, Schwache und Kinder mache der Hunger zu schaffen. Viele Familien verkauften alle Tiere und sonstige Besitztümer, um Nahrungsmittel zu erwerben. Die Schule und damit verbundene Kosten müssen dann zurückstehen, worunter die Entwicklung der jungen Generation ebenso leidet wie unter der Folgen von Mangelernährung.
Genaue Problemanalyse
Um den Hunger zu überwinden und die Situation der Landbevölkerung zu verbessern, ist die genaue Analyse der Probleme vor Ort gemeinsam mit der Bevölkerung nötig, zeigte Caritas-Mitarbeiterin Constance Mbaye auf. Beispielsweise verschärfen sich die Ernterückgänge auch wegen des ressourcenintensiven industriellen Baumwoll- und Erdnussanbaus oder aufgrund von Pflanzenkrankheiten. Schlechte Zäune lassen hungrige Weidetiere die Gemüsefelder kahlfressen. Das Preis für Getreide - angebaut werden vor allem Hirse, Mais und Sorghum - schwankt im Jahresverlauf stark, und ausländische Hilfen aus der schweren Hungerkrise 2012 haben die Ernährung stark von importierten Reis abhängig gemacht.
Genauso vielfältig wie die Probleme sind auch die Caritas-Initiativen für 950 Familien in 21 Dörfern Tambacuondas. Abgesehen von Nothilfe-Maßnahmen wie die Verteilung von Zusatznahrung für unterernährte Kinder und Senioren, geht es bei den insgesamt 50 Projekten darum, ökologische, auf den Klimawandel angepasste Anbaumethoden zu fördern, das Familieneinkommen zu erhöhen und die Ernährungssicherheit zu stärken. Gemeinschafts-Gemüsegärten mit individuellen Parzellen und einer Gruppenkassa werden in den Dörfern errichtet, Saatgutmärkte werden organisiert und Getreidemühlen angeschafft. In Pilotfarmen gibt es Kurse etwa für Bio-Landbau, Dünge- und Bewässerungsmethoden sowie Zucht von Rassetieren, zudem bietet die Caritas Beratungen für Bauern, finanziert Brunnenbauten und schult auch in Vermarktung.
Als äußerst erfolgreich haben sich weiters die bisher 12 errichteten genossenschaftlichen Getreidebanken erwiesen, schilderte Mbaye: Bisher zwangen fehlende Lagermöglichkeiten die Bauern, nach der Ernte den Großteil des Getreides rasch zu Schleuderpreisen zu verkaufen, ehe sie in Notzeiten - wenn die Familienkasse leer ist - für die Ernährung wie auch für neues Saatgut Wucherpreise bezahlen mussten. Mit Caritas-Hilfe errichtete Speicher in den Dörfern erlauben indes längere Haltbarkeit des Getreides und Verhandlungen besserer Preise mit den Großhändlern. "Bauern können somit in Zeiten der Knappheit auf eigene Reserven zurückgreifen", erklärte die Caritas-Mitarbeiterin.
Behinderte Entwicklung
Trotz vieler Notsituationen sei Senegal wie auch der afrikanische Kontinent als Ganzes reich an Rohstoffen und vor allem Arbeitskräften - und könne sich auch selbst ernähren, so die Überzeugung der beiden Caritas-Experten. "Wichtig wäre jedoch, dass Europa nicht länger verhindert, dass es eine Entwicklung vor Ort gibt. Denn derzeit werden die Rohstoffe aus dem Land geschafft und im Ausland verarbeitet. Unsere Regierungen sind oft nur Marionetten multinationaler Konzerne", schilderte Mbaye die Situation. Dieses Ungleichgewicht stehe Afrikas Entwicklung im Weg und sei langfristig auch für Europa ein Nachteil.
(Spenden an die Caritas bei Raiffeisenbank St. Pölten, IBAN: AT28 3258 5000 0007 6000, Kennwort: Zukunft ohne Hunger oder online unter www.caritas-stpoelten.at)
Quelle: kathpress